Notizen aus Polen

Benennung von Verfassungsrichtern in Polen

WARSCHAU. (hpd) Die vorher regierende Koalition wollte vor der zwangsläufig kommenden Niederlage bei den herbstlichen Parlamentswahlen sich die Mehrheit der von ihr nominierten Richter im Verfassungsgericht absichern. Aufgrund der hastig geänderten Prozeduren wurden zu den drei Richtern, deren Amtszeit abläuft, im Voraus zwei weitere gewählt. Der Präsident Andrzej Duda verweigerte, die neuen Richter zu vereidigen, obwohl er das laut Gesetz unverzüglich hätte tun müssen.

Eine der ersten Tätigkeiten des neuen Parlaments mit der Mehrheit der rechts-nationalen Partei PiS war die Wahl der fünf Richter des Verfassungsgerichts. Alle bisher geltenden Prozeduren des Auswählen, der Anhören der Kandidaten vor dem zuständigen Parlamentsausschuss etc. wurden übersprungen und noch am selben Tag, genau um Mitternacht, wurden die neuen Richter vom Präsidenten vereidigt.

Am 3. Dezember hat das Verfassungsgericht entschieden, dass das alte Parlament die drei Richter in Übereinstimmung mit Gesetz und die zwei weiteren gesetzwidrig gewählt hat und der Präsident verpflichtet war, die Richter unverzüglich zu vereidigen.

Mit großer Spannung wurde die nächtliche Fernsehbotschaft des Präsidenten am 3. Dezember erwartet. Man hat gehofft, dass das Staatsoberhaupt Stellung zu der soeben getroffenen Entscheidung des Verfassungsgerichts nehmen wird. Nichts dergleichen, er sagte nur, er hat die neuen fünf Richter vereidigt, um die politische Krise zu lösen. Gleichzeitig kündigte er auch Konsultationen über ein neues Gesetz zur Wahl der Verfassungsrichter und der Gestaltung des Verfassungsgerichts an.

Die Kommentare und Auswertungen der Juristen, Experten und Journalisten reichten von Erstaunen, politische Krise bzw. Verfassungskrise bis hin zum Staatsstreich.

Eines der Mitglieder des von Präsidenten gebildeten "Nationalrates für Entwicklung" erklärte, er kann nicht mit einem Präsidenten arbeiten, der die Verfassung verletzt. Ein 88 jähriger Aktivist der ersten Solidarność, der während der Zeit des Kriegszustandes inhaftiert war, hat aus dem gleichen Grunde einen ihm vom Präsidenten verliehenen hohen Orden abgelehnt.

Professor Jan Zimmermann, Dekan des Rechtsfakultät an der Krakauer Jagiellonen-Universität und Promoter der Dissertation von Andrzej Duda, sagte: es tut mir leid, dass mein Schüler schon dreimal die Verfassung verletzt hat.

Neun führende Organisationen (darunter die Oberste Rechtsanwaltskammer, das Institut für Öffentlichen Angelegenheiten, die Stefan-Batory-Stiftung, die Helsinkische Stiftung der Menschenrechte, Watchdog Polska, das Institut für Recht und Gesellschaft u.a.) haben an den Europarat geschrieben und die jüngsten Ereignissen geschildert.

Das 3. Dezember tagende Verfassungsgericht wurde von den Demonstranten des soeben entstanden "Komitees für Verteidigung der Demokratie" (KOD), unterstützt. Innerhalb von nur einer Woche haben sich im Facebook-Profil des KOD über 40.000 Anhänger eingetragen.

Am 9. Dezember wird das Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Wahl der Richter durch das gegenwärtige Parlament überprüfen. Alle Experten des Verfassungsrechts sind absolut sicher, dass diese Wahl wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Prozeduren gesetzwidrig war.

Für den 12. Dezember, am Vortag des Jahrestages des (am 13.Dezember 1981) von General Jaruzelski) eingeführten Kriegszustands, hat das KOD eine große Kundgebung im Warschau vom Sitz des Verfassungsgerichts bis zum Präsidentenpalast angekündigt. Der Name KOD knüpft an das legendäre KOR (Komitee für die Verteidigung der Arbeiter) an, welches die wegen der Streiks im Jahre 1976 inhaftierten und schikanierten Arbeiter und ihre Familien finanziell und rechtlich unterstützte.

Die deutsche Presse kommentiert die hier geschilderte Ereignisse. Ist es aber wirklich so, wie es die Berliner Zeitung geschrieben hat: Von Ungarn und Polen droht Europa eine größere Gefahr als von der Mördertruppe des Islamischen Staates (?).

Ich möchte wiederholen, was ich in früheren Text geschrieben hatte: Polen ist nicht identisch mit der neuen Regierung. Jetzt füge ich noch dazu: Auch nicht mit dem neuen Präsidenten. Das Mäßigen im Urteilen ist dringend empfohlen.