Richtungsstreit unter Evangelikalen?

Die Bibel ist Gotteswort!

BERLIN. (hpd) Zu einem “entschiedenen Widerstand” gegen die in der evangelischen Kirche verbreiteten “Irrlehren” ruft der langjährige Hauptredner der überkonfessionellen Evangelisationsbewegung ProCHrist, Ulrich Parzany, auf. Parzany unterstützt auch die die Aktion “Christival”, die auf Versammlungen auch schon mal “Homoheilungen” anbietet.

ProCHrist veranstaltet seit den 90er Jahren regelmäßig in mehrjährigem Abstand große Evangelisationskongresse mit evangelikaler Ausrichtung. Dem Kuratorium von ProChrist gehören u.a die früheren Ministerpräsidenten Beckstein, Lieberknecht und Teufel, der Fernsehmoderator Peter Hahne, Frank J. Weise (Chef der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) sowie verschiedene Bischöfe und Ex-Bischöfe an.

Mit einer Aktion “Zeit zum Aufstehen” will Parzany evangelikale Kreise in Deutschland, Europa und tendenziell weltweit zusammenschließen, um die Polemiken gegen die offiziellen evangelischen Positionen besser bündeln zu können, um eine Vernetzung zwecks gemeinsamer öffentlichkeitswirksamer Aktionen zu betreiben und schließlich im “Lutherjahr” 2017 einen “Bekenntnistag” (zumindest bundesweit, aber durchaus auch international) durchzuführen. Zielsetzung: den christlichen Fundamentalismus stärken und die als bibelkritisch bezeichneten Kirchenleitungen zu schwächen, die die gläubigen Christen drängten, ihre biblischen Positionen aufzugeben.

Das Bekenntnis “Wir verwerfen die falschen Lehre” müsse deutlich formuliert werden, schreibt Parzany in einem “Memorandum”, das idea.de veröffentlicht hat. Die Losung: “Zeit zum Aufstehen – Wir stehen auf und machen uns auf den Weg, Gottes Liebe in Wort und Tat weiter zu tragen.” Eine neue Drohbotschaft an die freie Gesellschaft wird verkündet.

Das bedeutet im Klartext: Änderung der Pfarrerausbildung, aus der die kritisch-historische Methode verschwinden müsse, denn: “Die Bibel ist Gottes Wort. Sie ist Urkunde der Offenbarung Gottes. Die historisch-kritische Bibelauslegung wird dieser Tatsache nicht gerecht und ist zu überwinden.” In einer Zeit, in der Islamreformer zur Beurteilung des Korans gerade auf diese Methode orientieren – gegen den Widerstand konservativ-orthodoxer Islamverbände – wollen konservativ-orthodoxe Christen die Rolle rückwärts vornehmen und ins Mittelalter zurück: Buchstabengetreues Verständnis der Bibel soll wieder (evangelischer) Mainstream werden – der Ruf nach Verbreitung des Kreationismus dürfte dann als Nächstes zu hören sein.

Das bedeutet: Abkehr von einer im evangelischen Denken fortgeschrittenen pluralistisch-demokratischen Relativierung des Wahrheitsanspruches, denn es gäbe universell nur einen einzigen Weg zum Heil: “Wir verwerfen die falsche Lehre, es gäbe auch andere Wege zum Heil, und das Evangelium von Jesus Christus müsse nicht allen Menschen zu ihrer Rettung verkündet werden.” Denn: “Jesus Christus allein ist Retter für alle Menschen.” Es kann eben nur eine Wahrheit geben!

Da kommt sie wieder, die weitgehend überholt geglaubte christlich-religiöse Arroganz, Besserwisserei und Bevormundung, die selbstredend nach Zeugnisablegen, nach Missionierung, ruft. Besonders abstoßend wird Herrn Parzany’s Gerede, wenn er “die Juden” ins Visier nimmt: “Es gilt auch daran festzuhalten, dass die rettende Botschaft von dem Messias Jesus nach wie vor den Juden zuerst gilt.” Zuerst also Judenmissionierung? Wagt der Mann noch nicht, antisemitische Gesinnung ganz deutlich zu offenbaren, testet er erst einmal die Reaktionen?

Verwerfung der falschen Lehre bedeutet: Klare Kante zeigen, gegen den Mainstream - die “Ebenbildlichkeit des Menschen mit der Beziehung von Mann und Frau” sei Teil der göttlichen Offenbarung in der Bibel: “Dieses Wort Gottes des Alten Testamentes (1.Mose 1,26 – 28) wird durch Jesus Christus ausdrücklich bestätigt.” Es kommt in Parzanys Suada, was kommen muss: “Darum verwerfen wir die falsche Lehre, homosexuelle Beziehungen entsprächen dem Willen Gottes und dürften von den Kirchen gesegnet werden.”

Aktuell scheint ein Richtungskampf innerhalb der evangelikalen Bewegung in Deutschland zu toben. Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, hatte sich dahingehend geäußert, er erkenne auch homosexuelle Geistliche an, was Parzany offenbar zur Weißglut treibt, bringt er doch, so die Vorhaltungen seiner Kritiker, Homosexualität in einen Zusammenhang mit der Verwerflichkeit von Ehebruch, Geiz und Egoismus. Selbst eine vorsichtige Orientierung auf “Barmherzigkeit” will ein Hardliner wie Parzany nicht mitmachen.

Am 23. Januar will Parzany mit rund 60 Gleichgesinnten in Kassel über sein “Memorandum” und die Thesen “Zeit zum Aufstehen” sprechen. Gegen den aufgeklärten Mainstream innerhalb Kirche und Gesellschaft soll mobil gemacht werden. Das lässt nichts Gutes für die freiheitlich-pluralistische Gesellschaft hoffen.