Ökonomische Plaudereien

Ohne Banken keine Volkswirtschaft?

BERLIN. (hpd) Würde unsere Wirtschaft ohne Banken funktionieren? Sind Banken unverzichtbar und welche Aufgaben haben sie? Das fragt Ingo Wulf in seiner aktuellen ökonomischen Plauderei.

“…und die Banken schlossen die Tore ihrer Tempel, denn der Herr Mammon hatte seine Priester verlassen. Da er sie aber verlassen hatte, sprach er nicht mehr zu ihnen. Und sein Schweigen wurde zu Finsternis. Die Finsternis breitete sich aus über den Erdkreis. Und es war kein Licht mehr in der Welt. Da ließen die Menschen ab von der Arbeit und strömten zusammen. Sie kamen zusammen in der Finsternis und fürchteten einander. Denn der Herr Mammon hatte die Menschen verlassen und er führte sie nicht mehr mit seinem Wort.”

Ist das gemeint, wenn es heißt, ohne Banken ginge es nicht? [1] Was könnte es sein, was Banken unverzichtbar macht? Eine Bank hat gewisse Aufgaben. Um herauszufinden, worum es sich dabei handelt, kann man bei Wikipedia [2] mit dem Lernen beginnen. Da finden sich die Funktionen:

  • Dienstleistungen, z.B. das Bargeldgeschäft
  • Kreditvergabe
  • MonetäreFunktion (ganzer Zahlungsverkehr)
  • Übertragung geldpolitischer Impulse (Zinssatz)
  • Investitionsfunktion (Wertpapiere)
  • Wirtschaftliche Funktion

“Bargeldgeschäft” bedeutet möglicherweise, Banknoten und Münzen im Sinne einer logistischen Aufgabe zur Verfügung zu stellen.
“Kreditvergabe” dürfte in engem Zusammenhang mit dem letzten Punkt “Wirtschaftliche Funktion” stehen. Das bedeutet vermutlich, dass es Banken gibt, um damit Geld zu verdienen. Was für eine Überraschung. Das machen Millionen andere Unternehmen auch.
“Zahlungsverkehr” kennt man im privaten Alltag gewöhnlich als Überweisung. In der B2B-Sphäre gibt es noch einige Extras.
Die “Übertragung geldpolitischer Impulse (Zinssatz)” könnte der Euphemismus der Woche sein. Das Konzept Zins in all seinen Erscheinungsformen ist nicht weniger als die Geschäftsgrundlage der Banken.
Den Wertpapierhandel “Investitionsfunktion” zu nennen, könnte dem Leser ein Lächeln über das Gesicht huschen lassen, denn Investitionen im ursprünglichen Sinne sind das Gegenteil dessen, was mancher bei Kauf und Verkauf von Wertpapieren im Auge hat.

Für eine Bank kann das alles interessant sein, sofern es Geld bringt. Aber was davon brauchen die anderen, wir “Nichtbanken”? [3]

In der Aufzählung fehlt noch einiges. Unter anderem ist es die Guthabenverwaltung. Diese Schatzhausfunktion der Banken ermöglicht eine erhebliche Kontrolle der Vermögen und eine Überwachung ihrer Verwendung. Das treibt manchmal seltsame Blüten. Mit dem Hinweis auf den Schutz vor Geldwäsche kann heute ein Achtjähriger in manchen Banken nicht einmal den Inhalt seines Sparschweins in ein paar handlichere Banknoten umtauschen. Ja, das Geld kann einem Konto gutgeschrieben werden. Kein Problem. Aber bar in die Hand? Nein. Erkläre das mal jemand dem Kind. Selbst gewöhnliches Wechseln von Geld geht heute kaum noch. Etliche Bankfilialen haben nicht einmal mehr Kassen. ‘Wir können die Australischen Dollars Ihrem Konto gutschreiben, in Euro umtauschen können wir sie nicht.’ Oberflächlich betrachtet sieht das fast wie eine gewisse Scheu vor dem Umgang mit Geld aus.

Die Kontrolle der Geldbewegungen versucht man immer wieder auszubauen. Von Zeit zu Zeit kommt die Forderung hoch, Bargeld abzuschaffen “Ohne Bargeld gäbe es weniger Kriminalität.” [4] Bargeld ist schwerer zu kontrollieren als vielfach protokollierte Überweisungen. Und wer nichts Illegales macht, hat doch nichts zu verbergen? Doch. Da gibt es immer noch so etwas wie Privatleben. Aber das ist ein anderes Thema. Aktuell wabert ein Vorschlag durch die Medien, wonach die 500-Euro-Scheine verschwinden sollen. [5] Das mag man noch abnicken, denn wer braucht schon Scheine, die im Alltag selten gebraucht und noch seltener genommen werden? Aber in der dünner geschriebenen Zeile darunter findet man: “Die Sozialdemokraten fordern eine Obergrenze von 5.000 Euro für Barzahlungen”. Darum geht es also. Vielleicht wird man bald verdächtig sein, wenn man 150 Euro bar in der Tasche hat und keinen konkreten Grund dafür angeben kann.

Durch die Schatzhausfunktion der Banken sind Vorgänge wie in Zypern möglich, wo anscheinend Bankkunden um Teile ihrer Vermögen gebracht wurden, um Probleme ihres Dienstleisters zu lösen. [6] Man stelle sich vor, das Restaurant, in dem man mit Freunden essen will, habe wirtschaftliche Probleme und man würde die gerade anwesenden Kunden mal eben um einen beträchtlichen Teil ihres Geldes erleichtern - ohne Gegenleistung, einfach, weil sie gerade da sind. Sicher könnten Juristen genau erklären, dass das ganz verschiedene Dinge sind und überhaupt nicht zu vergleichen. Da werden sich die Betroffenen gleich viel besser fühlen.

Braucht man für die “Schatzhausfunktion” eine Bank? Man vertraut sein Geld, für das man lange gearbeitet hat, zur Aufbewahrung Unternehmen an, die eine besondere und systematische Neigung zur Instabilität haben. [7] Das ist vielleicht keine besonders gute Idee. Aber man möchte sein Vermögen auch nicht in der Matratze haben oder im Portemonnaie. Welche Alternativen gibt es da? Die Schatzhausfunktion ist im Kern oft nichts weiter als ein hochverfügbares gut gesichertes Datenbanksystem. Damit die Datenbank stabil funktioniert, muß ihr Betreiber keine Bank sein. Für die Aufbewahrung eines Zehners auf dem Weg zum Bäcker ist auch kein Portemonnaie nötig. Wenn die Hosentasche kein Loch hat, ist das größte Risiko schon mal ausgeräumt.

Alternativen?

Ein Schüler kam in einem Gespräch mit einem interessanten Gedanken zum alltäglichen Zahlungsverkehr heraus. Angeregt durch die Beobachtung eines Zahlungsvorgangs mit einem portablen Kartenlesegerät schlug er vor, doch Kartenlesegeräte zu bauen, die zwei Karten aufnehmen könnten. Dann könne man es so machen, dass beide Parteien ihre Karten hineinstecken, den Vorgang autorisieren und Geld von der einen Karte wegnehmen und der anderen Karte zuschreiben. Dafür braucht man keine Satelliten, keine komplizierte Infrastruktur - und keine Bank.

Der Vorschlag unterstellt stillschweigend, dass die Karten auch die Funktion einer Geldkarte haben. Das ist sicher kein Problem, denn es macht technisch kaum einen Unterschied, ob die Karte mit 50 Euro “aufgeladen” ist oder mit 50 Millionen.

Damit sind wir beim nächsten Punkt, dem Geld in der Matratze. Man möchte vermutlich nicht sein gesamtes Vermögen, weder privat noch geschäftlich, auf einer leicht verlierbaren Geldkarte haben. Dafür kann man verschiedene Szenarien prüfen. Naheliegend wäre es, die “Alltagskarte” (Funktion und Äquivalent des Girokontos) von der “Sparkonto-Karte” zu trennen. Wenn man es so einrichtet, dass ein Diebstahl dem Dieb nichts nützt, was technisch möglich ist [8], so muß man sich auch keine Sorgen machen, wenn die “Sparkonto-Karte” mit 87.654,32 Euro zu Hause herumliegt. Mit den entsprechenden Sicherungssystemen befassen sich dann spezialisierte Dienstleister. Eine Kenntnis des “Inhalts” der Karten ist für den Dienstleister dabei nicht erforderlich. Diese Dienstleister müssen dafür auch keine Banken sein, denn hier geht es um IT und Versicherungen. Man hätte sein Geld in der eigenen Kontrolle.

Richtig, das betrifft das “elektronische” Geld. Was ist mit den Scheinen und Münzen? Die Banknoten gibt es am Automaten, wie gehabt. Nur müssen die Automaten nicht von Geschäftsbanken kontrolliert und versorgt werden. Die Automaten mit dem Knabberkram und der Limo auf dem Bahnsteig oder sonstwo werden auch nicht zwingend von den Herstellern dieser Dinge betrieben. Das machen oft andere. So kann es mit den Geldautomaten auch gehen. Und dann: Geldkarte rein, Betrag von der Karte (!) abziehen und nicht umständlich von einem Konto bei einer fernen Bank, Karte und Geld ausgeben, fertig. Das Leben kann einfach sein.

Was ist mit Krediten?

Banken sind hinsichtlich vieler Details ihrer Arbeitsweise in sehr alten Abläufen verhaftet. Die aktuellen technischen Möglichkeiten werden oft gar nicht genutzt. So lange Bankgeschäfte mit Papier und Tinte gemacht wurden, mußte man Dokumente physisch erzeugen und bewegen. Menschen mußten an bestimmten Orten sein, sich oft sogar persönlich begegnen. So lange ist es noch gar nicht her, dass man für eine Überweisung zur Bank ging und ein Formular ausfüllte, welches ein Bankangestellter prüfte und dann abarbeitete. Mit den Computern veränderte sich das ein wenig zu dem, was wir heute kennen. Aber da geht noch mehr.

Wenn man sich als Kreditgeber nicht einen sondern viele Akteure vorstellt, die nach transparenten Kriterien Kredite gewähren, mit Versicherungen für die Beteiligten und abgewickelt durch eine entsprechende Organisation, dann ergeben sich viele neue Möglichkeiten, von denen erst wenige erprobt werden. Dabei muß auch nicht mit Zins Geld verdient werden. Man zahlt für das Leihen des Geldes wie für einen Mietwagen und gibt es später genauso zurück - nur ohne Gebrauchsspuren. Der Anreiz für einen “Crowd-Kreditgeber” kann darin bestehen, dass man Kredit in Anspruch nehmen kann, wenn man auch bereit ist, ein wenig Kredit zu gewähren. Man mag dabei zunächst an Konsumentenkredite denken, die nach Art und Umfang gewisse Unterschiede zu Geschäftskrediten aufweisen. Doch grundsätzlich ist so etwas auch für den Geschäftsbereich denkbar. Mancher kluge Manager wird ohnehin danach streben, seine Unternehmungen ohne Kredite zu betreiben. Vermutlich wäre der Bedarf an Krediten auch deutlich geringer, wenn es keine Geschäftsbanken gäbe. Schließlich müßte man sich nicht mehr darum kümmern, mit Zinsen deren Existenz zu sichern. Ohne Banken keine Volkswirtschaft?. “Ohne Volkswirtschaft keine Banken” kommt der Sache wohl näher.


  1. handelsblatt.com/politik/international/zurueck-auf-los-ohne-banken-keine-volkswirtschaft/4629730–4.html  ↩

  2. Wikipedia, de, “Bank”  ↩

  3. Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Nichtbanken, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54306/nichtbanken-v7.html  ↩

  4. Deutschlandfunk, http://www.deutschlandfunk.de/muenzen-und-scheine-in-der-kritik-oekonome...  ↩

  5. FAZ, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/spd-will–500-...  ↩

  6. Spiegel online, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/zypern-reiche-bankkunden-ve...  ↩

  7. Glenn Hoggarth, Costs of banking system instability : some empirical evidence http://www.bankofengland.co.uk/archive/Documents/historicpubs/workingpap...  ↩

  8. vergl. Schneier, B.; Angewandte Kryptographie, Addison Wesley, 1996, ISBN 3–89319–854–7  ↩