Kritik an Aussagen des Sozialwissenschaftlers Frank Richter

Nicht nur Religion bringt den Menschen ethische Maßstäbe näher

BERLIN (hpd) Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) kritisiert den Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung in Dresden, den Sozialwissenschaftler Frank Richter. Dieser hatte in einem Interview mit der Zeitung Welt im Zusammenhang mit den fremdenfeindlichen Vorkommnissen in seinem Bundesland als einen Grund für die Entwicklung attestiert, dass in Sachsen "Religion als Ressource ethischer Maßstäbe und Haltungen […] weiterhin nicht zur Verfügung [steht]". Richter sieht zudem, dass die Rechtsradikalen im Land auch "keine Vorbilder" hätten, an denen sie sich positiv ausrichten könnten.

Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, kritisiert die Darstellungen des Wissenschaftlers scharf: "Keine Religion bedeutet nach Zitat des Leiters der Landeszentrale eine 'Distanz' zur 'Ordnung der Bundesrepublik'." Wenn das keine offenkundige Diskriminierung einer ganzen Gesellschaftsgruppe ist!

Religionsfreie sollen also nichts von der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands halten, weil ihnen entsprechende Vorbilder fehlen, die ihnen menschliche Normen und Gewaltenteilung vorleben. "Wenn ich mir da das Geflecht von katholischer und evangelischer Kirche ansehe, frage ich mich durchaus, wer aus den dortigen Reihen eine glaubwürdige Demokratie verkörpern soll – der Pontifex mit dem Regiment über seine Weltkirche dürfte es nicht sein. Und wenn ich mir ansehe, wer in der Vergangenheit humanistische Werte ausstrahlte, dann fallen mir besonders säkulare Persönlichkeiten ein."

Zum wiederholten Male komme es in der aktuellen Situation dazu, dass "Areligiöse" als die Buhmänner der Gegenwart gesehen werden – gerade in der Debatte um die "Wutbürger", die "Rechtspopulisten" und die "Demokratiefeinde".

Riehle zeigt sich erschüttert: "Da verlieren selbst Wissenschaftler, die das objektive Arbeiten gelernt haben, jedwede Beherrschung und verfallen der populistischen Gemengelage, alle in einen Topf zu werfen, die irgendwie aus ihrem heilen (christlichen) Weltbild zu fallen vermögen. Und da hinterfragt dann auch niemand mehr, dass unter den Pöblern verständlicherweise auch Atheisten sind, Christen aber gleichsam auf den Montagsdemonstrationen dem ‘Untergang’ ihres ‘Abendlandes’ mit Hassreden entgegenstehen." Es sei ebenso natürlich, dass es nicht den typischen Religionslosen gibt, wie die Tatsache, dass auch jeder Religiöse eine andere politische Sozialisation hinter sich haben kann.

Stereotype zu schaffen diene allein der Stimmungsmache und sei der Wissenschaft unwürdig. Letztlich "scheint das Bashing mittlerweile eine eigene Dynamik entwickelt zu haben: PEGIDA hat 'den Islam' als Verursacher auserkoren, die 'etablierten Parteien', die AfD und die Forscher den unbekannten 'Religionslosen'."

Durch Äußerungen wie die von Richter sieht der HABO-Sprecher eine menschliche Reaktion, der man sich gerade in diesen Tagen entziehen müsste: "Der Versuch, Schuldige zu finden und Feindbilder zu schaffen, ist ein gefährlicher Weg, er führt zu einem beständigen Aufschaukeln, zu einer Aufstachelei und zur Förderung von Vorurteilen, die sich nach meiner Auffassung wohl dauerhaft manifestieren werden."

Riehle weist darauf hin, dass auch Frank Richter keinen Nachweis vorlegen kann, der einen Zusammenhang zwischen religiösem Bekenntnis und einer etwaigen politischen Gesinnung oder Weltanschauung herstellt. "Allein die Vermutung, wer nicht die Werte der (gewünschten) Religion vermittelt bekomme, werde zum Gewissenslosen, ist Ausdruck einer großen Voreingenommenheit."

Darüber allerdings zeigt sich der HABO-Sprecher nicht überrascht: "Aus dem Munde eines Theologen, der Frank Richter ja auch ist, hatte ich zwar nicht viel Anderes erwartet. Gleichsam ist es skandalös, dass der Leiter einer Einrichtung, der die politische Bildung fördern soll, seine eigene Neutralität verliert, wenn er sich zum Widersacher von Atheisten macht und damit die Gesellschaft nicht eint, sondern viel eher massiv spaltet. Sein Verhalten ist unverantwortlich!"

Der HABO-Sprecher hat auch gegen den Artikel der Welt Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt. Er wirft dem Medium vor, mit der Wahl des Titels "Keine Vorbilder, keine Religion – und Angst" die Diskriminierung von religionsfreien Menschen ganz bewusst noch gefördert und somit gegen Ziffer 12 des Pressekodexes verstoßen zu haben.