Ethikunterricht an der Grundschule

FREIBURG. (hpd) Auf der Karoline Kaspar Grundschule in Freiburg sind mehr als die Hälfte der Kinder konfessionslos. Dennoch verweigert das Kultusministerium die Einrichtung eines Ethikunterrichtes. Für eine Philosophie AG, die als Kompromiss von Seiten der Schule ab der dritten Klasse angeboten wird, müssen die Eltern bezahlen. Gegen diese Ungleichbehandlung konfessionsloser Kinder gegenüber Kindern, die einer Konfession angehören, regt sich nun von Seiten der Elternschaft Widerstand.

 

Die Tatsache, dass konfessionslosen Grundschulkindern in Baden-Württemberg die Möglichkeit verwehrt wird, sich gemäß ihrer Weltanschauung mit ethischen, philosophischen oder sozialen Fragen im Rahmen des normalen Schulbetriebes auseinandersetzten zu können, beinhaltet eine Ungleichbehandlung, die an der Karoline-Kaspar Schule in Freiburg auf Grund des sehr hohen Anteils konfessionsloser Kinder besonders deutlich wird. Diese Ungleichbehandlung existiert aber grundsätzlich und dürfte auch an andern Grundschulen nicht hingenommen werden. Deshalb ist es das Ziel der Initiative, eine grundlegende Änderung des allgemeinen Lehrplanes zu erreichen, welche dann - und dies ausdrücklich auch an der Grundschule -, die Einrichtung eines Ethikunterrichtes als adäquate Alternative zum Religionsunterricht vorsehen würde.

Es mangelt an Problembewusstsein

Nachdem das Kultusministerium Baden Württemberg auf Anfragen betreffs eines Philosophie- bzw. Ethikunterrichtes an der Karoline Kaspar Schule nur mit Unverständnis und Ablehnung reagiert hatte, wurde jetzt, um den Druck auf das Ministerium zu erhöhen, von Seiten der Elternschaft eine Unterschriftenaktion gestartet (Unterschriftenliste zum Herunterladen im Anhang).

Diese Aktion wird als ein erster Schritt verstanden, das Kultusministerium zu einer Änderung seiner Haltung zu bewegen. Gleichzeitig ist sie mit der Hoffnung verbunden, auch bei der Bevölkerung auf die Problematik der Ungleichbehandlung konfessionsloser Kinder gegenüber Kindern, die einer christlichen Religion angehören, aufmerksam zu machen. Denn, den meisten Menschen ist das grundlegende Problem, das hier berührt wird, nicht wirklich bewusst. So besuchen viele konfessionslose Kinder den Religionsunterricht, weil die betreffenden Eltern meinen, im Religionsunterricht werde der christliche Glaube heutzutage gar nicht mehr in einem erzieherischen Sinne vermittelt, sondern es werde vor allem über die christliche Kultur bzw. den christlichen Glauben informiert, ansonsten aber gehe es vor allem um Fragen und Probleme des sozialen Miteinanders. Dass es tatsächlich jedoch die ausgewiesene Aufgabe der Religionslehrer ist, den Kindern den christlichen Glauben als solchen zu vermitteln und nahezubringen, ist den meisten konfessionell nicht gebundenen Eltern überhaupt nicht klar. Ihnen ist nicht bewusst, dass im Religionsunterricht die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, natürlich mit „ja" und die Frage, wie Gott so ist, mit „gut", beantwortet wird. Kaum einer weiß auch, dass der Lehrstoff für den Religionsunterricht ausschließlich von der Kirche vorgegeben wird.

Worum geht es im Ethikunterricht?

Um die Notwendigkeit eines Ethikunterrichtes bereits ab der Grundschule zu begründen, ist es daher wichtig darüber aufzuklären, dass Ethik und Moral ein humanistisches Anliegen ist, das unabhängig von der religiösen Positionierung ist. Jeder sollte daher wissen, worum es im Ethik-, Philosophie- oder Weltkundeunterricht (oder wie auch immer man es nennen will) eigentlich geht und worin der konkrete Unterschied zum Religionsunterricht besteht. Es zeigt sich dann nämlich, dass der Ethikunterricht genau die Alternative ist, die viele Eltern (welchen Glaubens auch immer) suchen, da er versucht, die verschiedenen Religionen aber auch philosophische Ideen offen und wertfrei zu thematisieren.

Ulrike Fels, die die kostenpflichtige Philosophie AG auf der Karoline-Kaspar Schule anbietet, fasst die Grundintention ihres Unterrichtes so zusammen:
„Das Fragen, Nachdenken und Weiterfragen als Klärungsprozess elementarer Fragen des menschlichen Lebens sind wichtige Merkmale der philosophischen Tradition und werden deshalb in diesem Fach besonders betont und als Orientierungshilfe zum Weltverständnis angesehen.
Im Gegensatz zum Religionsunterricht, der sich auf die christliche Tradition und Symbolik bezieht, werden hier keine Vorentscheidungen getroffen, die über einen allgemeinen Wertekonsens hinausgehen".

Während der Religionsunterricht die Kinder separiert, bietet der Ethik- bzw. Philosophieunterricht die Möglichkeit, Kinder verschiedener Weltanschauungen und Glaubensrichtungen zu integrieren, was letztlich die Basis für einen toleranten Umgang miteinander bildet. Und das ist im Interesse aller!

Eigentlich ist, verfassungsrechtlich gesehen, der Religionsunterricht ein Problem!

Genau genommen hätte der Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach an einer staatlichen Schule gar nichts zu suchen. Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Trennung von Kirche und Staat widerspricht dieser Regelung. Ihr zufolge müsste die Schule weltanschaulich neutral sein. Verfassungsrechtlich stellt demnach eigentlich der Religions- und nicht der Ethikunterricht das Problem dar. Denn, wie Alfred K. Treml, Professor für Pädagogik, bereits 1994 in seinem sehr lesenswerten Artikel „Ethik als Unterrichtsfach in den verschiedenen Bundesländern / Eine Zwischenbilanz" feststellt, ist der Religionsunterricht „sowohl weltanschaulich gebunden als auch gleichzeitig ordentliches Lehrfach in einer weltanschaulich neutralen Schule - wenn man so will ein Anachronismus". D.h. „der RU ist gleichzeitig ein „ordentliches" und ein „unordentliches", ein „normales" und ein „unnormales" Lehrfach."

Die Einrichtung von Religion als ordentliches Schulfach, gründet letztlich in der stillschweigend akzeptierten Annahme, dass die christliche Lehre und die ethischen Werte der Gesellschaft nahtlos übereinstimmen, dass also die Kirche selbstverständlich die Aufgabe der ethischen Erziehung in der Gesellschaft übernehmen kann und zu übernehmen hätte.

In schulpädagogischen Diskussionen wird daher, wie Treml erklärt, immer wieder auf die besondere Bedeutung von Religion und religiöser Erziehung für die Legimitation und Stabilisierung der jeweiligen Gesellschaftsstrukturen verwiesen.

Eine Annahme, deren Berechtigung äußerst fraglich ist. Denn keineswegs kann in der heutigen Zeit noch von einer „Einheit des Glaubens" gesprochen werden.

Die Heterogenität der Gesellschaft erfordert aus staatlicher Sicht vielmehr eine weltanschaulich neutrale Auseinandersetzung mit sozialen und ethischen Themen. Nur so lassen sich die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen integrieren. Religion dagegen separiert die Menschen einer Gesellschaft.

Es gibt bis heute keine Ausbildung zum Ethiklehrer

Angesichts der Vielfalt an ethischen Fragen, Problemen, Weltanschauungen und Religionen, mit denen Kinder heute konfrontiert werden, sollte ihnen von Seiten der Gesellschaft die Möglichkeit geben werden, sich ernsthaft und unter professioneller Anleitung damit auseinander setzen zu können. Tatsächlich allerdings tut sie das nicht, denn: Ethikunterricht ist zwar ab der achten Klasse inzwischen üblich, eine Ausbildung zum Ethiklehrer aber gibt es nicht. Während man Theologie studiert haben muss, um Religion unterrichten zu dürfen, kann Ethik prinzipiell von jedem Lehrer unterrichtet werden.

Unterschriftenliste

Wer helfen will, möglichst viele Unterschriften zu sammeln, kann sich die Liste und den etwas ausführlicheren Beitext herunterladen, ausdrucken, an einem geeigneten öffentlichen Ort auslegen und dann an die auf der Liste angegebene Adresse zurückschicken.

Die Initiatoren der Aktion sind für jede Hilfe dankbar.

A.I.