Wahlerfolge und Misserfolge der Linksextremen

(hpd) Der Politikwissenschaftler Tom Mannewitz legt eine umfangreiche Untersuchung zu den Bedingungsfaktoren für das Abschneiden bei Wahlen von kommunistischen und postkommunistischen Parteien vor. Es handelt sich um eine methodisch differenziert vorgehende Analyse, die nach den hinreichenden und notwendigen Bedingungsfaktoren für die Entwicklung in Ost- und Westeuropa fragt.

Nach der Auflösung des Staatensystems des „real existierenden Sozialismus“ fanden sich die kommunistischen Parteien in einer ganz neuen Situation: Im Osten verloren sie den Status einer herrschenden Staatspartei und mussten sich in Konkurrenz gegenüber anderen Parteien bei Wahlen behaupten. Im Westen verloren sie das inhaltliche Leitbild in Form konkreter politischer Systeme und mussten daher einen Wandlungsprozess im Kontext der neuen Rahmenbedingungen durchmachen. Mal konnte man dabei Erfolge verbuchen, mal war dies bei Wahlen nicht der Fall. Wovon dies genau abhängig war und ist, will der Politikwissenschaftler Tom Mannewitz in seiner Studie „Linksextremistische Parteien in Europa nach 1990. Ursachen für Wahlerfolge und –misserfolge“ untersuchen. Demgemäß lautet seine Hauptfragestellung bezogen auf ausgewählte Länder Europas: „Woran liegt es, ... dass linke Parteien, die den demokratischen Verfassungsstaat ablehnen, bei diesen Wahlen scheitern, bei jenen reüssieren ...?“ (S. 21).

Nach Ausführungen zu Begriffsklärungen, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand stellt der Autor zunächst seine Methode vor. Auf Basis einer vergleichenden Betrachtung, die sich des „Qualitative Comparative Analysis“ (QCA)-Ansatzes bedient, untersucht er kommunistische und postkommunistische Parteien in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, der Schweiz, der Slowakei und Tschechien.

Berücksichtigung finden allerdings nur die Parteien, die zwischen 1990 und 2010 regelmäßig an Wahlen teilnahmen. Dies wären für Deutschland die PDS bzw. „Die Linke“ und die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“, aber nicht die „Deutsche Kommunistische Partei“. Es handelt sich demnach um vergleichende Fallstudien zu sechs west- und drei osteuropäischen Ländern. Deutschland bildet dabei einen Ausnahmefall, gehörte doch Ostdeutschland zuvor zum Staatensystem des „real existierenden Sozialismus“.

Insgesamt kommt Mannewitz bezogen auf Erfolge wie Misserfolge zu folgenden Ergebnissen: Entscheidend sei nicht jeweils ein monokausal wirkender Faktor, sondern eine Fülle von miteinander einhergehenden Gesichtspunkten. Dabei könnten jeweils hinreichende und notwendige Bedingungen unterschieden werden.

Ausschlaggebend in Osteuropa seien mobilisierbare nationalistische Einstellungen, traditionelle Prägungen durch die sozialistischen Gesellschaften und politische und soziale Transformationsprobleme. In Westeuropa spielten Gefühle der Orientierungslosigkeit angesichts von ökonomischen Problemen und die Mobilisierung gegen rechtsextremistische Gefahren eine entscheidende Rolle. Bezogen auf das Agieren der politischen Subjekte heißt es: „Der parlamentsorientierte Linksextremismus ist, was seine Erfolgsaussichten bei Wahlen angeht, ein Spielball der äußeren Umstände. Er kann seine Wahlergebnisse kaum selbst lenken, sondern muss auf günstige Gelegenheiten hoffen. ... Im Umkehrschluss bedeutet dies, die Parteien können günstige Gelegenheiten kaum durch eigenes Fehlverhalten ... verspielen“ (S. 455).

Spielball der äußeren Umstände

Mannewitz Arbeit beeindruckt gleich aus mehreren Gründen: Es handelt sich um eine der wenigen Studien zur Entwicklung des Linksextremismus im länderübergreifenden Vergleich. Der Autor hat eine klar formulierte Fragestellung, die konsequent im Sinne eines „roten Fadens“ die inhaltliche Ausrichtung der Studie prägt. Mit seinem methodischen Ansatz kann er zuvor entwickelte Hypothesen durch einschlägige statistische Daten kritisch prüfen. So erhält man eine wissenschaftlich gut abgesicherte Deutung, die hinreichende und notwendige Bedingungen für Erfolg und Niederlage der gemeinten Parteien benennt. Außerdem erlaubt die Auswahl der Untersuchungsobjekte auch noch interessante Vergleiche zur Entwicklung in Ost- und Westeuropa.

Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Promotionsschrift handelt, sind auch manche so erklärbaren Längen vor allem im methodischen Bereich verzeihlich. Mit der Fixierung auf Verfahren wie die QCA droht aber auch eine „Mathematisierung“ der Politikwissenschaft.

Armin Pfahl-Traughber
 

Tom Mannewitz, Linksextremistische Parteien in Europa nach 1990. Ursachen für Wahlerfolge und –misserfolge, Baden-Baden 2012 (Nomos-Verlag), 506 S., 74 Euro.