„Der Mann verliert seine natürliche Partnerin...“

toker-arzur-bei-ef.jpg

Arzu Toker / Foto © Evelin Frerk

(hpd) Die Stellung der Frau im Islam wird im Westen gerne diskutiert. Mitunter müssen verhüllte Musliminnen sogar zur Rechtfertigung von Kriegen herhalten. Das soeben erschienene Buch von Ilhan Arsel untersucht, welche Rolle den Frauen vom Koran und den Überlieferungen tatsächlich zugewiesen wird.

Der Autor hat dazu eine Vielzahl an Originalquellen ausgewertet, was seine Arbeit für den deutschen Sprachraum einzigartig macht. Der hpd sprach mit der Übersetzerin und Herausgeberin Arzu Toker.

hpd: Ilhan Arsel war ein renommierter Verfassungsrechtler. Was hat ihn dazu gebracht, sich in über einem Dutzend Büchern kritisch mit dem Islam zu befassen?

Arzu Toker: Man muss hier dazu sagen, dass er der Erste ist, der sich in der Türkei gegen den Islam gestellt hat. Ilhan Arsel hatte ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und er wusste als Jurist die Demokratie zu schätzen. Darüber hinaus merkte er, dass seine Professoren-Kollegen an der juristischen Fakultät Ankara sich nicht klar gegen die damals aufkeimende Islamisierung stellten. Deshalb kündigte er 1977 seine Professur an der juristischen Fakultät aus Protest gegen das Schweigen der Professoren und schrieb sein Buch „Intellektueller und Intellektueller“, in dem er die Misere der türkischen Intellektuellen und Professoren thematisiert und sie mit den westlichen Intellektuellen vergleicht.

Er fand sie unzureichend, um die noch sehr junge Demokratie in der Türkei mit Wissen gegen Glauben zu stärken. Der andere Grund war der Unterschied, den er zwischen seinen Studentinnen und seinen Studenten erkannte. Während die Studentinnen aufmerksam, lern- und wissbegierig, interessiert waren, verhielten sich die Jungs ungehobelt, oberflächlich. Diese lernten erst, um die Mädchen zu beeindrucken. Auf der Suche nach dem Warum, entdeckte Arsel den Islam als die Ursache.

hpd: In dem jetzt veröffentlichten Buch „Frauen sind eure Äcker“ geht es um die Stellung der Frau im islamischen Recht. Zu welchem Ergebnis kommt Ilhan Arsel?

Arzu Toker: Es geht hierbei eigentlich nicht nur um die Stellung der Frau. Nach der Lektüre werden Sie eine Vielfalt von Aspekten verstehen und sehen, dass es um eine grundsätzlich verheerende Haltung gegenüber den Menschen geht. Sie verstehen auch das Gottesverständnis Mohammeds und Sie erfahren sehr viel von Mohammed als Mann.

Vor allem wird eins durch dieses Buch klar: Man macht es sich viel zu leicht, wenn diese Haltung gegenüber der Frau auf die Unterdrückung der Frau reduziert wird. Es geht nicht nur um die Unterdrückung der Frau, sondern um die Vernichtung der weiblichen und männlichen Humanität in vielschichtiger Weise. Vernichtet wird die Selbstverständlichkeit der Beziehung von Mann und Frau, der Mann wird zum Herrscher, zum sexuellen „Hengst“ gemacht. Er verliert seine natürliche Partnerin, die ihm als Erwachsener eine ihn liebende Freundin, Partnerin sein kann. Er wird im Grunde durch den Islam reduziert auf sein Geschlecht, auf das Animalische. Ilhan Arsel zeigt, dass der Mann auch im Jenseits auf sein Geschlecht reduziert wird. Für Mohammed scheinen die Männer keine andere Qualität zu haben.

hpd: Das umfangreichste Kapitel beschreibt das Leben der Frau von der Geburt bis zum letzten Atemzug als Weg „von einem Pech zum nächsten“. Was müssen wir uns konkret darunter vorstellen?

Arzu Toker: Arsel erklärt, was Frauen im Leben und im Jenseits bevorsteht, und belegt diese Aussagen aus islamischen Quellen. Es ist Pech, als Mädchen in der islamischen Gemeinde auf die Welt zu kommen. Denn dann ist es ein Leben als Mittel zum Zweck. Um mich kurz zu fassen: Als ein kleines Mädchen, mit sechs Jahren kann sie schon verheiratet werden, wie es Aischa mit dem alten Mohammed ergangen ist. Hat sie Glück und wird ein junges Mädchen, ohne zuvor einen Greisen heiraten zu müssen, so wird sie irgendwann durch ihren Vormund mit jemandem verheiratet, den sie nie zuvor gesehen hat. Das ist eine gesellschaftlich genehmigte, von Allahs wegen legitimierte Gewalt gegen die Frau. Als Ehefrau ist sie der Laune und der Lust des Mannes ausgeliefert, zum absoluten Gehorsam verpflichtet. Was ist das für ein Leben? Sie ist verurteilt zu existieren, um für das Wohlergehen des Mannes zu sorgen, ihn sexuell zu befriedigen, damit er sich auf den Islam konzentrieren und ins Paradies kommen kann, wo ihn seine eigentlichen Frauen erwarten.

hpd: Die Situation der Frau hat sich auch im sogenannten Abendland über Jahrhunderte nicht grundlegend anders dargestellt. Dann kamen die Emanzipationsbestrebungen auf und bis heute konnten die Frauen einige bedeutende Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung vorankommen. Ist eine ähnliche Entwicklung für die islamische Welt zu erwarten?

Arzu Toker: Eine komplexe Frage, der ich mit einem neuen Buch antworten könnte. Nun, die Emanzipationsbestrebungen kamen auf, weil die Frauenbewegung in Europa eine sehr viel ältere Geschichte hat. Für die Türkinnen und Kurdinnen aus der Türkei kann ich sagen, dass sie vieles, wofür die Europäerinnen gekämpft haben, einfach durch die Gründung der Republik „bekamen“. Das heißt, sie wurden durch die Gründung eines demokratischen Staates nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches staatlich befreit oder „zwangsemanzipiert“, denn Mustafa Kemal Pascha ließ einfach das Schweizer Zivilrecht übersetzen und dem das aktive und passive Wahlrecht für Frauen hinzufügen. Abgesehen davon ordnete er die Entschleierung an. Und jetzt werden die Frauen wieder durch die Macht, d.h. durch die derzeit regierende Partei in der Türkei, zurück zur Unterwerfung, zur Erniedrigung geführt. Die Frau des derzeitigen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan läuft vermummt hinter ihrem Mann her...

Doch es gibt weitere Aspekte: Die 68er in Deutschland, die ja die Frauenbewegung beschleunigten, haben im Unterschied zu Ländern wie der Türkei und anderen islamisch geprägten Staaten die Erziehung, die Sexualität, die Geschichte, die Werte hinterfragt. Wir aus der Türkei und die 68er in arabischen Ländern wollten die Macht selbst haben, wir haben lediglich die Macht in Frage gestellt. Das führt nicht zwangsläufig zur Emanzipation.

Heutzutage ist ein neuer Aspekt hinzugekommen, nämlich die Medien. Nicht umsonst versuchen einige arabische Länder, den Empfang europäischer Medien zu verhindern. Die Frauen könnten auf die Idee kommen zu sagen: „Lieber jetzt leben als in den Himmel kommen, denn selbst im Paradies gibt’s nichts Besonderes für mich, nur meinem Mann, den ich mir ohnehin nicht ausgesucht habe und dem ich dann zusehen darf, wie er sich amüsiert.“ Wobei, auch dazu brauchen die Frauen die Fürsprache ihres Ehemannes, ohne seine Zustimmung kommen sie nicht einmal ins Paradies.