Handbuch zur Politischen Gewalt

(hpd) Die Politikwissenschaftlerin Birgit Enzmann hat ein Handbuch mit 17 Beiträgen zur Politischen Gewalt vorgelegt. Nicht alle Beiträge weisen indessen die gute Strukturierung der beiden Texte der Herausgeberin auf und die thematische Schwerpunktsetzung im Band ist angesichts des geringeren Interesses am Terrorismus auch nicht richtig nachvollziehbar.

Der Blick in die Tageszeitung macht regelmäßig deutlich, dass man in und außerhalb Deutschlands mit den unterschiedlichsten Formen politisch motivierter Gewalt konfrontiert wird: Dazu gehören Steinwürfe von Autonomen auf Polizeibeamte ebenso wie Angriffe von Rechtsextremisten auf Menschen mit Migrationshintergrund, Guerillabewegungen in Entwicklungsländern ebenso wie Widerstandshandlungen in Diktaturen, militärische Interventionen in repressive Regime ebenso wie terroristische Anschläge auf Einrichtungen oder Personen.

Aufgrund der Unterschiede in Form und Inhalt betrachtet man solche Handlungen meist nicht aus einer allgemeineren Perspektive. Dazu wollen Autoren und Herausgeberin des „Handbuch Politische Gewalt. Formen – Ursachen – Legitimation - Begrenzung“ einladen. Birgit Enzmann, die Politikwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt lehrt, hat es mit Texten von 16 anderen Sozialwissenschaftlern vorgelegt. Das Handbuch enthält kompakte Darstellungen des aktuellen Forschungsstandes.

„Politische Gewalt wird in diesem Band“, so die Herausgeberin, „verstanden als die absichtsvolle physische und psychische Schädigung anderer mit dem Ziel, politische Entscheidungen, Leitideen oder Regeln zu beeinflussen“ (S. 9).

Klaus Wahl und Melanie Rhea Wahl behandeln zunächst die biotischen, psychischen und sozialen Bedingungen der Gewalt und Enzmann liefert einen Überblick zu Formen, Hintergründen und Überwindbarkeit von politischer Gewalt. Danach stehen Beiträge zum Thema Widerstand im Zentrum des Interesses: Karl Graf Ballestrem bringt eine Differenzierung von Opposition, Widerstand und zivilem Ungehorsam, Frauke Höntzsch thematisiert die klassische Lehre vom Widerstandsrecht, Heinz Hürten behandelt den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Peter Steinbach den Widerstand in der DDR, Josef Isensee setzt sich mit dem Widerstandsrecht im Grundgesetz auseinander und Heinz Kleger erörtert das Verhältnis von Widerstand und zivilem Ungehorsam im demokratischen Rechtsstaat.

In einem weiteren Beitrag der Herausgeberin geht es um Typen, Ursachen und Verläufe von Revolutionen, dem sich dann eine Betrachtung zu Revolutionstheorien im 20. Jahrhundert von Ekkart Zimmermann anschließt. Danach gibt es wieder einen Block mit einem Schwerpunktthema bezogen auf Kriege im weitesten Sinne: Monika Heupel konzentriert sich auf Ursachen, Beendigung und Völkerrecht bezogen auf „Große“ und „Kleine Kriege“, Bernd Sutor gibt einen Überblick zur ideengeschichtlichen Entwicklung der Theorie des gerechten Krieges von der Antike bis zur UN-Gründung, Herfried Münkler widmet sich Typen, Diskursen und Verläufen hinsichtlich humanitärer Interventionen, und Wolfgang Wagner erörtert das Verhältnis von Demokratie und Krieg. Und schließlich geht es in den letzten Beiträgen noch um den Terrorismus als Form politischer Gewalt von Christopher Daase, den Staatsterror in Lateinamerika von Michael Riekenberg und die politische Gewalt des Extremismus in Deutschland von Uwe Backes.

Alle Beiträge stammen von guten Kennern der Materie, aber nicht alle Autoren haben sich gleichviel Mühe bei der Erstellung eines Handbuch-Beitrags gemacht. Hinzu kommt eine mitunter etwas irritierende Schwerpunktsetzung und Themenauswahl: Die Beiträge von Enzberg selbst oder von Münkler präsentierten gelungene Darstellungen zum Thema, was an der ausgezeichneten Systematik und komprimierten Zuspitzung gut erkennbar ist. Demgegenüber ist der Beitrag von Ballestrem zu einer Differenzierung von Opposition, Widerstand und zivilem Ungehorsam viel zu knapp und oberflächlich gehalten. Letzteres gilt auch für den Terrorismus-Text von Daase, der eine so wichtige Form politischer Gewalt auf gerade mal zwölf Seiten nur anreißen kann. Während dem Terrorismus somit nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet wird, beschäftigen sich allein sechs Beiträge mit unterschiedlichen Aspekten des Themas „Widerstand“. Darüber hinaus gibt es Fallstudien zu Deutschland und Lateinamerika, aber nicht zu anderen Ländern oder Regionen.

Armin Pfahl-Traughber

Birgit Enzmann (Hrsg.), Handbuch Politische Gewalt. Formen – Ursachen – Legitimation – Begrenzung, Wiesbaden 2013 (Verlag Springer VS), 407 S., EUR 39,99.