Warum Nationen scheitern

(hpd) Der Ökonom Daron Acemoglu und der Politikwissenschaftler James A. Robinson untersuchen die Ursachen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung unterschiedlicher Länder. In Demokratie und Rechtstaatlichkeit und nicht in Klima oder Kultur erblicken sie in ihrer gleichwohl stellenweise etwas einseitigen, insgesamt aber überzeugenden Arbeit die entscheidenden Bedingungsfaktoren für Armut und Reichtum.

Der Blick auf die Weltkarte zeigt, dass es um Einkommen und Lebensstandard in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich steht. Warum sind einige Länder wirtschaftlich erfolgreich, warum sind dies andere Länder nicht? Liegt es an der Ethik oder Geographie, Klima oder Kultur, Politik oder Rechtsstaatlichkeit, Religion oder Rohstoffen?

Um diese Faktoren jeweils einzeln oder kombiniert miteinander ranken sich die Erklärungsversuche von Fachwissenschaftlern unterschiedlichster Disziplin. So hoben in den letzten Jahren etwa Jared Diamond die Geographie und David Landes die Kultur als bedeutsamste Ursachen in ihren einschlägigen Büchern hervor. Ihnen widersprechen nun Daron Acemoglu, Professor für Ökonomie am Massachusetts Institute for Technology, und James A. Robinson, Professor für Politikwissenschaft an der Harvard University. In ihrem voluminösen Werk „Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut“ erheben sie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu den bedeutendsten Bedingungsfaktoren.

Bereits im Vorwort heißt es entsprechend: „Unserer Meinung nach sind es die von den Staaten gewählten Regeln – oder Institutionen -, die darüber bestimmen, ob sie wirtschaftlich erfolgreich sind oder nicht.“ Und weiter: „Den Schlüssel zu nachhaltigem wirtschaftlichem Erfolg findet man im Aufbau einer Reihe von Wirtschaftsinstitutionen – inklusiver Wirtschaftsinstitutionen – welche die Talente und Ideen der Bürger eines Staates nutzbar machen können, indem sie geeignete Anreize und Gelegenheiten bieten, dazu gesicherte Eigentums- und Vertragsrechte, eine funktionierende Justiz sowie einen freien Wettbewerb, so dass sich die Bevölkerungsmehrheit produktiv am Wirtschaftsleben beteiligen kann“ (S. 14).

Extraktive oder inklusive Wirtschaftsinstitutionen entstünden nicht als vorherbestimmte Resultate besonderer Kulturen oder geographischer Rahmenbedingungen. „Vielmehr sind Institutionen das kollektive Ergebnis politischer Prozesse. Mithin ist die Schaffung inklusiver Wirtschaftsinstitutionen ein politischer Akt ...“ (S. 15).

Diese Hauptthese wollen die Autoren ihren Lesern durch eine imaginäre Welt- und Zeitreise vermitteln. Dazu reihen sie Beispiele vom Römischen Reich bis zur aktuellen Gegenwart, von afrikanischen Ländern bis zu europäischen Staaten aneinander. Mit leichter Hand schildern Acemoglu und Robinson dabei die Entwicklungen und fragen nach Ursachen. Am Beginn steht etwa die Kleinstadt Nogales, die einen amerikanischen und mexikanischen Teil mit unterschiedlicher ökonomischer und sozialer Entwicklung hat. Auch am Beispiel von Nord- und Südkorea machen Acemoglu und Robinson unterschiedliche Dimensionen der Dynamik von Armut und Wohlstand deutlich. In beiden Fällen bestehen bei den Untersuchungsobjekten keine Unterschiede von Klima und Kultur, aber von Politik und Rechtsstaatlichkeit. In ähnlicher Form „klopfen“ die Autoren auch andere Fallbeispiele aus Geschichte und Gegenwart, aus Nord und Süd ab. In der Freiheit der Bürger und in der Rechtssicherheit des Wirtschaftens erblicken sie universell die entscheidenden Faktoren für allseitigen Wohlstand.

Dafür können Acemoglu und Robinson eine Fülle von beeindruckenden Beispielen präsentieren, welche die liberalen Demokratien als Ordnungsmodelle auch sozioökonomisch „gut aussehen“ lassen. Noch bedeutsamer an ihrer Deutung ist: Es kommt auf den menschlichen Änderungswillen an und nicht auf unveränderbare Gegebenheiten. So haben im historischen Rückblick manche „Gewinnerländer“ der Gegenwart eine Vergangenheit als „Verliererländer“. Die Autoren sichern ihre Deutung auch durch Kontrollanalysen ab, etwa zu ökonomisch scheinbar erfolgreichen autoritären Systemen wie dem aktuellen China: „Es dürfte sich ... als nicht nachhaltig erweisen ...“ (S. 195).

So überzeugend Acemoglu und Robinson argumentieren, so bedarf es aber auch kritisch-skeptischer Bemerkungen: All zu einseitig sind die Autoren dann doch auf die Institutionen fixiert, ohne den Kontext Kultur näher zu berücksichtigen. Die Kategorisierung „extraktive“ und „inklusive“ Institutionen bleibt indessen selbst nach sechshundert Seiten leider noch eher diffus.

Armin Pfahl-Traughber

Daron Acemoglu/James A. Robinson, Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter, Frankfurt/M. 2013 (S. Fischer-Verlag), 608 S., gebunden, 24,99 €

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