Wieder ein aktiver Neonazi-Gegner vor Gericht

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Vor dem Gericht / Foto: jg-stadtmitte/soligruppe

DRESDEN. (hpd) Am Donnerstag begann vor dem Dresdner Amtsgericht der umstrittene Prozess gegen Lothar König,  dem Jenaer Jugendpfarrer, dem wegen seiner Teilnahme an der Nazi-Gegen­demonstration am 19. Februar 2011 in Dresden schwerer Landfriedensbruch zur Last gelegt wird. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Durch diesen Vorwurf unbeirrt, nahm der Jenaer Theologe auch an der diesjährigen Anti-Nazi-Demonstration im Februar in Dresden teil.

 

Die Verhandlung sollte bereits am 19. März 2013 beginnen. Eine Ungeheuerlichkeit, nämlich der Fund von 170 ungeordneten Aktenblättern und diversen Videomaterials in der Gerichtsakte eine Woche zuvor, ließ den Termin platzen.

Die strittigen Unterlagen waren erst nach Anklageerhebung entstanden, aber der Verteidigung vorenthalten worden. Als die Verteidigung diese Dokumente entdeckte, waren die Richter in der vorgegebenen Frist nicht in der Lage zu klären, „wann diese Blätter von wem auf welchem Wege zur Akte gegeben wurden und warum diese nicht der Verteidigung zugänglich gemacht wurden”.

Das Auftauchen von zusätzlichen Akten wirft tatsächlich Fragen auf, hinsichtlich von Professionalität bzw. besser Dilettantismus oder Absicht. Der Vorgang verstärkt den Verdacht, dass es sich um ein ausschließlich politisch motiviertes Verfahren handelt. Die Dresdner Staatsanwaltschaft wirft König vor, am Rande eines geplanten Neonazi-Aufmarschs am 19. Februar 2011 in der Landeshauptstadt Antifaschisten zu Krawallen gegen Polizisten aufgestachelt zu haben, eine Strafverfolgung vereitelt zu haben und Beihilfe zum Widerstand gegen Polizisten geleistet zu haben.

Der neue Termin der Verhandlung

Seit den Morgenstunden fand vor dem Haupteingang des Landgerichts Dresden eine Solidaritäts­kund­gebung statt. Der Prozeß begann 9:00 Uhr im Saal A 2.133 des Amtsgerichtes Dresden. Vor dem Gerichtsgebäude machten etwa 70 Menschen ihrem Ärger über die Verfahrensweise der sächsischen Justiz Luft, da sie hier vermuteten, dass wieder einmal ein Exempel statuiert werden und ein unbequemer Mensch mundtot gemacht werden soll. Thüringens Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow und Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) reisten als Prozessbeobachter nach Dresden.

Der fast 60-Jährige Angeklagte gilt Kritikern als unbequem, weil er sich seit den 1990ern unter anderem gegen Neonazis zur Wehr setzt. Im Februar 2011 soll er am Rande der Proteste gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch zu Gewalt gegen Polizeibeamte angestachelt haben, indem er mittels Lautsprecher von seinem VW-Bus aus, aufrührerische Musik abgespielt haben soll.

Königs Verteidiger, RA Johannes Eisenberg, bemängelte gleich zu Beginn des Prozesses die Anklageschrift. Der Ermittlungsbehörde seien schwere Fehler und massiver Amtsmissbrauch vorzuwerfen und die Staats­anwaltschaft sei voreingenommen, was belegbar wäre. Die Verteidigung kritisierte insbesondere, dass die Ermittler weder König noch seine Gemeindemitglieder zu den Vorwürfen befragt hätten. Weiter wirft Eisenberg den Ermittlern grobe Nachlässigkeit vor: „Die Staatsanwaltschaft mutet Gericht und Beteiligten nicht zuletzt zu, sich auf einen als 'völlig unbeteiligten Zeugen' bezeichneten Mann als Beweismittel zu stützen, der in Wahrheit eine massive Affinität zu rechtsradikalen Kreisen zeigt und bei dem einiges dafür spricht, dass er Teilnehmer der rechtsradikalen Aktivitäten am Tattage war.” Königs zweite Anwältin Lea Voigt  bemängelte die individuellen Bewertungen in der ansonsten sehr diffus verfassten Anklageschrift. Sie beschreibe die Vorgänge der Demonstration vom 19. Februar 2011, mache aber nicht deutlich, worin die Straftat von König bestehe. Insgesamt diene sie lediglich dazu, „Stimmung gegen den Angeklagten zu machen”.

Während der Demonstration gegen Neonazis war es zu Ausschreitungen gekommen, bei denen unter anderem Polizisten verletzt wurden. Im August 2011 kritisierte König im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL die Rolle der sächsischen Polizei bei den Dresdner Krawallen, insbesondere die Erfassung von rund einer Million Handydaten durch die Polizei, was zu mehreren Tausend Ermittlungsverfahren führte.
Wenige Tage nach seiner Kritik an der sächsischen Polizei, durchsuchte diese am 10. August 2011 zusammen mit Ermittlern der Staatsanwaltschaft Dresden die Amts- und Wohnräume Königs in Jena. Das starke Polizeiaufgebot beschlagnahmte Computer, Unterlagen und seinen VW-Bus, welcher als „schweres Tatwerkzeug“ gewertet wurde.

Bereits Anfang der 90er Jahre warnte König vor dem Erstarken der Neonazis im Osten, insbesondere in Jena. Damals ahnte noch niemand, dass ausgerechnet in Jena zwei Männer und eine Frau so agieren, dass sie sich einige Jahre später zur Gründungszelle für die braune Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund” entwickelten.

Der Prozess

Unter dem Vorsitz von Richter Ulrich Stein wurde nun der erste Verhandlungstag zu diesem Prozess eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Dresden, hier vertreten durch den Staatsanwalt Haase, hatte bereits im Dezember 2011 Anklage erhoben.  Zu dieser Zeit stand noch der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung, auch gegenüber Königs Tochter Katharina (Landtagsabgeordnete Die Linke Thüringen) im Raum, die aber dann fallen gelassen werden musste.

Die Verteidigung begründet noch einmal die Mängel der Anklageschrift und wirft der Staatsanwältin sogar Faulheit vor, denn nicht einmal der Familienstand von König sei exakt bezeichnet, von entsprechender Musik die Gegenstand des Verfahrens sein soll, wurden nicht einmal Musiktitel ermittelt (übrigens sollen es nach RA Eisenberg Titel der Rolling Stones aus den 80er Jahren gewesen sein). Auch Zeitabläufe wurden nicht exakt ermittelt. Der Richter schien sich, nach Einschätzung von Königs Rechtsanwalt bis zur Verhandlung kaum mit den Akten beschäftigt zu haben. RA Eisenberg geht von einem Freispruch aus, spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht.

Lothar König hat sich zum Verfahren und zu der Anklageschrift dahingehend geäußert, dass ihm unklar sei, wie diese Anklage zustande gekommen sei. Einige der ihm vorgeworfenen Äußerungen und Begriffe würde er nie benutzen und hat sie auch nie benutzt. Er erläuterte seine Sicht auf die Anklage und empfindet die Darstellung als Zerrbild.

Der Prozess wird fortgesetzt. Bis zum 20. Juni sind sieben Verhandlungstage angesetzt.

 

Elke Schäfer