Gestern bei Anne Will

BERLIN. (hpd) Gerade geht die Meldung durch die Medien, dass die US-Post im Auftrage der NSA alle Briefsendungen fotografiert; auch die, die innerhalb der USA verschickt werden.

Damit werden ohne Anlass Daten von vielen Millionen Amerikanern gesammelt und bevorratet, um sie bei Bedarf zu benutzen, um einzelne Sendungen, auch wenn sie vor Jahren versendet wurden, zurückverfolgen zu können.

Das entspricht der Datensammelwut, wie sie auch in dem jetzt öffentlich gemachten Programm PRISM kritisiert wird.

Am gestrigen Abend trafen sich bei Anne Will hochrangige Politiker, die diese Überwachung unter der Überschrift "Deutschland bespitzeln, Snowden verfolgen - sind diese Amerikaner noch unsere Freunde?" dikutierten. Dabei stellte SPD-Chef Gabriel klar, dass er im Verhalten der Bundesregierung ein völliges Versagen sieht. 

Damit wiederholte er seine Forderungen aus einem SPIEGEL-Interview, in dem er die Bundesanwaltschaft aufforderte, ein Verfahren gegen die Verantwortlichen der amerikanischen und britischen Geheimdienste anzustrengen. Der Whistleblower Edward Snowden soll befragt werden und in das deutsche Zeugenschutzprogramm eingegliedert werden.

Sowohl in dem Spiegel-Interview als auch in der Talkrunde bei Anne Will betonte Gabriel, dass es um den Schutz der Grundrechte der Bürger geht. Ein Eingriff in die Privatsphäre der Bundesbürger sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher ein Straftatbestand.

Dies verteidigte er auch gegenüber dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, der abwiegelte und die Reaktionen der Bundesregierung halbherzig verteidigen wollte.

Eine sehr peinliche Vorstellung gab dabei Andrew Denison, Leiter der Transatlantic Networks, der versuchte, das Ausspionieren der USA zu verteidigen. Und dabei grandios scheiterte - scheitern musste. Denn ein Eingriff in die Grundrechte deutscher Staatsbürger ist auch dann strafbar, wenn er aus dem Ausland erfolgt.

Währenddessen erklären Innenminister Hans-Peter Friedrich und der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, weiterhin, nichts vom US-Datensammelprogramm PRISM gewusst zu haben. Das jedoch bringt die Frage auf, wie der Bundesnachrichtendienst arbeitet, wenn er dies nicht bemerkt. Oder - wenn das Ausmaß der Überwachung bekannt war - weshalb die Politik nicht informiert wurde. Denn gleich, welcher Variante man den Vorzug geben mag; sie zeigen beide, dass Geheimdienste nur schwerlich - parlamentarisch - zu kontrollieren sind.

Das ist nicht nur ein innenpolitisch brisantes Thema, sondern wächst sich zu einer internationalen Affaire aus. Nachdem das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten auf dem Flug von Moskau nach Bolivien zur Zwischenlandung in Wien für 12 Stunden gewungen wurde, weil man Edward Snowden an Bord vermutete, stellt sich die Frage, welcher diplomatische Status dem bolivianischen Präsidenten zuerkannt wird, wenn eine Aufforderung an EU-Staaten genügt, um dem Flugzeug die Überflugsgenehmigung zu verweigern.

Viele südamerikanische Länder solidarisieren sich mit Morales und werfen der USA Machtmissbrauch vor.

Weltweit - so auch in Berlin - erklären sich Menschen mit dem Whistleblower Edward Snowden ebenfalls solidarisch und fordern Schutz für dessen mutiges Vorgehen.

F.N.