Notizen zu Nordkorea (8)

UN zur Menschenrechtslage in Nordkorea

BERLIN. (hpd). Im Abschlussbericht zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea kommt die UN-Kommission zu dem Schluss, dass in Nordkorea Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden und werden. Die internationale Gemeinschaft müsse sich ihrer Verantwortung stellen, fordert der Vorsitzende der Kommission. Weitere Themen: Nordkoreanische Diplomaten stellen sich der Presse; Säuberungswelle nach der Exekution von Kims Onkel setzt sich fort.

 

UN-Kommission: Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea festgestellt

Vergangenen Montag wurde auf einer Pressekonferenz (hier kann der Videomitschnitt angesehen werden) der Abschlussbericht zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea von Michael Kirby, dem Vorsitzenden der Kommission, und Marzuki Darusman vorgestellt. Der 36-Seiten-Bericht und das 372 Seiten starke Zusatzdokument, in dem sich unter anderem die Zeugenaussagen von Flüchtlingen und Experten befinden, können hier heruntergeladen werden.

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass in Nordkorea Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Diese seien nicht auf die Exzesse einzelner zurückzuführen, sondern “wesentliche Bestandteile eines politischen Systems, das sich sehr weit von seinen angeblichen Gründungsidealen entfernt hat.”

Die Schwere und das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea seien in der gegenwärtigen Welt beispiellos. Nordkorea sei ein totalitärer Staat, der jeden Aspekt des Lebens der Einwohner zu bestimmen versucht und sie von innen her terrorisiere. Jede von der offiziellen Ideologie des “Kimilsungismus-Kimjongilismus” abweichende Meinung werde brutal unterdrückt, Menschen würden in Arbeitslager für politische Gefangene deportiert oder – zum Teil öffentlich – hingerichtet.

Scharf kritisiert wird auch das Songbun-System, das Klassensystem Nordkoreas, in das man bereits von Geburt an in eine loyale “Kernklasse”, als “schwankend” oder “feindlich” eingestuft wird, abhängig davon, wie regimetreu die eigene Familie wahrgenommen wird.

Ein weiterer Anklagepunkt betrifft den Zugang zu Nahrungsmitteln: Nicht nur die Hungersnot in den 1990er Jahren, bei der schätzungsweise 600.000 bis eine Million Menschen verhungert sind, sondern auch die andauernde chronische Mangelernährung weiter Teile der Bevölkerung wurde beanstandet. In Nordkorea geschehe die Verteilung der Lebensmittel nach dem Songbun-System – diejenigen, die zum Regimeerhalt beitragen, würden gegenüber denjenigen, die als “entbehrlich” gelten, bevorzugt behandelt.

Personen, die zwangsweise von China nach Nordkorea abgeschoben werden, würden häufig Opfer von Folter, willkürlichen Verhaftungen, standrechtlichen Hinrichtungen, würden zu Abtreibungen gezwungen oder anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt. Damit wird deutlich, dass Nordkoreaner, die nach China fliehen, dort nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch China unterschrieben hat, zumindest als Flüchtlinge sur place (aufgrund der Flucht droht Verfolgung im Heimatland) bezeichnet werden müssten und nicht als “Wirtschaftsmigranten”.

Kirby wurde sehr deutlich, als er bezugnehmend auf den Zweiten Weltkrieg und die Verbrechen der Nationalsozialisten ausführte: “Damals waren alle schockiert und viele äußerten ‘wenn wir das nur gewusst hätten’. Jetzt kann niemand mehr behaupten, er hätte es nicht gewusst.” Die Zustände in den Lagern, in denen Leichen von Mitgefangenen verbrannt und die Überreste als Dünger verwendet werden, erinnerten ihn an die Gräueltaten, die während des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen begangen wurden. Die internationale Gemeinschaft müsse sich ihrer Verantwortung stellen, um die Bürger der Demokratischen Volksrepublik Korea vor den Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.

Für die Verbrechen verantwortlich seien der Sicherheits- und Justizapparat Nordkoreas, genauer die Ministerien für Staatssicherheit und Volkssicherheit, die Anklagebehörde und die Koreanische Volksarmee (KPA), ebenso die Institutionen der Partei der Arbeit Koreas (PdAK), die alle von der Führung der PdAK, der Nationalen Verteidigungskommission (NDC) und dem Obersten Führer Kim Jong Un kontrolliert würden. Kirby erklärt, dass in dem zentralistisch orientierten politischen System Nordkoreas kaum anzunehmen sei, dass Kim Jong Un als Erster Sekretär der PdAK, Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, Erster Vorsitzender der NDC und Oberster Befehlshaber der KPA keine persönliche Verantwortung für die Verbrechen trägt.

Von der Kommission wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Untersuchungsergebnisse dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorzulegen. Das muss allerdings vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen werden, in dem die Volksrepublik China ein Vetorecht besitzt. Vor einem Jahr hat China zwar eine Resolution gegen Nordkorea, die kurz nach dem dritten Atomtest des Landes zur Abstimmung gestellt wurde, nicht blockiert, aber jetzt direkt nach der Veröffentlichung des UN-Berichts angekündigt, ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof nicht zu unterstützen.

Das Dokument enthalte unangemessene Kritik und das Abschieben von Nordkoreanern sei gerechtfertigt: “Diese Leute sind keine Flüchtlinge. Wir nennen sie ‘illegale nordkoreanische Migranten’”, wurde eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums zitiert. Nordkorea lehnte wenig überraschend den Bericht “kategorisch und gänzlich” ab. Er basiere auf Materialien, die von “feindlichen Mächten, unterstützt von den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Japan, gefälscht wurden.”

Die UN-Kommission empfahl aufgrund der schweren Notlage im Land keine Sanktionen, von denen die Wirtschaft generell oder die Bevölkerung betroffen wären. Wenn der Weltsicherheitsrat weitere Sanktionen gegen Nordkorea beschließen sollte, müsse darauf geachtet werden, dass dadurch nur diejenigen getroffen werden, die die hauptsächliche Verantwortung für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit trügen.

Nordkorea startet “Charme-Offensive” – oder zumindest eine Medienoffensive

Mitte Januar hat die Nationale Verteidigungskommission (National Defence Commission, NDC), das laut Verfassung höchste Entscheidungsgremium Nordkoreas, eine “sehr bedeutende” Erklärung und wenig später einen offenen Brief an Südkorea veröffentlicht. Um die Botschaft an den südlichen Nachbarn möglichst weit in der Welt zu verbreiten, wurden die sonst eher medienscheuen Diplomaten Nordkoreas dazu angehalten, sich mit der Presse an ihrem Dienstort in Verbindung zu setzen.

Die nordkoreanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York und Genf haben der Presse die Erklärung der NDC erläutert, ebenso die Botschafter in Peking, Moskau, London und Berlin (siehe unten) – alle innerhalb eines Monats und anscheinend nach einer Botschafterkonferenz, die Mitte Januar in Pjöngjang stattgefunden haben soll.

Was die Welt in den letzten zwei Monaten weitaus mehr als die Erklärung der NDC interessiert hat, nämlich die Hinrichtung von Kim Jong Uns Onkel Jang Song Thaek, war nur am Rande Thema, denn es ging hauptsächlich um das “Angebot” der NDC an Südkorea, alle feindlichen Handlungen einzustellen. Damit wird vom Norden der Versuch unternommen, Südkorea dazu zu bewegen, die jährlich gemeinsam mit den USA durchgeführten Militärmanöver “Key Resolve” und “Foal Eagle” abzusagen oder zumindest Zeit beziehungsweise Ort zu verschieben. Dabei weiß Nordkorea, dass Südkorea auf dieses Angebot nicht eingehen wird. Daher trauen Beobachter den friedlichen Botschaften des Nordens nicht, denn es wird seit Monaten damit gerechnet, dass der Norden bis zum März militärisch provozieren wird.

Starke Nerven mussten die Koreaner haben, die darauf warten, ihre Angehörigen aus dem Nachbarland zu treffen, von denen sie seit dem Koreakrieg (1950–1953) getrennt sind. Auf einer Warteliste stehen 73.000 Südkoreaner; die Hälfte von ihnen ist über achtzig Jahre alt. Eine Familienzusammenführung, die für September letzten Jahres geplant war, wurde von Nordkorea vier Tage vor dem Termin auf unbestimmte Zeit verschoben.

In den letzten Wochen gab es wieder Verhandlungen beider koreanischer Staaten und Nordkorea stimmte einer Familienzusammenführung erneut zu, um gleich darauf damit zu drohen, die Treffen aufgrund der Militärmanöver mit den USA abermals abzusagen. Heute, am 20. Februar, haben die Treffen begonnen, die bis zum 25.02. im Kumgang-Gebirge in Nordkorea abgehalten werden sollen. Am 24. Februar starten “Key Resolve” und “Foal Eagle”.