BERLIN. (hpd) Die Nachricht, dass Jang Song Thaek, ein angeheirateter Onkel Kim Jong Uns, seiner Ämter enthoben, verhaftet und hingerichtet wurde, war das das bestimmende Thema in der Berichterstattung über Nordkorea in diesem Monat. Spekulationen über die Hintergründe gehen in die unterschiedlichsten Richtungen.
Was aber sicher gesagt werden kann: In Pjöngjang tobt ein Machtkampf. In dieser Ausgabe sollen die vielen Informationen über den Sturz Jangs zusammengetragen und bewertet werden.
Nach südkoreanischen Geheimdienstinformationen hat sich die Anzahl öffentlicher Hinrichtungen in Nordkorea in diesem Jahr verglichen mit 2012 drastisch erhöht. Das Regime versucht offenbar mit einer Verstärkung der "Terrorherrschaft", abweichende Meinungen im Staat zu unterdrücken, und schafft damit eine Atmosphäre der Angst in allen Provinzen. Vorläufiger Höhepunkt einer sich anscheinend im Land vollziehenden Hinrichtungswelle ist die Exekution von Kim Jong Uns Onkel Jang Song Thaek. Da nordkoreanische Medien allerdings von einer ganzen Gruppe um Jang berichten, wird vermutet, dass dies lediglich der Auftakt zu einer groß angelegten Säuberungsaktion ist.
Jang Song Thaeks tiefer Fall
Jang war seit 1972 mit Kim Kyong Hui, einer Schwester Kim Jong Ils, verheiratet. Er besetzte hohe Positionen im Regime (eine ausführliche Beschreibung von Jangs Karriere bietet NK Leadership Watch) und war zuletzt unter anderem Vize-Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission, dem wichtigsten Entscheidungsgremium des Landes.
Schon 2002, als er als Mitglied, aber nicht als offizieller Kopf einer nordkoreanischen Delegation Südkorea besuchte, hatten Beobachter ihn als den mächtigsten Mann der Gruppe wahrgenommen. Als sich Kim Jong Il 2008 von einem Schlaganfall erholen musste, soll Jang die Regierungsgeschäfte geführt haben. Nach dessen Tod im Dezember 2011 wurde er dem neuen Machthaber Kim Jong Un als Berater zur Seite gestellt, wobei seine Rolle von vielen als "Macht hinter dem Thron" bewertet wurde. 2012 reiste Jang nach China, wurde dort wie ein Staatsoberhaupt behandelt und traf sich mit den damaligen Staats- und Regierungschefs Hu Jintao und Wen Jiabao.
In beispielloser Offenheit hat Nordkorea nun erst von einer Sondersitzung des erweiterten Politbüros des Zentralkomitees (ZK) der Partei der Arbeit Koreas (PdAK) berichtet, in der Jang am 8. Dezember aller Ämter enthoben und aus der Partei ausgeschlossen wurde, und vier Tage darauf vom Gerichtsprozess vor dem "speziellen Militärtribunal des Ministeriums für Staatssicherheit", in dem Jang nach nur einem Verhandlungstag zum Tode verurteilt wurde und direkt im Anschluss exekutiert worden sein soll.
Der zeitliche Ablauf und auch die Vorwürfe gegen Jang, den "beispiellosen dreimal verfluchten Verräter" und "menschlichen Abschaum", dürfen nicht unkritisch als glaubwürdig erachtet werden, doch lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die offizielle Version Nordkoreas zu werfen.
Jang: Gegner der Machtübergabe an Kim Jong Un?
Jang wird vorgeworfen, dass er die Machtübergabe an Kim Jong Un, die einstimmig den Willen des Volkes widerspiegeln würde, nicht unterstützt und sich diesem gegenüber respektlos verhalten habe. So habe er unter anderem nur halbherzig geklatscht, als Kim Jong Un als Vize-Vorsitzender der Zentralen Militärkommission gewählt wurde, während alle anderen in „enthusiastischen Jubel“ ausgebrochen seien.
Wenn der Führer (Mitte) applaudiert, müssen alle anderen es ihm gleichtun. Dachte Jang (links), dass er über diesem "Gesetz" stand? (Quelle: Korean Central Television)
Er habe, indem er ein falsches Bild von sich konstruierte, innerhalb der Partei seine Anhänger rekrutiert, die "schwach im Glauben" und "Schmeichler" waren. Die sogenannte "Jang-Gruppe" habe die Linie und Politik der Partei nicht akzeptiert, sondern vorsätzlich missachtet, verdreht und ostentativ nicht ernst genommen. Sie habe sich den Befehlen des Obersten Führers widersetzt und dafür Jang "Genossen Nummer 1" genannt – eine Bezeichnung, die ausschließlich für den gerade amtierenden Kim reserviert ist.
Jang habe sich im In- und Ausland als jemanden dargestellt, der über den Entscheidungen der Partei und mit den Kims auf Augenhöhe steht.
Faktionsbildung und Umsturzpläne
Nach dem Tode Kim Jong Ils im Dezember 2011 habe Jang gesehen, dass seine Zeit gekommen war. Er soll innerhalb der Arbeiterpartei eine eigene Faktion gebildet haben, deren Ziel es war, das Kim-Regime zu stürzen.
"Er unternahm große Anstrengungen, um alle Angelegenheiten des Staates unter seine Kontrolle zu bringen, erhöhte massiv die Zahl der Mitarbeiter in seiner Abteilung und den ihr unterstellten Organen und breitete seine Tentakel in Ministerien und nationalen Institutionen aus. Er verwandelte seine Abteilung in ein 'kleines Königreich', das unantastbar war."
Desweiteren habe Jang solche Personen in einflussreiche Positionen gebracht, die unter Kim Jong Il schon einmal in Ungnade gefallen und für schwere Vergehen bestraft worden waren. Namentlich werden in diesem Zusammenhang Ri Ryong Ha und Jang Su Gil aus der Administrativen Abteilung der PdAK, dessen Direktor Jang war, genannt. Beide sollen nach südkoreanischen Angaben bereits vor Wochen wegen Unterschlagung hingerichtet worden sein.
Aber nicht nur die Partei habe er unterwandert: "Jang war so unbesonnen in seiner Gier nach Macht, dass er seine Klauen selbst in die Volksarmee streckte, in der dämlichen Annahme, er würde einen Putsch mit der Unterstützung der Armee erfolgreich durchführen können."
Jang soll sich vor Gericht so geäußert haben: "Ich habe versucht, im Militär und im Volk Unzufriedenheit darüber auszulösen, dass das gegenwärtige Regime nur solche Maßnahmen ergreift, durch die die Wirtschaft des Landes und das Leben der Menschen in eine Katastrophe geführt werden. Der Genosse Oberster Führer ist das Ziel des Putsches."
Und weiter: "Ich wollte den Staatsstreich mithilfe von hochrangigen Armeeangehörigen durchführen, mit denen ich enge Beziehungen pflegte, oder die Teile der Streitkräfte nutzen, die von meinen Vertrauten kontrolliert wurden. Ich weiß nicht viel über kürzlich ernannte hochrangige Funktionäre im Militär, aber habe Verbindungen zu solchen, die schon länger im Amt sind. [...] Ich habe mir gedacht, dass sich die Armee dem Putsch anschließen würde, wenn sich die Lebensbedingungen für Armee und Volk in Zukunft weiter verschlechtern."