Grundrechte-Report 2014

KARLSRUHE. (hpd) In 42 Beiträgen nimmt der Bericht die bundesdeutsche Verfassungswirklichkeit kritisch unter die Lupe und behandelt anhand sehr konkreter Fälle die ganze Bandbreite von Einschränkungen der Grund- und Menschenrechte durch Gesetzgeber, Behörden und Unternehmen aus.

Am 3. Juni wurde in Karlsruhe von der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Grundrechte-Report 2014 vorgestellt. Wie in jedem Jahr greift der Report, der längst auch schon als “alternativer Verfassungsschutzbericht” bezeichnet wird, Verletzungen der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland auf und brandmarkt an aktuellen Beispielen Verstöße gegen die bundesdeutsche Verfassung.

Als Schwerpunkte der 42 Einzelberichte stellen die Verfasser vor allem die Folgen der NSA-Überwachungsaffäre, das “demokratie- und rechtsstaatsfeindliche Agieren” des bundesdeutschen Verfassungsschutzes sowie den Umgang der Behörden mit Flüchtlingen und Migranten, sowohl an den europäischen Außengrenzen als auch in den Kommunen, in den Mittelpunkt.

Bei der Präsentation des Berichts vor zahlreichen Medienvertretern sagte die früher Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger: “Die Vorgänge um die NSA und den NSU zeigen, dass es im Kernbereich des Grundrechtsschutzes in Deutschland schlecht aussieht. Ein freiheitlicher Rechtsstaat kann es nicht dulden, dass die im Geheimen agierenden Dienste den einzelnen Menschen zum bloßen Objekt ihrer Informationsbegehrlichkeiten entwürdigen. Der Grundrechte-Report analysiert dies schonungslos.”

In seinem Einleitungsbericht zu dem Report spricht der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte anlässlich der NSA-Übergriffe von einem “geheimen Informationskrieg” und stellt fest: “Dieser Angriff auf Substanz und Selbstverständnis freiheitlicher Demokratien erfolgt nicht etwa von außen, von ‘extremistischen’ oder terroristischen Kräften, sondern aus dem Inneren des Systems - wie eine aggressive, überschießende Reaktion des Immunabwehrsystems.”

Besondere Aktualität mag dem Bericht vor allem bezüglich der rund 300 Lampedusa-Flüchtlinge zukommen, die seit dem Winter 2012/2013 in Hamburg Zuflucht gefunden hatten. Nach einem aktuellen Bericht von Zeit Online vom 2. Juni soll der erste Migrant in Kürze abgeschoben werden, obwohl Hamburgs Innensenator Michael Neumann versprochen habe, wer sich freiwillig als Flüchtling melde, werde nicht abgeschoben. “Jetzt bricht er sein Versprechen”, heißt es bei Zeit-Online, wo nach Aussage der Redaktion ein internes Papier der Ausländerbehörde vorliegt, in dem von einer “Aufenthaltsbeendigung” die Rede sei.

Im Hinblick auf ähnliche im Bericht genannte Fälle beklagt Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, eine der Herausgeberinnen des Grundrechte-Reports: “Der Zustand der Verfassungswerte zeigt sich gerade am Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft. Wie schlecht es darum bestellt ist, zeigen zahlreiche Fallbeispiele des aktuellen Reports.” Dazu gehörten auch “Obdachlose”, heißt es weiter im Report, “die von öffentlichen Orten verdrängt werden; Kinder, Jugendliche sowie psychisch auffällige Menschen, die in geschlossene Einrichtungen abgeschoben werden; MigrantInnen und Flüchtlinge, die von der deutschen Politik und Gesetzgebung oft nur noch als Sicherheits- und Sozialrisiko wahrgenommen werden.”

An dieser Stelle erfreulich zu nennen ist, dass der Report, der von der Humanistischen Union, vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, vom Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, von Pro Asyl, dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, der Internationalen Liga für Menschenrechte sowie der Neuen Richtervereinigung gemeinsam editiert wurde, auch die religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht auslässt. In seinem Beitrag “Keine Glaubensfreiheit im Arbeitsrecht” kritisiert der Jurist der Humanistischen Union (HU) die Kirchen, die vielerorts als “Arbeitgeber mit Monopolcharakter” auftreten und geißelt das kirchliche Sonderarbeitsrecht mit klaren Worten: “Es ist Zeit, endlich zum Text des Grundgesetzes und der WRV (Weimarer Verfassung) zurückzukehren und festzuhalten, dass das hochgehaltene Recht der Kirchen, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten, eben ausdrücklich nur gilt 'innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.'”

 


Der 240 Seiten starke “Grundrechte-Report 2014 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland”, Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner, U. Engelfried und S. Rotino ist zum Preis von 10,99 Euro (ISBN 978–3–596–03018–7, Fischer Taschenbuch Verlag) im Buchhandel erhältlich.