Wenn ich was wünschen darf

KÖLN. (hpd/snn) Am 05. Juli verlieh das Schwule Netzwerk NRW die Kompassnadel an Dr. Volker Jung, Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Ein Kommentar dazu von Bodo Busch.

Herzlichen Glückwunsch zur Kompassnadel an Dr. Jung und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau! Neben Glück und Erfolg bei der Fortsetzung des ausgezeichneten Engagements gibt es aus der Sicht gewerkschaftlicher schwuler Lehrer allerdings noch weitere Wünsche an Kirchen – auch wenn die evangelischen da nur bedingt die richtigen Ansprechpartner sind.

Bodo Busch, Foto: privat
Bodo Busch, Foto: privat

“Vielen Lesben und Schwule erscheinen ‘die Kirchen’ und die überwältigende Mehrheit kirchlicher RepräsentantInnen bis heute als homophober Block. Mit der Verleihung unserer Kompassnadel an Herr Dr. Jung, würdigen wir, dass er diesem Bild mit seinem herausragenden Engagement entgegentritt”, erklärte Steffen Schwab die Entscheidung des Schwulen Netzwerks.

Ich kenne die Klage, dass die evangelischen Kirchen im öffentlichen Ansehen für die Sünden der katholischen mit büßen müssen. (Arbeits)rechtliche Privilegien haben allerdings beide, von denen sie einige unterschiedlich nutzen.

Religionsgemeinschaften haben Privilegien

Zwar haben evangelische wie katholische Arbeitgeber nach §9(2) des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gegenüber allen anderen Arbeitgebern das Privileg, “von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können”. Vor allem die katholische Kirche ist es aber, die offen (und aufrichtig) homosexuell lebende, verpartnerte oder geschiedene und wiederverheiratete Beschäftigte mit der Kündigung bedroht: ÄrztInnen, Pflegekräfte, SozialarbeiterInnen und TherapeutInnen, ErzieherInnen, Lehrkräfte, Reinigungskräfte – in sozialen Einrichtungen, die überwiegend mit staatlichen Geldern finanziert werden!

Zwar haben alle Religionsgemeinschaften unter Berufung auf Art. 7(3)2 Grundgesetz das Privileg, staatlichen Lehrkräften eine Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht zu erteilen oder zu entziehen. Die evangelischen Kirchen, z.B. in NRW und Niedersachsen, handhaben die Vergabe ihrer “vocatio” relativ liberal über die Teilnahme an einem Seminar und entziehen nur bei schweren Verstößen gegen die “pluralistischen Lehrmeinungen”, etwa bei kreationistischen Anschauungen in der Schöpfungslehre. Die katholische Kirche verlangt für ihre “missio” persönliche Referenzen u.a. des Gemeindepfarrers. Und auch die neue Ordnung für die islamische “idschaza” verlangt in Niedersachsen und NRW Referenzen, so dass die ZEIT schon titelte “Die islamische Lehrerlaubnis ist gut katholisch”. Entsprechend hoch dürfte der Konformitätsdruck auf die Lehrkräfte sein – bezüglich zeitgemäßer Auslegung der Religion und bezüglich ihrer privaten Lebensgestaltung.

Beide Konfessionen haben Sonderrechte (z.B. Bewerberauswahl aufgrund der Konfession) gegenüber Beschäftigten an staatlichen (!) Konfessionsschulen, die es so nur noch in NRW und Niedersachsen gibt, in NRW aber ca. 1/3 der Grundschulen ausmachen. Für alle Religionsgemeinschaften gibt es als Arbeitgeber in “eigenen” (aber meist weitgehend staatlich finanzierten) Sozialeinrichtungen Privilegien im kollektiven Arbeitsrecht, weil das Streikrecht nur im Ausnahmefall und nach §118(2) BetrVG die Betriebsverfassung – weit über die Einschränkungen des gewöhnlichen Tendenzschutzes nach §118(1) etwa für Parteien oder Zeitungen hinaus – gar nicht gelten.

Nicht nur Lesben und Schwule haben Wünsche

Ganz prinzipiell sind natürlich alle diese Rechtsfragen vom Staat zu klären, der diese Privilegien in seinem Rechtssystem vergibt. Allerdings würde ich – es geht ja um Wünsche – bei dem Höllenrespekt, den viele PolitikerInnen offenbar vor einer Auseinandersetzung mit den Kirchen haben, fortschrittliche Kirchenleute bitten, denen etwas Mut zu machen.

Dabei würde eine saubere Trennung von Kirche und Staat mit Abschaffung der Privilegien auch der Glaubwürdigkeit der Religionsgemeinschaften nützen. Das sehen auch kritischere Mitglieder so. Auf evangelischer Seite könnte ein bewusster Umgang mit der eigenen Geschichte dazu kommen: In der französischen Revolution waren es allen voran Protestanten, die nach den Erfahrungen der Protestantenverfolgungen für eine laizistische Republik mit klarer Trennung von Kirche und Staat sorgten. Dem stand in Deutschland vielleicht das historische Bündnis mit den evangelischen Landesherren entgegen – aber auch das ist vordemokratische Geschichte.

Und wenn es um kleinere Schritte geht: In Hamburg, hörte ich, gibt es auf Initiative der evangelischen Kirche konfessionsübergreifenden Religionsunterricht. Wenn schon die großen Wünsche nicht erfüllt werden, auch der könnte eine weltoffenere Religionserziehung bedeuten.

 


Vgl. dazu auch die Kommentare von Volker Beck und Anne Simon.