Eine historische Szene gegen Hinrichtung

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Esmail Fathizade und Mohammad Esfandyarpur

KÖLN/SIRJAN. (hpd) In einer historischen Situation wehren sich Menschen im Iran gegen eine öffentliche Hinrichtung, verjagen die Henker mit Steinen, schneiden die Seile der bereits ohnmächtigen Jugendlichen durch und nehmen diese mit. Ein Bericht von Mina Ahadi.

Es ist der 24. Dezember 2003. Ich erinnere mich gut, ich war in der Küche und habe persisches Essen gekocht. Wir hatten Besuch und es war sehr laut. Die Kinder haben gespielt und wir wollten kurz darauf unsere Geschenke auspacken. Ich setzte mich kurz an den Computer und las meine E-Mails: Morgen wird Afsaneh Nourozi hingerichtet. Mina, du muss etwas tun! Ich entschuldigte mich bei meinen Gästen, schrieb schnell einen Brief und telefonierte mit dem Außenministerium und... Ich habe vergangene Woche mit Afsaneh Nourozi gesprochen. Sie ist jetzt frei, dank der internationalen Proteste wurde sie gerettet. Sie hat nach ihrer Freilassung ein Kind bekommen.

Es ist ein Jahr später, Ende Dezember 2004, ich muss gegen die baldige Hinrichtung von Kobra Rahmanpour etwas tun und... Auch Kobra wurde gerettet. Diese Szene wiederholt sich jedes Jahr. Ich habe Ende Dezember immer eine innere Unruhe und warte auf eine schlechte Nachricht.

Einen ganzen Monat war ich in diesem Jahr beschäftigt mit der Kampagne zur Rettung von Ehsan Fattahian, der am 11.11.2009 wegen Apostasie hingerichtet wurde. Ihm folgte Mosleh Zamani, der  am 17.12.2009 wegen angeblicher Vergewaltigung, nach Angaben der Frau aber einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einer zehn Jahre älteren Frau hingerichtet wurde. Auch Behnoud Schojaee wurde am 10.10.2009 wegen angeblichen Totschlags hingerichtet. Leider sind diese Jugendlichen jetzt alle tot, weil das islamische Regime sie in den vergangenen Monaten umgebracht hat.

Am 21. Dezember 2009 kommt diese Nachricht: Morgen, am Dienstag, 22. Dezember, werden zwei Jugendliche, Esmail Fathizade und Mohammad Esfandyarpur, der eine 19 Jahre und der andere 23 Jahre alt, hingerichtet. Dieses Mal in Sirjan, einer kleinen Stadt in der Nähe von Kerman. Ich bin sehr unruhig und denke, bis zum Morgen kann ich gar nichts tun. Die Hinrichtung soll öffentlich sein und um acht Uhr in der Früh ausgeführt werden. So wie immer, wenn im Iran jemand hingerichtet werden soll und wir über diese Person gesprochen und gegen die Hinrichtung etwas getan haben, stehe ich gegen Mitternacht auf, gehe von einem ins andere Zimmer in meiner Wohnung in Köln. Ich bin sehr unruhig. Was wird geschehen?

Um neun Uhr bekomme ich dann diese Nachricht: Mina, die Menschen waren sehr entsetzt, von Anfang an gab es eine Demonstration und schließlich haben einige diese Jugendlichen gerettet und mitgenommen. Ich bin überglücklich, denke aber zugleich, das ist nicht wahr, wie haben sie das gemacht? Ich bin skeptisch und warte auf andere und genaue Informationen.

Ja, aber alles ist wahr. Schauen Sie selbst an, wie die Menschen die Henker mit Steinen verjagten, mehrere Fahrzeuge der Sicherheitskräfte sowie den Galgen anzündeten, die Seile mit Messer durchschnitten und die zwei Jugendlichen mitnahmen!

Das islamische Regime versuchte, die zwei zu finden und war damit erfolgreich. Die beiden sollten am Nachmittag um 17 Uhr noch einmal auf der Straße hingerichtet werden. Am Nachmittag waren 5000 Menschen dort versammelt und ließen nicht zu, dass diese öffentliche Hinrichtung stattfand. Die Schüsse der Polizei auf die Demonstranten soll vier Todesopfer und 37 Verletzte gefordert haben. Die Islamisten haben die zwei Jugendlichen, die wegen angeblichen Bankraubs, de facto aber wegen Opposition gegen das Regime hingerichtet werden sollten, anschließend nach Kerman gebracht und sie am Abend des 23. Dezember im Gefängnis hingerichtet.

Das ist eine große Bewegung gegen den staatlichen Mord im Iran. Das ist ein historischer Moment.

 

Mina Ahadi ist Vorsitzende des Komitees gegen Hinrichtung.

Einen zusammen geschnittenen Film mit der morgendlichen Rettung und der nachmittäglichen Demonstration gibt es hier.