Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

(hpd) Unter Rechtspopulismus versteht man in der Regel Parteien wie die „Freiheitliche Partei Österreichs", den „Front National" in Frankreich

oder den „Vlaams Belang" in Belgien: Mit fremdenfeindlichen und nationalistischen Parolen versuchen sie an die Alltagsempfindungen vieler Bürger anzuknüpfen, um so Ressentiments zu schüren und Wählerzustimmung zu mobilisieren. Der Marburger Politikwissenschaftler Sven Schönfelder versteht unter „Rechtspopulismus" in seinem gleichnamigen Buch aber etwas anderes: Es ist für ihn - so der Untertitel - ein „Teil Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Damit deutet sich schon die inhaltliche und methodische Nähe zu den Forschungen von Wilhelm Heitmeyer und seinen Mitarbeitern an der Universität Bielefeld an. Sie untersuchen die Entstehung und Endwicklung von Einstellungen mit negativen Vorurteilen, die mit der Abwertung von Gruppen (Behinderte, Fremde, Homosexuelle, Juden, Muslime etc.) einhergehen. Als ein solches Abwehr- und Abwertungspotential versteht Schönfelder auch den Rechtspopulismus.

Es soll demnach nicht um politische Bewegungen oder Parteien, sondern um Einstellungen und Verhaltensweisen gehen. Dabei hebt der Autor hervor, dass durch sie die Entwicklung und Festigung einer Gesellschaft auf Basis von Gleichwertigkeit und Unversehrtheit gefährdet werden dürfte, man aber nicht von extremistischen oder systemfeindlichen Positionen sprechen könne. Für seine Studie formuliert Schönfelder drei erkenntnisleitende Fragestellungen: Welche individuellen Einstellungen lassen sich in einem rechtspopulistischen Potential bündeln? Welche sozialstrukturellen Ursachen tragen im Kontext der „Modernisierungsverliererthese" zur Erklärung des rechtspopulistischen Potentials bei? Und: Welche politischen Orientierungen schließen an das rechtspopulistische Potential an? Antworten will der Autor durch drei Analyseverfahren finden: Zunächst wertet er repräsentative Umfragedaten aus, danach untersucht er Leserbriefe auf der Internet-Seite der „Republikaner" und wertet schließlich Interviews mit Kommunalpolitikern der Partei aus.

Bilanzierend kommt Schönfelder zu folgenden Ergebnissen: Als individuelle Einstellungen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit lassen sich erstens (sekundärer) Antisemitismus, Etabliertenvorrechte und Fremdenfeindlichkeit mit der autoritären Aggression in einem rechtspopulistischen Potential bündeln. Zweitens tragen als sozialstrukturelle Ursachen im Rahmen der „Modernisierungsverliererthese" weder objektiv erfahrene noch subjektiv wahrgenommene Formen individueller ökonomisch-sozialer Deprivation zur Erklärung des rechtspopulistischen Potentials bei. Als weitaus bedeutender müssen nach Schönfelder eine allgemeine Verunsicherung und empfundene Ohnmacht gegenüber dem rasanten kulturellen und technischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandel moderner Gesellschaften gelten. Und drittens schließen vor allem die Wahlintention zugunsten der CDU/CSU und die Selbsteinstufung in der politischen Mitte an das rechtspopulistische Potential an. Es reicht für den Autor bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein.

Schönfelder hat mit seiner Rechtspopulismus-Analyse eine differenziert argumentierende und methodisch überzeugende Arbeit vorgelegt. Gleichwohl irritiert sie durch eine problematische Grundsatzentscheidung, die Rechtspopulismus als minderheiten-feindlich und nicht-extremistisch gleichzeitig versteht. Sicherlich gibt es Organisationen und Positionen „am rechten Rand", die noch nicht extremistisch sind, wofür etwa die frühere „Schill-Partei" exemplarisch steht. Ob nun aber die „Republikaner" (REP), welche Schönfelder insbesondere für diese Einordnung erwähnt, auch in diese Rubrik gehören, kann zumindest für die längste Zeit ihrer Geschichte mit guten Gründen bezweifelt werden. Überhaupt bleibt das Verhältnis von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus nach kurzen einleitenden Bemerkungen weitgehend unerörtert. Das vom Autor ermittelte Rechtspopulismus-Potential von 19,7 Prozent müsste eigentlich ein Rechtsextremismus-Potential einschließen. Wie es um die Anteile beider bestimmt ist, bleibt aus demokratietheoretischer Sicht unklar.

Armin Pfahl-Traughber

 

Sven Schönfelder, Rechtspopulismus. Teil Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Schwalbach/Ts. 2008 (Wochenschau-Verlag), 242 S., EUR 24,80.