Konstrukte behindern die nötige Debatte

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Labyrinth / Foto: humanismus.de

BERLIN. (hvd/hpd) Ein Kommentar von Frieder Otto Wolf über den Vorwurf, der HVD habe einen „metaphysischen Humanismus“ und betreibe die „Selbstvergottung“ des Menschen – anlässlich einer Debatte in der Berliner Katholischen Akademie am 22. Januar 2010 über „Humanismus mit und ohne Gott“.

Ich hatte – verabredet mit einem Kollegen von der Freien Universität – zum Glück die Gelegenheit, im Publikum der von der Katholischen Akademie am vergangenen Freitag veranstalteten hochkarätigen Podiumsdiskussion (mit dem Philosophen Herbert Schnädelbach, Bischof Joachim Wanke und dem Fundamentaltheologen Magnus Striet, moderiert von Herrn Hauke von der KAB) zu sitzen. Das gab mir dann die Gelegenheit, in der öffentlichen Phase der Diskussion auf die Vorwürfe des Kollegen Schnädelbach an den HVD zu reagieren:

Der HVD argumentiere letztlich „metaphysisch“, betreibe eine „Selbstvergottung des Menschen“ à la Feuerbach und gehöre damit in einen Zusammenhang mit totalitären Tendenzen, wie sie historisch bis zum Stalinismus gereicht hätten. Da inzwischen in der KNA die Thesen des Kollegen Schnädelbach über den HVD verbreitet worden sind, dokumentiere ich hier meine dazu gleich vor Ort erhobene Einrede.

Ich habe mich als Präsident der Humanistischen Akademie zu Wort gemeldet und klar gestellt, dass der HVD – wie in seinem „Selbstverständnis“ nachzulesen – mit einer Selbstvergottung des Menschen überhaupt nichts am Hut habe, sondern für einen praktischen Humanismus eintrete, der mit gehöriger Toleranz und auch einer gewissen Skepsis gegenüber Patentlösungen für die vielen Menschen eintrete, wie sie wirklich sind, mit ihren Schwächen und ihren Leiden (und auch schon Feuerbach sei eigentlich genauer und differenzierter zu lesen).

Offenbar seien hier Konstrukte im Spiel, durch die die eigentlich nötige kritische Debatte behindert werde: Nämlich eine Debatte darüber, zu unterscheiden, welche weltanschaulichen Positionen aufgrund ihrer inneren Reflexivität und Toleranzfähigkeit in modernen komplexen Gesellschaften überhaupt akzeptabel seien und welche aufgrund ihrer fundamentalistischen und intoleranten, nicht argumentationsfähigen Struktur als solche inakzeptabel seien – und dies ließe sich offenbar nicht pauschalisierend, ohne differenzierte Kenntnisse, entscheiden.

Diese Debatte sei aber nach dem Ende des faktischen weltanschaulichen Monopols einzelner Religionen heute dringend zu führen, und zwar durchaus auch kritisch gegenüber mit Positionen, die jedwedes Eintreten für eine Wahrheit für tendenziell metaphysisch und jedwedes Eintreten für eine Gestaltung von Gesellschaft für tendenziell totalitär erkläre, das die heute vorgegebenen Trennungen zwischen Politischem, Ökonomischen, Sozialem und Kulturellen hinterfrage und deren Umstrukturierung vorschlage.

Frieder Otto Wolf

Humanistischer Verband Deutschland, Bundesverband