Lesung der Säkularen Humanisten zur Buchmesse

Wetz: Warum Selbstachtung?

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Franz Josef Wetz und Peter Menne
Franz Josef Wetz und Peter Menne

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Franz Josef Wetz und Peter Menne
Franz Josef Wetz und Peter Menne

FRANKFURT/M. (hpd) “Rebellion der Selbstachtung” heißt das neueste Buch von Franz Josef Wetz. Zur Buchmesse las der Professor für Philosophie bei den “Säkularen Humanisten. Freunde der gbs” in Frankfurt. Rund 65 Besucher lauschten im gut gefüllten Club Voltaire; Peter Menne von den Säkularen Humanisten führte den Referenten ein und moderierte den Abend mitsamt spannender Diskussion.

Beinahe biographisch führte Franz Josef Wetz in die Fragestellung ein: Während seines Studiums engagierte er sich bei Amnesty International - und argumentierte da selbstverständlich mit der “Menschenwürde”. Politisch bleibe das ein sinnvoller Begriff, so der Schwäbisch Gmünder Philosoph. “Aber Menschenwürde: Was ist das eigentlich?” Die Frage ließ im keine Ruhe. Klassisch wird sie als “angeborenes Recht” definiert - doch “Rechte” sind nicht angeboren, sondern gesellschaftliche Übereinkunft. Also der “Inbegriff menschlicher Verhältnisse”. Auch so ein metaphysischer Versuch reichte dem Wissenschaftler nicht.

Letztlich lande man bei Metaphysik oder kruden kirchlichen Versionen - die Kirchen hatten die “Menschenrechte” lange als “unchristlich” bekämpft, versuchen aber heute, die Urheberschaft daran für sich zu vereinnahmen.

Philosophie-Professor Wetz geht neue Wege: Er verzichtet auf den Begriff der Menschenwürde - und geht stattdessen von der Selbstachtung aus. Wer sich achtet, hält sein Dasein “für der Mühe wert, die es ihm selbst und anderen bereitet” (Wetz). Doch wer bewertet sein eigenes Dasein bewusst in solcher Form? Jeder, schon immer - so der Referent. Deutlich werde das, wenn man schlecht behandelt wird. Schon Gespött oder ein hämischer Blick reichen manchmal, um den Protest der verletzten Achtung hervorzurufen.

Franz Josef Wetz, Foto: © Alexander Tschierse
Franz Josef Wetz, Foto: © Alexander Tschierse

Selbstachtung gehe aber einher mit dem Bewusstsein eigener Schwäche, ja: Nichtigkeit. Gerade die nächtliche Großstadt demonstriere Gleichgültigkeit: Ein Mensch kann sich in ihr verlassen fühlen, Selbstzweifler könnten weiter nach unten gezogen werden. Auf der anderen Seite gebe es übertriebene Selbstachtung: Arroganz und Überheblichkeit.

Insbesondere Intimbeziehungen seien anfällig für einen Wechsel ins Demütigende: Viele Paare gingen sich gegenseitig auf die Nerven, könnten sich aber nicht trennen. Hier wachse Verachtung: “Ekel, Wut und Abscheu kriechen ums Bett” (Wetz). Wobei widrige Umstände die Selbstachtung sowohl beschädigen wie auch hervorrufen können: Die Proteste auf dem türkischen Taksim-Platz 2013 gingen nicht aus drückender Not hervor. Vielmehr waren sie ein Aufbegehren gegen die Entmündigung durch die politische Elite, gegen deren Gängeleien.

Selbstachtung: kein ethischer Höchstwert

Wie Wetz ausführte, kann die Selbstachtung problematisch werden, z. B. wenn sie darauf beruht, andere zu unterdrücken: Randalierende Gangs beziehen ihre Selbstachtung aus dem Schikanieren ihrer Mitmenschen, aus dem Machtgefühl, das mit deren Unterdrückung einhergeht. Andere beziehen ihre Selbstachtung aus Heuchelei - die “Gesichtsbräune mancher Zeitgenossen stammt weniger vom Sonnenbaden denn vom Arschkriechen”, formulierte es Wetz drastisch.

Selbstachtung ist also kein ethischer Höchstwert. Vielmehr ist zu fragen: Wann ist sie gerechtfertigt? Unter Bezug auf Kant, Rawls oder Adam Smith führte Wetz die Figur des “unparteiischen Gutachters”, des “urteilsfähigen Beobachters guten Willens” ein und kam zum Schluss: Selbstachtung ist ethisch dann gerechtfertigt, wenn die Bedingungen, die sie ermöglichen, auch ethisch gerechtfertigt sind. Man brauche also “gute Gründe”, um sich selbst zu achten.

Den Unterschied verdeutlichte Wetz an zwei Beispielen: dem Slumtourismus und dem islamischen Kopftuch. Eine muntere Diskussion schloss sich an, bevor Franz Josef Wetz seine Bücher signieren musste.

 


Franz Josef Wetz: Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung. Aschaffenburg: Alibri, 2014. 197 Seiten, Klappenbroschur, Euro 16.-, ISBN 978–3–86569–177–4

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