Dresden für Weltoffenheit und Toleranz

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Dresden-farbige Projektionen an den Fassaden

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Dresden-farbige Projektionen

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Berlin
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DRESDEN. (hpd) Über 25.000 Dresdner feierten am Abend auf dem Neumarkt trotz einsetzendem Regen ein buntes Fest für Weltoffenheit, Toleranz und friedliches Miteinander. Der Verein „Dresden-Place to be” hatte eingeladen und hochkarätige Künstler aus allen Genres dafür gewinnen können. Alle waren sich einig, dass man sich Dresdens Ruf als offene Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsstadt nicht zerstören lassen will. Ausländer, gleich welcher Herkunft und mit welchem Status sollen auch in Zukunft in der Stadt willkommen sein und sich hier wohlfühlen.

An diesem Montagabend sollten Zeichen gesetzt werden. Zeichen des friedlichen Miteinanders, der Weltoffenheit und Toleranz. Es sollte eine Veranstaltung „für ...” werden und nicht „gegen ...”.

Hintergrund

Seit Wochen demonstrieren Montag für Montag Menschen unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes”. Was anfangs vielleicht nur als Spinnerei von einzelnen betrachtet wurde und kaum Beachtung fand, entwickelte sich plötzlich zu einer Bewegung, die niemand mehr übersehen konnte. Auslöser waren kommunale Pläne, für die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Staaten neue Asylheime einzurichten. Plötzlich waren aus den paar „Spinnern” Zehntausende geworden, die da Montag für Montag unter diesem Motto ihre Ängste kundtaten.

Doch wieso ausgerechnet in Dresden? In Dresden leben vergleichsweise wenig Ausländer, nur etwa 2,5 Prozent. Aber vielleicht ist es gerade das. Die Bürger in Dresden kennen Ausländer nur als Touristen, die vor allem in den Sommermonaten die Innenstadt bevölkern und dann wieder weg sind. Vielleicht noch als Studenten oder Beschäftigte der internationalen Firmen, die hier ansässig sind. In den außerhalb des Zentrums liegenden Stadtteilen trifft man kaum auf Ausländer. Und so konnten Ängste geschürt werden.

„Pegida” nutzte dies und schürte weiter. Längst sind die Montagsmitläufer nicht mehr allein wegen der „drohenden Islamisierung” auf der Straße. Sie haben endlich eine Möglichkeit gefunden ihren Unmut zu allen möglichen Unzulänglichkeiten der Stadt und des Staates hinauszuschreien. Da spielen Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Unsicherheiten, die Einrichtung von Asylbewerberheimen, ohne vorherige Informationen eben so eine Rolle, wie TTIP, Autobahnmaut, Arroganz und Ignoranz der Regierenden und Behörden und die tatsächliche Angst vor den fremden Menschen, die plötzlich in der Nachbarschaft wohnen.

In der letzten Woche schien es so, als ob „Pegida” den angebotenen Gesprächsweg einschlagen würde. Ex-Vereinschef Bachmann und Sprecherin Kathrin Oertel bekamen in der Landeszentrale für Politische Bildung Gelegenheit zu einer Präsentation vor der von ihnen so genannten „Lügenpresse”. Es mag unterschiedliche Meinungen zu den Unmutsbekundungen, Wünschen und Ärgernissen der Pegida-Anhänger und Sympathisanten geben. Aber am 6. Januar ist in der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung unter dem Vorsitz von Frank Richter ein Dialog ohne gegenseitiges Anbrüllen entstanden. Es ist eine Chance auf eine sachliche argumentative Auseinandersetzung in der Zukunft. Dann verblüffte Pegida mit einem nicht zu unterschätzenden Schachzug. Sie verlegten ihren Montagsspaziergang auf den Sonntag, damit die Anhänger am großen Event gestern Abend ebenfalls teilnehmen könnten. Man wolle sich dem Motto „offen und bunt” nicht verschließen, hieß es. Gleichzeitig sind sie damit einer offenen Konfrontation aus dem Weg gegangen.

Die Idee

Bereits um den Jahreswechsel entstand die Idee für ein großes Solidaritätskonzert im Verein „Dresden-Place to be”. Die Mitglieder des Vereins betreuen sonst mit persönlichen Patenschaften ausländische Beschäftigte, Wissenschaftler oder Studenten, die nach Dresden kommen. Mit diesem Fest, zu dem viele Stars ihre Teilnahme sofort zugesagt hatten, wolle man genau die künstlerische und kulturelle Seite zeigen, für die Dresdens Ruf eigentlich steht, erklärte Ehninger. Der Initiator und Medizinprofessor Gerhard Ehninger vom Uniklinikum Dresden hatte „alle Menschen guten Willens” offensiv eingeladen. Zusammen mit Volker Knöll, der bereits an der Organisation des Kirchentages 2011 beteiligt war, stellten sie in kürzester Zeit ein Programm auf die Beine und erhielten alle Genehmigungen sehr kurzfristig, was in Dresden nicht unbedingt selbstverständlich ist. Gerhard Ehninger und Volker Knöll kennen viele Menschen, die mithelfen wollten, den Ruf Dresdens in der Welt angesichts der Pegida-Demonstrationen wieder zu verbessern.

Das Fest

Bereits zu Beginn war der Neumarkt gut gefüllt. Neben der großen Bühne ist eine Leinwand aufgebaut, auf der auch die ganz hinten Stehenden, die Gespräche und das Konzert verfolgen können. Rund 250 Künstler sind unter dem Motto „offen und bunt - Dresden für alle” ohne Gage aufgetreten, darunter Keimzeit, Silly, Herbert Grönemeyer, Sarah Connor, Sebastian Krumbiegel, Toni Krahl, Jeanette Biedermann & Ewigkeit, Gentleman, Wolfgang Niedecken, Banda Comunale, Marquess, Christian Friedel und Woods of Birnam, Klazz Brother & Cuba Percussion, Adel Tawil, Yellow Umbrella, Jupiter Jones, das Heinrich Schütz Konservatorium und viele mehr.

Zwischen den Auftritten wurden viele Videobotschaften von toleranten Dresdnern, aber auch von eingeschüchterten Flüchtlingen eingespielt. Am bewegendsten die eines schwerkranken Leukämie-Patienten, der sein Elternhaus für Flüchtlinge zu Verfügung stellen will. Viele Künstler und Vertreter aus Wirtschaft, Medizin und Kultur übermittelten ihre Grüße und Wünsche für ein weltoffenes und tolerantes Dresden auf diesem Wege. Zudem kamen viele Organisationen auf der Bühne zu Wort, um eines deutlich zu machen: Dresden ist keine Hochburg von Pegida und wir lassen uns nicht von ihnen vereinnahmen oder gar einschüchtern. Die Sorgen und Ängste der Menschen müssen ernst genommen werden, aber dürfen nicht an den Schwächsten der Schwachen ausgelassen werden.

Wir wollen ein Zeichen setzen. Die Fassaden der umstehenden Häuser des Neumarktes und der Frauenkirche wurden als Projektionsflächen für Stichworte und Bilder benutzt, die den großen Rahmen dieser Veranstaltung bildeten: Vertrauen, Liebe, Menschlichkeit, Hoffnung, Humanismus, Nächstenliebe, Toleranz, Weltoffenheit und Gleichheit stand in bunten Farben an den Wänden. Die Gebäude ringsum waren in farbiges Licht getaucht.

Die Menschen in den umliegenden Hotels und Wohnhäusern am historischen Neumarkt hatten die besten Plätze. Sie konnten am Fenster, im Trockenen das Geschehen verfolgen. Eine tolle Stimmung trotz Nässe und Kälte. Die Menschen tanzten und sangen zu den vielen der bekannten Hits der Künstler. „Offen und bunt“ - wie das Motto ist das Fest. Als der Neumarkt keine Menschen mehr fasste, wurden die trotz einsetzenden Regens weiter strömenden Besucher auf den nahe gelegenen Theaterplatz vor der Semperoper umgeleitet, wo das Konzert auf eine Großleinwand übertragen wurde.

Zwischenzeitlich machten sich offensichtlich Pegida-Anhänger lautstark mit dem Ruf „Wir sind das Volk!” bemerkbar und mehrere Leute diskutieren in der Menge mit Demonstranten, die sich als Pegida-Anhänger zu erkennen gaben. Sie schwenkten Deutschland- und Sachsenfahnen und machten mit Plakaten mit Aufschriften wie „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“ auf sich aufmerksam. Die Stimmung blieb dennoch entspannt und friedlich, zumal die Verständigung bei der lauten Musik sowieso schwergefallen wäre.

Fazit

Es war ein gelungenes Fest, um die Menschen aus ihrem „Schrecken” und ihrer "Starre" vor Pegida aufzurütteln. Wichtig ist es nun, diese Botschaft weiter zu tragen, im Alltag, auf der Straße, unter Kollegen, unter Freunden. Dresden bleibt offen für alle. Ausländer sollen sich hier wohlfühlen und wenn sie wollen, auch bleiben ohne Angst vor Anfeindungen.

Herbert Grönemeyer fasste dies in einer eindrücklichen Rede am Schluss der Veranstaltung zusammen. Hier der gesamte Wortlaut.

 


Hinweis: Auch in Berlin fand gestern Abend vor dem Bundeskanzleramt eine Gegendemo statt. Fotos von Evelin Frerk sind in den Fotos oben zu finden.