Wie exakte physikalische Begriffe esoterisch verwurstet werden

Relativer Quantenquark

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FRANKFURT. (hpd) Brechend voll war Frankfurts Club Voltaire, als Dr. Holm Hümmler über “relativen Quantenquark: kann moderne Physik die Esoterik belegen?” referierte: rund 70 Gäste drängten sich im Club, weitere 20 standen davor und fanden einfach keinen Platz mehr. Moderator Peter Menne war ebenso überrascht wie der Referent selbst von dem so gewaltigen Interesse, das Hümmlers Vortrag geweckt hat.

Auf Einladung von Club Voltaire und der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) referierte der Physiker Dr. Holm Hümmler, der selbst Sprecher der Skeptiker Rhein-Main ist.

In klar strukturiertem Vortrag zeigte Dr. Hümmler das Problem auf: 1. Wo wird Unfug so mit Begriffen z.B. der Quantenphysik garniert, dass er fast schon seriös erscheint? 2. Eine kurze Einführung sowohl in Quantenphysik wie auch Relativitätstheorie (inklusive der berüchtigten armen Katze des Herrn Schrödinger) und 3. wie man sich im Alltag davor schützt, von wohlklingend-scheinwissenschaftlichen Propheten aufs Glatteis geführt zu werden.

Wenn Rosenkreuzer ihren Jesus Christus heute als Quantenphysiker verehren, ist das eine weitere Umdrehung im Wirbel wirrer Gedanken. Wo aber “Quantenheilung” versprochen wird, sollte man hellhörig werden: Hümmler zitierte eine Doktorarbeit vom “Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften” der Viadrina-Universität Frankfurt an der Oder. Die Quantenheilung basiere auf “kleinsten Teilchen, die mit dem Bewusstsein und der Materie in Wechselwirkung treten” würden. Zur Behandlung sei keine Anamnese oder Untersuchung nötig. Vielmehr solle der Patient über seine Krankheit nachdenken und sich die erreichte Heilung vorstellen. Dann berührt der Behandler zwei Punkte am Körper des Patienten (welche ist wohl beliebig) und sich ebenfalls vorstellen, der Patient sei geheilt: Hogwarts an der Oder lässt grüßen!

Auf die Wirkmächtigkeit von Suggestion wies Hümmler hin, der Placebo-Effekt ist bekannt. Aber dass an öffentlich finanzierter Universität behauptet werden kann, eine Untersuchung sei überflüssig, ein Prüfen auf bakterielle oder virale Infektion bei Krankheiten nicht nötig - solcher Unfug überrascht. Dass dafür im Jahre 2014 Doktortitel vergeben werden ist unfassbar!

In weiteren Beispielen zeigte Hümmler, wie die Relativitätstheorie zur Quacksalberei missbraucht wird. Die Einsteinsche Formel E = mc2 hat jeder schon mal gehört, vielleicht auch, dass es um Energie und Masse geht. In der Esoterik wird aus der physikalischen Energie (die in Joule gemessen wird) erst “reine Energie”, dann ein “Spektrum psychischer Energie”, mit der die Seele die Realität lenke.

Das Grundmuster solcher Argumentation ist einfach: man nehme erstaunliche oder schwer verständliche Aussagen der modernen Physik. Dann vermenge man die präzise definierten physikalischen Begriffe mit der Alltagsbedeutung - und schon ist unglaublicher Quatsch angerührt.

Physikalische Grundlagen

In einem Schnelldurchlauf erläuterte Hümmler, worum es bei der Quantenphysik und bei der Relativitätstheorie geht. Erstaunliche physikalische Phänomene wie der Tunneleffekt oder Verschränkung wurden angesprochen. Spannend, was es da zu entdecken gibt - doch mancher Zuhörer fühlte sich von der Informationslawine überrollt. Doch sollte der Vortrag kein Grundstudium der Physik ersetzen, sondern auf eines hinweisen: die quantenmechanischen Effekte passieren in Größenordnungen, die mit dem normalen Leben nichts zu tun haben: max. wenige Atome sind involviert, und das bei Temperaturen von minus 270 Grad sowie mittels Hochvakuum sauber von der Umwelt abgeschirmt.

Gleiches gilt für die Relativitätstheorie: spannend, dass sie heute tagtäglich vom Handy benutzt wird: wir erfreuen uns der GPS-Navigation - für die Signale von Satelliten verwendet werden, die sehr schnell um die Erde kreisen. “Ohne Korrektur nach der allgemeinen Relativitätstheorie wäre das Signal jedes Satelliten schon nach einem Tag um 11 Kilometer falsch”, so Referent Hümmler.

Wieder wies Hümmler auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch in Alltag und Wissenschaft hin: was versteht man unter Theorie? Im Alltag das Gegenteil von Praxis; etwas, das wenig mit der Realität zu tun hat. In der Wissenschaft ist “Theorie” jedoch eine verallgemeinerte Beschreibung der Realität. Sie ist nach festgelegten Kriterien überprüfbar - und das beste Wissen, das man haben kann.

Eine gute Theorie erkläre, 1. was man neu entdeckt hat. 2. passe sie zu dem, was man schon verstanden hat und 3. treffe sie richtige Aussagen über das, was man erst später entdeckt.

Bei manchen Physikern herrsche dagegen Ausverkauf. So hält der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Physik, Prof. Hans-Peter Dürr, Materie und Energie für “geronnenen, erstarrten Geist”. Wie Geister zu einer physikalischen (!) Größe werden können, das hat er nicht erläutert. Oder war der Geist aus Oscar Wildes “Schloß Canterville” ausgebüxt und hat im Münchner MPI Asyl beantragt?

Die Diskussion

Überraschend viele Physiker beteiligten sich an der Diskussion, schnitten dabei zu oft die eigenen Grundlagenprobleme an. Viel spannender war die Frage aus dem Publikum, wie anerkannte und qualifizierte Wissenschaftler wie z.B. Hans-Peter Dürr solchem Unfug verfallen können. Woran das liegen mag, was esoterische Aussagen so attraktiv macht: das war leider nicht zu klären.