Französisch getauft – Deutsch ausgetreten

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Pressekonferenz Libre Pensèe und IBKA im Haus der Demokratie Berlin
Pressekonferenz Libre Pensèe und IBKA im Haus der Demokratie Berlin

BERLIN. (hpd) Veranstaltet von Libre Pensée und dem Internationalen Bund der Konfessionslosen (IBKA) fand im Haus der Demokratie eine Pressekonferenz statt, in der die beiden Organisationen Medienvertreter darüber informierten, das – wie sie es selber nennen - eine "Raster-Fahndung" der Kirchen in Berlin nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer bedroht.

In Frankreich ist es nicht vorgesehen, aus der katholischen Kirche auszutreten, es wird auch nicht praktiziert. Auch existiert seit 1789 die Kirchensteuer nicht mehr. Ein französischer Staatsbürger, der zwar in Frankreich getauft wurde aber seit seinem 6. Lebensjahr nicht mehr am religiösen Leben teilnimmt, der geheiratet hat, ohne die Kirche zu beteiligen und dessen Kind ungetauft blieb, wurde Opfer der Raster-Fahndung der Berliner Kirchensteuerstelle. (Der hpd berichtete)

Der Betroffene lebt seit zwei Jahren in Berlin, in dem ihm übersandten Fragebogen der kirchlichen Kirchensteuerstelle gab er "konfessionslos" an.

Die Kirchen haben dennoch in Frankreich Recherchen aufgenommen, haben den Eintrag seiner Taufe im Dorf-Register der Diözese ermittelt und ihn zur Zahlung der Kirchensteuer in Deutschland herangezogen. Die deutsche Kirchensteuer wurde ihm bereits vom Gehalt abgezogen.

Dieses Vorgehen sowohl der evangelischen wie auch der katholischen Kirchensteuer-Stellen wirft eine Reihe von Fragen auf, die bisher in dieser Klarheit nicht deutlich geworden waren. Wie steht es mit dem Datenschutz entsprechend dem Meldegesetz und wie mit dem EU-Vertrag von Lissabon zu Kultus und damit den Religions-Gesellschaften in nationaler Tradition und in der nationalen Gesetzgebung? Wie kann ein "französischer Katholik" in Deutschland der Staats-Kirchen-Gesetzgebung unterworfen werden?

Die französische Freidenker waren in dieser Hinsicht aktiv. Der Abgeordnete Le Borgn’ hat an den Außenminister Fabius geschrieben und nachgefragt, inwiefern das Ministerum die Rechte von französischen Staatsbürgern in Deutschland schützen würde. Zumal Betroffene in Frankreich generell nicht aus der Kirche austreten können. Aus welcher Kirche hätte er in Deutschland austreten müssen, wenn ihm dieses kirchensteuerliche Prozedere bekannt gewesen wäre? Er könnte und müsste aus der deutschen katholischen Kirche austreten, in deren Kirchensteuer-Verband er niemals Mitglied war. Wer erhält nun eigentlich die bereits einbehaltenen Kirchensteuern des französischen Staatsbürgers? Das Erzbistum Berlin, dem er gar nicht angehört? Oder das Bistum seines Heimatortes, in dem er durch seinen Defakto-Austritt, der Nicht-Teilnahme an religiösen Riten ausgetreten war?

Bei der Pressekonferenz waren vor allem französisch- und englischsprachige Medien anwesend. Die Thematik betrifft tausende von jungen Spezialisten aus ganz Europa, die in das aufstrebende "junge" Berlin als Technologie-Zentrum und Zukunftswerkstatt zugezogen sind. Dieser Widerspruch einer von technologisch-zukunftsorientierten Projekten ausgeklügelten Technik und einer deutschen Kirchengesetzgebung in der Berliner Variante, die eher mittelalterlich daher kommt, sorgt für grundsätzliche Irritation.

In den bisher bekannt gewordenen Fällen der letzten Jahre, drangsalierten die Kirchensteuerstellen vor allem ehemalige DDR-Bürger und erklärten diese zu Kirchen-Mitgliedern, sofern sie nicht den Austritt mit einer staatlichen Notariats-Urkunde belegen konnten, was eher nicht die gelebte Praxis war. Möglicherweise hat jetzt die Kirchensteuerstelle Berlin den Bogen überspannt, in dem sie ausländische Staatsbürger der deutschen Kirchensteuer unterwirft.

Nach dem Berliner Meldegesetz Artikel 27 dürfen der Kirchensteuerstelle nur die Meldedaten von Kirchenmitgliedern übermittelt werden. Dass sie keine Kirchenmitglieder seien, haben die Gefragten bei der Anmeldung in Berlin angegeben, dennoch hat die Kirchensteuerstelle Ermittlungen durchgeführt obwohl sie die Meldedaten überhaupt nicht in die Hand bekommen dürfen. Ein eindeutig rechtswidriges Verhalten.

In verschiedenen europäischen Staaten gibt es eine signative Kirchen-Mitgliedschaft, die sich nicht daran orientiert, ob der Mensch getauft ist oder nicht. Die Teilnahme an religiösen Handlungen ist ausschlaggebend, um in der dortigen Tradition Mitglied der Kirche zu sein. Die Vorgehensweise in Deutschland, nur das bürokratische Protokoll einer Taufe als Kirchen-Mitgliedschaft zu bewerten, die zur Kirchensteuerzahlung verpflichtet, ohne nach einem tatsächlich vorhandenen und gelebten Glauben zu fragen, verweist auf eine eher bürokratische als eine lebendige Kirche im Glauben.

So bieten die Kirchen-Mitglieder "ohne es zu wissen oder ohne es zu wollen", wenn es auch nur für die kurze Zeit bis zum Kirchenaustritt in Deutschland ist, den Kirchen eine überraschende Geldquelle.

Darum fordern Libre Pensée und der IBKA: "Es ist unabdingbar, dass der Religionsvermerk in Deutschland auf der Steuerkarte zu unterbleiben hat und in Frankreich, dass die Verwaltung die Praxis (der Nachforschung) der betroffenen katholischen Bistümer als illegal erklärt und dass in beiden Ländern die vollständige Streichung der persönlichen Daten auf Anfrage der betroffenen Personen veranlasst wird."