BERLIN. (hpd) Am heutigen Tag veröffentlicht der Humanistische Verband Deutschland (HVD) einen Bericht, der die Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland thematisiert. In der Broschüre werden nicht nur die Benachteiligungen aufgeführt; es werden auch Vorschläge unterbreitet, wie diese abzuschaffen sind.
Es sind oft die kaum mehr wahrgenommenen Ausgrenzungen, die aufzeigen, dass es mit der Trennung von Staat und Religion in Deutschland nicht weit her ist. Auch wenn diese Trennung im Grundgesetz verankert ist: die Trennung hinkt. Und zwar gewaltig. "Verfassungstext und Verfassungwirklichkeit klaffen hier weit auseinander."
Die beiden Autoren des Berichts, Michael Bauer und Arik Platzek, stellen gleich am Beginn des Berichts die Frage: "ist es legitim, hierbei von einer Diskriminierung der nichtreligiösen Menschen zu sprechen?" Die - eher rhetorisch - Frage wird bejaht und im Bericht ausführlich beantwortet.
Auf der Webseite zum Bericht wird klargestellt: "Rund 25 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, knapp ein Drittel der Bevölkerung, gehören keiner Konfession an. Die große Mehrheit von ihnen ist nicht religiös. In den Großstädten – in den alten wie in den neuen Bundesländern – ist ihr Anteil regelmäßig erheblich höher. Doch wer nicht Mitglied in einer Kirche oder anderen traditionellen religiösen Glaubensgemeinschaft ist, hat oftmals die schlechteren Karten: auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem, in der Politik, in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung."
Und genau in diesen Bereichen, häufig kaum wahrgenommen, geschieht eine permanente Diskriminierung. Der Bericht listet viele der Punkte genauer auf:
Staatsverträge
Für etablierte Religionsgemeinschaften ist es völlig selbstverständlich, dass sie mit dem Staat (den Ländern) Verträge abschließen, "in denen die politischen und finanziellen Beziehungen zwischen den Gemeinschaften und dem jeweiligen Land verbindlich, nachvollziehbar und einigermaßen detailliert geregelt werden." Es gibt allerdings - mit Ausnahme des Landes Niedersachsen - keine Staatsverträge mit nicht-religiösen Weltanschauungsgemeinschaften.
In etlichen Landesverfassungen sind Gottesbezüge enthalten - in Schleswig-Holstein versuchen derzeit Ewiggestrige, dies mit Gewalt durchzusetzen. Das gilt auch für viele Schulgesetze, in denen "die Gottesfurcht" als Bildungsziel benannt ist; etwas, das nicht nur nach Auffassung der Autoren nicht mehr zeitgemäß ist.
Der Bericht weist weiter darauf hin, dass weder Humanistische Feiertage (wie z.B. der 21. Juni, der World Humanist Day) noch eine nichtreligiöse Feier- und Gedenkkultur anerkannt werden. "Insbesondere bei staatlich organisierten Trauerfeiern, wie z.B. nach großen Unglücken und Katastrophenereignissen, erleben die Hinterbliebenden regelmäßig, dass die weltanschaulichen Überzeugungen vieler Opfer ignoriert und Hinterbliebene pauschal […] von den Kirchen ‘ökomenisch’ vereinahmt werden."
Auch die Unsitte, in Gerichten, Schulen, Ministerien und anderen öffentlichen Gebäuden ein Kruzifix aufzuhängen, wird kritisiert. Hier zeigt sich vor allem in Bayern, dass dort wissentlich gegen Recht und Gesetz verstoßen wird.
Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht
Die sich an diesem Themenbereich entzündende Ungleichbehandlung wird in den letzten Jahren immer häufiger thematisiert. Im Bericht heißt es dazu: "60 Prozent aller Arbeitsplätze im sozialen Sektor werden von den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden gestellt. Angesichts dieser Zahlen [wiegen] Benachteiligungen, die hier festzustellen sind, besonders schwer."
Es ist - seit GerDIA - noch deutlicher, dass gerade in diesem Bereich der Gesellschaft die Diskriminierung besonders deutlich wird. Denn nicht nur, dass konfessionsfreie oder andersgläubige ArbeitnehmerInnen nicht die gleichen Rechte wie Angehörige der beiden christlichen Kirchen haben; auch ArbeitnehmerInnen, die Mitglied einer der beiden christlichen Kirchen sind, haben gegenüber anderen ArbeitnehmerInnen mindere Rechte.
Die Benachteiligung konfessionsfreier und andersgläubiger ArbeitnehmerInnen bezeichnen die Autoren des Berichts als aus zwei Gründen besonders kritikwürdig: "zum einen, weil die Finanzierung der kirchlichen Einrichtungen zu 80 bis 95 Prozent - nicht selten auch vollständig - aus öffentlichen Mitteln der Gesamtheit aller Beitragszahler und deren Nutzungsentgelte … erfolgt und eben nicht aus Eigenmitteln der Kirchen. Zum anderen, weil der Ausschluss von Beschäftigten eines legitimen Tendenzschutzes hinausgeht, da die derzeitig geltenden Regelungen auch Beschäftigungsverhältnisse erfassen, die nicht verkündigungsnah sind…" Hinzu kommt, dass in vielen - vor allem ländlichen - Gegenden, die kirchlichen Einrichtungen eine Monopolstellung innehaben.
Das gilt auch für Kindertagesstätten. "Verursacher dieser Situation sind die Kommunen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die Stadt- und Gemeinderäte beschließen über die Trägerschaften auch von privaten Trägern." Grundsätzlich sei nichts dagegen einzuwenden, dass sich auch kirchliche Einrichtungen als Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen betätigen. Jedoch unabhängig von den oben bereits genannten Nachteilen für die ArbeitnehmerInnen in den Einrichtungen gäbe es noch ein weiteres, ebenso gewichtiges Problem; dann nämlich, "wenn auch für nichtreligiöse Eltern nur kirchliche Kindertagesstätten zur Verfügung stehen." Und das ist kein Einzelfall, wie der Bericht aufzeigt.
2 Kommentare
Kommentare
Wolfgang Graff am Permanenter Link
Die Zusammenstellung ist eine gute argumentative Hilfestellung. Insofern kann man ihr wünschen, dass sie von Vielen gelesen wird.
Warum aber diese Opfermentalität: "Wie schrecklich ist es doch, dass wir armen säkularen Humanisten so diskriminiert werden!"?
Wie wäre es denn, wenn sich die in ihrer Einzigartigkeit sonnenden kleinen humanistisch-säkularen Organisationen zusammenschlössen und eine professionelle Mitgliederwerbung betreiben würden?
Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei paar Stiefel.
Ich bin überzeugt, wenn die 25 Millionen Konfessionsfreien überhaupt einmal wüssten, dass es eine humanistische Bewegung gibt, dann kämen auch die Mitglieder und damit die Schlagkraft, etwas durchzusetzen.
P.S.: Wie geht es übrigens dem KORSO?
Rainer Rosenzweig am Permanenter Link
Lieber Wolfgang Graff,
zum P.S.: Der KORSO hat ein internes Thesenpapier mit 80 als Fragen formulierten Positionen herausgebracht und den in ihm organisierten Verbänden zur Beantwortung zugesandt. Die Positionierung der einzelnen Verbände zu diesen Fragen ist in den Endzügen, aber noch nicht endgültig abgeschlossen. Sobald die endgültigen Positionen vorliegen, wird sie der KORSO auf seiner Homepage (die Ende des Jahres einen Relaunch plant) darstellen: http://www.korso-deutschland.de. Schauen Sie also doch ab und zu mal dort vorbei!
Der KORSO tut also zunächst mal das, was sein Name sagt: er *koordiniert* die in ihm zusammengeschlossenen unterschiedlichen säkularen Organisationen. Da er über keine hauptamtliche Geschäftsstelle und auch keine weiteren nennenswerten Ressourcen verfügt, tut der KORSO gut daran, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf Dinge zu konzentrieren, die verlässlich machbar und seriös darstellbar sind. Wichtig ist derzeit, dass der KORSO sich den Verbänden gegenüber als zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner erweist. Hierfür ist ein fundiertes und nachhaltiges Auftreten nach innen erforderlich, das nichts verspricht, was nicht gehalten werden kann und genau das aktiv unternimmt, was im Interesse aller Verbände vertreten und inhaltlich durchgehalten werden kann.
Das mag nach außen hin etwas langweilig klingen, aber die Geschichte des KORSO rät davon ab, ihn permanent mit allerlei Aktivismus-Erwartungen zu überfrachten. Wenn man möchte, dass der KORSO (vielleicht später mal) über seine Koordinierungsfunktion hinaus Aufgaben übernimmt, dann müssen die Organisationen den KORSO entsprechend beauftragen und mit den notwendigen Ressourcen ausstatten, damit die für eine kontinuierliche Arbeit erforderlichen Strukturen aufgebaut werden können. Das ist derzeit nicht in Sicht. Die Verbände fühlen sich ja in ihren Bereichen stark und sind ja im eigenen Sinne auch präsent, wenngleich man immer auch wünschen kann, dass sie noch stärker werden und noch präsenter auftreten. Dazu muss man dann aber erst einmal die Verbände stark machen - zum Beispiel indem man einem Verband im säkularen Spektrum (oder mehreren) beitritt.
Um die P.S.-Frage also (als KORSO-Vorstandsmitglied) zu beantworten: Dem KORSO geht es seiner Rolle und den Umständen entsprechend gut.