Medien

Journalisten müssen ihr "Nein" heute besser begründen als früher

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Stefan Niggemeier im Dezember 2014 in Frankfurt am Main
Stefan Niggemeier im Dezember 2014 in Frankfurt am Main

Professionelle Medien sind in ihrer Berichterstattung demokratischen und freiheitlichen Werten verpflichtet, auch wenn sie dadurch bestimmte Protagonisten oder Positionen ausschließen, findet der Journalist und Medienkritiker Stefan Niggemeier. Dabei müssten Journalisten aber immer transparent machen, warum sie sich dafür entscheiden, mögliche Gesprächspartner anders zu behandeln als andere.

Die wunderbare Freundschaft begann, als sich Nana Domena, ein schwarzer Eventmanager und Moderator, der als Kind aus Ghana nach Deutschland gekommen war, Anfang Januar eine Pegida-Demo in Köln ansah. Dort traf er den Neonazi Frank Krämer, der auf Domena zuging und sich mit ihm vor laufender Kamera unterhielt. Danach begannen sie, einander online Briefe zu schreiben und verabredeten ein gemeinsames "Projekt": Sie trafen sich in einem Wald und drehten ein Video. Darin erkundigt sich Nana Domena im Anzug bei Frank Krämer im Thor-Steinar-Kapuzenpulli nach dessen "Einschätzung und Prognose, wie das weitergeht" mit Deutschland, jetzt, wo die ganzen Migranten hierher kommen und überhaupt. "Die Zeiten werden gewalttätiger", antwortet Krämer. Er beklagt, dass in Köln – gemeint ist die Silvesternacht – die Bevölkerung "wehrlos gemacht wurde", weil Hooligans und Rocker, die sie hätten schützen können, Platzverweise bekommen hätten. Er finde durchaus, dass Hilfsbereitschaft ein guter deutscher Wert sei. Aber man sehe ja, was die Deutschen als Dank für ihre Hilfsbereitschaft bekämen: Massenvergewaltigungen. Im Grunde, so Krämer, sei die Bundesregierung "die einzige verfassungswidrige Organisation" in Deutschland und der Staat in Wahrheit ohnehin nicht souverän: "Die Befehle kommen von außen", weiß er. "Wir sollen ausgerottet werden."

Frank Krämer, der nette junge Mann, ist Gitarrist der Band Stahlgewitter. Die träumt in ihren Texten davon, SS-Männer nach Kreuzberg zu schicken: "Wir brauchen sie wieder, das ist kein Witz, die Jungs in Schwarz mit dem doppelten Blitz. (…) Keine Gnade mehr für Kreuzberg, keine Gnade, eine Division, und das war's." Aber das kommt in dem Video von Nana Domena nicht vor. Da sagt Krämer, dass er gegen Gewalt sei. Außer aus Notwehr.

Wenn der Neonazi redet, nickt der schwarze Einwanderer neben ihm oft. Nana Domena betont zwar, bevor das Gespräch beginnt, dass die folgenden Ansichten in dem Video die seines Brieffreundes seien, nicht seine eigenen. Aber das stimmt höchstens halb. Die beiden eint nämlich die Sorge darum, was aus Deutschland werden soll, wenn nun die ganzen Ausländer kommen. Domena ist auch ein besorgter Bürger.

Er sagt im Video: "Wenn ich in Ghana lebe, möchte ich auch nicht, dass eine Horde Weiße kommt und mich vertreibt." Er ist ein Traum für Neonazis wie Frank Krämer, denn einen schwarzen Einwanderer kann man nicht so leicht in die rechte Ecke stellen. Die Frage, ob man mit Neonazis reden soll, beantwortet er mit einem klaren Ja - wobei er seinen Gesprächspartner nicht einmal als solchen vorstellt. Und: Er redet nicht nur mit ihm. Vor allem lässt er ihn reden.

Das Fürchterlichste an dem gemeinsamen Video von Domena und Krämer, das in den ersten beiden Monaten mehr als 80.000 Mal angesehen wurde, ist nicht einmal Domenas Rolle als Pegidaversteher. Das Fürchterlichste ist, wie es von vielen Kommentatoren gefeiert wird als Triumph des offenen Dialogs, des unvoreingenommenen Miteinander-Redens, ohne die bösen Massenmedien.

Ungefähr in der Mitte des Gesprächs im Video zollen beide einander Respekt: Der deutsche Neonazi dem schwarzen Einwanderer dafür, dass er mit ihm redet. Und der schwarze Einwanderer dem deutschen Neonazi dafür, dass er wiederum mit ihm redet. Als sei das dieselbe Frage, nur umgekehrt: Ob man mit Neonazis reden soll (zumal als Schwarzer). Und ob man mit Schwarzen reden soll (zumal als Neonazi).

Wer treuherzig und unvorbereitet in einen "Dialog" mit Neonazis tritt, hilft ihnen

Domena und Frank haben inzwischen weitere Videos produziert und Diskussionsveranstaltungen organisiert. Sie sind eine doppelte Warnung: Erstens, wie sehr man Neonazis hilft, wenn man sich so scheinbar treuherzig, ahnungslos und unvorbereitet in einen öffentlichen "Dialog" mit ihnen begibt. Wie ihre Positionen – wenn sie geschickt vorgetragen und in einer Atmosphäre des Wir-müssen-einfach-alle-mehr-miteinander-Reden nicht hinterfragt, sondern akzeptiert werden – plötzlich geradezu naheliegend wirken. Da kommt dann Rassismus unwidersprochen als eine Form von Selbstschutz daher: "Jeder muss fit sein", sagt Krämer, Kampfsport treiben, so "dass jeder in der Lage ist, sich und seine Familie zu schützen".