Notizen aus Polen

Das KOD und Lech Wałęsa

kod01.jpg

Warschau am 27. Februar 2016
Warschau am 27. Februar 2016

kod02.jpg

Warschau am 27. Februar 2016
Warschau am 27. Februar 2016

kod03.jpg

Warschau am 27. Februar 2016
Warschau am 27. Februar 2016

kod04.jpg

Warschau am 27. Februar 2016
Warschau am 27. Februar 2016

WARSCHAU. (hpd) Schon vor einigen Wochen hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) für den 27. Februar zu einer Protestkundgebung unter dem Motto "Wir, das Volk" aufgerufen. Es sollte eine Anknüpfung an die berühmten Worte von Lech Wałęsa im U.S. Congress am 15.November 1989 "We, the People" sein. Diesmal sollte die zentrale Veranstaltung – nur in Warschau – die Stärke und Entschiedenheit des KOD im Kampf um die demokratischen Grundwerte zeigen.

Nach Warschau kamen die Vertreter der KOD-Strukturen aus ganz Polen. Es wurden auch die Vorsitzenden und Führungskräfte aller Oppositionsparteien eingeladen.

Ganz "unerwartet" sind zu diesem Zeitpunkt Akten der kommunistischen Staatssicherheit (SB) aufgetaucht, unter denen auch die Dokumentation des inoffiziellen Mitarbeiter, Deckname "Bolek", war. Dieser IM Bolek sollte angeblich Lech Wałęsa sein. Darüber haben auch die deutschen Medien umfangreich informiert.

Das Motto der Veranstaltung "Wir, das Volk" wurde sofort als Verteidigungsaktion für Lech Wałęsa verstanden. Viele Leute, die üblicherweise nicht an KOD-Demonstration teilnehmen, kamen nur deshalb. Die Plakate, Tafeln und Fotos mit Wałęsa-Worten, seinem Gesicht wurden – außer den weiß-roten polnischen und den KOD-Fahnen – zu den dominierende Utensilien des Demonstrationszuges. Laut verschiedener Einschätzungen betrug die Anzahl der Teilnehmer 100–150 Tausend Menschen. Die staatlichen Quellen sprechen von "über 15.000 Teilnehmern" und schmälern so die KOD-Proteste.

Unabhängig von der Warschauer Demonstration haben die KOD Aktivisten am Sonntag in Gdańsk die Unterstützungskundgebung für Lech Wałęsa organisiert. Es kamen ca. 25.000 Menschen. Die von der PiS gestartete, breit angelegte Verleumdungskampagne gegen Walesa erreichte die gegensätzliche Wirkung von dem, was gewollt war.

Auch viele Polen, die kritisch die Walesa-Präsidentschaft bewerteten, sind jetzt seine eifrige Verteidiger geworden. Ihnen ist egal, ob Walesa irgendeine Papiere für die kommunistische Staatssicherheit unterzeichnete, oder nicht. Die PiS-Hetze gegenüber der "Solidarność"-Legende ist für die meisten Polen unakzeptabel.

Lech Wałęsa ist tief gläubig, aber die Amtskirche schweigt. Die Ehefrau von Wałesa, Danuta, hat bei der sonntäglicher Danziger Kundgebung bittere Worte ausgesprochen: "Wir dürfen augenblicklich nicht mit der Kirche rechnen, das ist peinlich und traurig (…) Die Kirche könnte viel sagen, die Priester oder Bischöfe, die Zeuge damaligen Zeiten waren, aber die Kirche hat ihre erreicht. Wałęsa hat die Heilige Messe in Radio und Fernsehen erkämpft. Die Kirche hat (vom Staat) schon viele Dinge und jetzt auch Geld bekommen."

Die PiS hat es jedoch nicht nur mit dem KOD zu tun. Die ersten 100 Tage der Regierung Beata Szydło wurden von der Opposition sehr negativ bewertet. Von den vielen Versprechungen aus der Wahlkampagne wurde nur ein Punkt, noch dazu nur teilweise, realisiert: 500 PLN für jedes Kind. Dagegen wurden viele Veränderungen eingeführt, von denen keine Rede bei den Wahlen war: der öffentliche Rundfunk ist erobert, die unabhängige Generalstaatsanwaltschaft wird der Regierung unterstellt; verschärfte Abhörbestimmungen sind in Kraft, das Verfassungsgericht ist durch ein neues Verfahrensgesetz gelähmt, und noch viel mehr.

Auch aus dem Ausland kommen keine gute Nachrichten für die Regierenden. Nachdem die EU-Kommission ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eröffnet hatte, besuchten Warschau die Vertreter des Venezianisches Ausschusses (Europäische Kommission für Demokratie und Recht). Die Zeitung Gazeta Wyborcza hat das Ergebnis der Begutachtung der Kommission inoffiziell veröffentlicht. Die Autoren des Gutachtens schreiben, dass die Änderung des Gesetzes über Verfassungsgericht die Blockade des Tribunals verursacht, was die Grundwerte der Demokratie verletzt. Die Regierung darf nicht die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes nicht erfüllen.

Der Präsident und andere hohen Beamten haben sofort erklärt, dass der Standpunkt der Kommission grundsätzlich nicht verbindlich ist. Das stimmt, aber bisher wurde nur einmal ein Gutachten des Venezianischen Ausschusses ignoriert: und das war Putins Russland.