Martin Balluchs Plädoyer für Tierrechte

Der "kategorische Imperativ" mit Tieren

BONN. (hpd) Der österreichische Tierrechtler Martin Balluch legt mit “Der Hund und sein Philosoph” ein, so lautet der Untertitel, “Plädoyer für Autonomie und Tierrechte” auf Basis von persönlichen Erfahrungen, wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und philosophischen Reflexionen vor. Der Autor plädiert dabei für eine Erweiterung des Kantschen “kategorischen Imperativs”, womit auch Tiere als Zweck gelten würde, schießt aber mit manchen Forderungen wie denen nach “Staatsbürgerrechen” für Tiere in einer “Multi-Spezies-Gesellschaft” über das Ziel hinaus.

Hat man als Haustier einen Hund, so können damit interessante Beobachtungen über dessen Kompetenzen und Sozialverhalten einhergehen. Mitunter führen sie dazu, dass mit Kant gegen Kant argumentiert werden kann. Wie das geht, macht Martin Balluch in seinem Buch “Der Hund und sein Philosoph. Plädoyer für Autonomie und Tierrechte” deutlich.

Der Autor ist studierter Astrom und Mathematiker. Durch Erfahrungen mit Hunden wurde er ein bekannter Tierrechtler, der in seinem Heimatland Österreich im “Verein Gegen Tierfabriken” engagiert ist. Diese Aktivitäten führten auch zu einem Prozess gegen Bullach, der wegen Bildung einer angeblich kriminellen Organisation im Tierschutz angeklagt worden war. Der Freispruch machte ihn auch über Landesgrenzen hinaus bekannt. Bereits zuvor hatte er eine Dissertation zu Tierrechten verfasst. Die erwähnten Erfahrungen, die Begegnungen mit Hunden, das Engagement in der Tierrechtsbewegung und das Studium der Philosophie, prägen auch sein Buch. Es ist seinem Hund Kuksi und dem Menschenaffen Hiasl gewidmet.

Beide Tiere spielen auch eine bedeutende Rolle im Text. Zunächst beschreibt Balluch seine Erfahrungen mit dem Hund Kuksi, der von ihm aus einem Tierheim geholt wurde. Er macht darauf aufmerksam, dass es sich hier um eine eigene Persönlichkeit mit besonderem Sozialverhalten handelt. Dies macht der folgende Blick auf einschlägige Forschungsergebnisse deutlich: Entgegen auch heute noch kursierender Auffassungen sind Tiere keine gefühllosen Automaten. Vielmehr lassen sich bei ihnen Autonomie und Empathie, Leidensfähigkeit und Solidarität ausmachen. Auch die Beobachtung des Menschenaffen Hiasl belegt für den Autor diese Gemeinsamkeiten mit den Menschen. Bilanzierend heißt es bei ihm: “Zusammenfassend zeigt ein ganzes Arsenal wissenschaftlicher Erkenntnisse wie wenig Unterschied zwischen Wesen wie Hiasl und Wesen wir mir tatsächlich gemacht werden kann. Ich aber bin eine Person, Hiasl ist eine Sache” (S. 113). Damit spielt Ballach auf den rechtlichen Status von Tieren als Besitz von Menschen an.

Aufgrund dieser Deutung, welche die Menschheitsgeschichte geprägt habe, sei die Auffassung von der Rechtlosigkeit von Tieren entstanden. Auch die Denker der Aufklärung waren von dieser Haltung durchdrungen. Kant galten in seinem “kategorischen Imperativ” die Menschen als Zweck, die Tiere aber als Mittel. Begründet hatte er diese Differenzierung mit dem Hinweis auf die fehlende Autonomie und Rationalität. Da aber nach der Argumentation von Balluch durchaus ein Bewusstsein bei Tieren vorhanden sei, müssten diese nicht als lediglich Mittel, sondern ebenfalls als Zweck angesehen werden. Demnach plädiert der Autor für eine Neufassung des “kategorischen Imperativs”. Diese lautet: “Behandle alle Wesen mit Bewusstsein so, dass sie nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern immer auch als Zweck an sich respektiert werden” (S. 178). Was dies konkret für die Gestaltung des Mensch-Tier-Verhältnisses bedeutet, erörtert der Autor am Ende mit seinen Betrachtungen zu einer “Multi-Spezies-Gesellschaft” bezogen auf Tierrechte und Veganismus.

Wer nach dem ersten Kapitel eine Aneinanderreihung von persönlichen Erlebnisberichten mit einem Hund befürchtet oder erhofft hat, wird somit positiv oder negativ enttäuscht. Balluch erweitert die Blickrichtung von seinen persönlichen Erfahrungen mit zwei Tieren hin zu Forschungsergebnissen über das Sozialverhalten von Tieren und den Fragen nach einer Begründung von Rechten für Tiere. Dass er im letztgenannten Kontext mit “Kant revisited” mit dem Denken des Aufklärers gegen dessen Positionen argumentiert, gehört zu den beeindruckendsten Passagen des Buches und verdient darüber hinaus breitere Beachtung und intensivere Reflexionen. Balluch ist aber nicht der erste Philosoph, der einen solchen Ansatz zur Begründung von Tierrechten wählt. Mitunter neigt er dazu, über das Ziel hinauszuschießen. Dies machen die Ausführungen über eine “Multi-Spezies-Gesellschaft” mit der Forderung nach Zuschreibung von “Staatsbürgerrechten” deutlich. Denn ein Bewusstsein über eigene Inanspruchnahme wie Rechtsverstöße ist Tieren umgekehrt nicht möglich.

Martin Balluch, Der Hund und sein Philosoph. Plädoyer für Autonomie und Tierrechte, Wien 2014 (Promedia-Verlag), 223 S., ISBN: 978–3853713778, 17,90 Euro