"Der Müll, die Stadt und der Tod"

Fassbinders Großstadtdrama bleibt topaktuell

FRANKFURT/M. (hpd) Bunt dekoriert war der Rahmen zu Peter Mennes Lesung "Fassbinders 'Der Müll, die Stadt und der Tod' – ein Großstadtdrama". Der Kunstverein Offenbach hatte den Autor in seine Ausstellungsräume in in seine Ausstellungsräume im ersten Stock des Offenbacher Shoppingcenters KOMM eingeladen.

Menne las aus "Der Müll, die Stadt und der Skandal", dem gemeinsam mit Reiner Diederich herausgegebenen Sammelband über Fassbinders Drama "Der Müll, die Stadt und der Tod". Das literarische Original durfte nicht fehlen: Menne rezitierte aus zwei Szenen, in denen sich das Verhältnis der Hauptfigur Roma B. zu ihrem Zuhälter Franz wandelt.

Fast vierzig Zuhörer kamen am Samstagabend zu Mennes Vortrag. "So einen Andrang hatten wir schon lange nicht mehr", fasste Gerhard Lux, Pressesprecher des Kunstvereins, zusammen. Vorstandsmitglied Gisela von Slatow führte in den Abend ein und stellte den Autor, Unternehmensberater, Bürgerrechtler und Photographen Peter Menne vor.

"Warum das Buch jetzt, was macht das Drama aktuell?", wollte eine Zuhörerin wissen. Das Zusammentreffen aktueller gesellschaftlicher Verhältnisse mit einem textspezifischen Jubiläum, antwortete Menne: Einerseits seien antisemitische Sprüche leider wieder lauter zu hören. Wie Antisemitismus in kaputter Gesellschaft gedeiht: davon handelt Fassbinders Drama, das mache es wieder hochaktuell. Zum anderen jährte sich letzten Oktober zum dreißigsten Mal die Bühnenbesetzung, mit der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde die Uraufführung am Frankfurter Schauspiel verhinderten. Die Bühnenbesetzung war zugleich Initialzündung für die Jüdische Gemeinde, sich als aktives politisches Subjekt zu positionieren.

Menne stellte Fassbinders Drama mit seiner eigenwilligen Rollenverteilung kurz vor: die Handlung spielt im Rotlichtmilieu - Huren, deren Freier und ein Zuhälter bevölkern die Bühne. Kann das eine Stadt repräsentieren? Mit kurzem Ausflug in soziologische Theorien zeigte Menne auf, wie in diesem eigenwilligen Ausschnitt von Lebenswirklichkeit wesentliche Momente unserer Gesellschaft dargestellt werden: wie nämlich soziale Beziehungen auf Markt-Beziehungen reduziert werden, auf Käufliches, wo alles seinen Preis hat – aber kaum jemand genügend Geld. Unter der Konkurrenz leiden alle – statt aber das System zu kritisieren, wird ein Sündenbock gesucht. Das Muster vorurteilsvoller Verfolgung bleibt sich gleich – egal, ob es um "Gastarbeiter" oder um Juden geht.

Fassbinders Stück bietet jedoch mehr als reichlich Diskussionsstoff zum Themenkreis "Antisemitismus": auch das ungleiche Geschlechterverhältnis wird brachial dargestellt. Das Stück erschien 1976 – gegenüber damaliger Frauendiskriminierung hat sich zwar vieles gebessert. Doch bleibt Fassbinders Zerrspiegel auch heute wertvoll, um daran zu erinnern, dass Gleichberechtigung noch immer nicht voll verwirklicht ist.

Anderthalb Stunden Lesung und Diskussion vergingen wie im Flug. Anschließend lief das Gespräch in lockerer Runde vor den Bildern der "BAF - Bunte Armee Fraktion" weiter, die gerade in den Kunstvereins-Räumen ausstellt. Der Hintergrund passte bestens zum Thema.