Etwas schlicht, aber nicht unzutreffend

Kapitalismuskritik von Sahra Wagenknecht

BONN. (hpd) Die "Linken"-Politikerin Sahra Wagenknecht legt mit "Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten" eine Kritik an der ökonomischen Entwicklung vor und plädiert darin für eine Wirtschaftsordnung fern von leistungslosem Einkommen. Einerseits macht die Autorin darin zutreffend deutlich, dass der Kapitalismus keineswegs mehr der Marktwirtschaft entspricht, andererseits zeigt sich aber auch, dass hier allzu oberflächlich und populärwissenschaftlich ohne klare Alternativen argumentiert wird.

Der Kapitalismus ist durch ausgeprägte Krisenanfälligkeit mit sozialer Ungleichheit in eine Legitimationskrise geraten. Selbst der Papst meinte: "Diese Wirtschaft tötet". In Deutschland gilt als bedeutende Kapitalismuskritikerin – zumindest in den Talkshows – die "Linken"-Politikerin Sahra Wagenknecht. Die mittlerweile in Volkswirtschaft promovierte Mit-Vorsitzende der Bundestagsfraktion ihrer Partei präsentiert ihre Auffassungen auch in eigenen Büchern. Davon ist "Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten" ihr jüngstes.

Erneut nimmt die Autorin, die Honecker in einem Nachruf noch wegen zu großer Nachgiebigkeit gegenüber dem Westen kritisiert hatte, eine erstaunliche Position ein: Die Einwände gegen den bestehen Kapitalismus erfolgen im Namen einer sozialen Marktwirtschaft. Dafür können indessen gute Gründe angeführt werden, denn das Freiheits- und Leistungsprinzip prägt die Ökonomie in der Tat nicht. Eine damit einhergehende gesellschaftliche "Lebenslüge" gilt es immer zu kritisieren.

In ihrem Buch stellt Wagenknecht die Frage: "Brauchen wir den Kapitalismus heute noch, um in Zukunft besser zu leben? Oder ist es nicht genau diese Form des Wirtschaftens, die uns daran hindert?“ (S. 19). Anlass zu einschlägigen Reflexionen geben die Kontinuität der Stagnation und die Präsenz von Ungleichheiten. Angesichts dessen liege in der "veränderten Gestaltung des wirtschaftlichen Eigentums" der "Schlüssel zu einer neuen Perspektive" (S. 23).

Angesichts von Entdemokratisierungstendenzen und Krisenphänomen heißt es: "Dann müssen wir unsere Demokratie und die Marktwirtschaft vor dem Kapitalismus retten und die Gestaltung einer neuen Wirtschaftsordnung in Angriff nehmen“ (S. 28). Warum dies so sei, soll in den ersten Kapiteln begründet werden: Es geht dort um die Frage der Gier in der Ökonomie und den Niedergang der Innovationen in der Wirtschaft. Der soziale Aufstieg sei kaum noch möglich, dominierten doch leistungslose Spitzeneinkommen. Millionenschwere Einkommen entstünden "unabhängig von Arbeit und Anstrengung“ (S. 57).

Es könne auch nicht mehr von einer freien, sondern nur noch von geschlossen Märkten die Rede sein. Daher differenziert die Autorin auch: Kapitalismus und Marktwirtschaft sind nicht identisch. Die erstgenannte Form von Ökonomie unterschiede sich von anderen dadurch, "dass in ihm nicht allein mit Kapital reproduziert wird, sondern um des Kapitals willen, dass in ihm also die Erträge auf das eingesetzte Kapital das eigentliche Ziel der Produktion sind" (S. 129f.).

In ihm gäbe es dann auch angesichts der Oligarchien gar keinen echten Wettbewerb mehr. Doch was kann die Alternative sein? Dazu äußert sich Wagenknecht erst später. Einerseits ist dabei die Rede von Gemeinwohlbanken, wobei an die Erfahrungen auf Island angeknüpft werden soll. Dann geht es um innovatives und unabhängiges Wirtschaftseigentum. Dieses bildet für die Autorin die Basis eines "Modells einer modernen Wirtschaftungsordnung ... in der Eigentum tatsächlich nur noch durch eigene Arbeit entstehen kann und in der ... leistungslose Einkommen der Vergangenheit angehören" (S. 286).

Das Urteil über Wagenknechts Buch fällt ambivalent aus: Einerseits macht sie zutreffend deutlich, dass dem Kapitalismus die gepriesenen Eigenschaften der Marktwirtschaft in der Realität abhanden gekommen sind. Damit entfällt auch die Legitimation für eine solche Wirtschaftsstruktur. Die Alternative dazu kann und muss keine staatliche Planwirtschaft sein. Die Autorin sieht die innovativen Potentiale der Marktwirtschaft, die sich aber durch die konkrete Entwicklung des Kapitalismus gar nicht entfalten können. Eine solche Perspektive spricht für eine realistische Sicht, welche mit den früheren Auffassungen der bekanntesten Repräsentantin der "Kommunistischen Plattform" ihrer Partei schon längst nicht mehr konform gehen. Andererseits wirkt das Buch über weite Strecken wie ein eher populärwissenschaftliches Sachbuch. Mit dem inflationären Gebrauch von Formulierungen wie "Räuberbarone" oder "Schurkenwirtschaft" wird weniger analysiert und mehr moralisiert. Außerdem bleiben die Alternativen inhaltlich und strategisch mehr als nur diffus. Schade!

Sahra Wagenknecht, Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten, Frankfurt/M 2016 (Campus-Verlag), 292 S., 19,95 Euro