Abgeordnete sollten gegen das neue Gesetz zum Verbot des assistierten Suizids klagen

Regelung zur Sterbehilfe: Anmaßend, bevormundend, töricht

BERLIN. (hpd) In einem dringenden Appell fordern zwei Politiker von B90/Die Grünen die Bundestagsabgeordneten, die gegen den jetzt beschlossenen Gesetzentwurf gestimmt haben, dazu auf, mit einer "abstrakten Normenkontrolle" beim Bundesverfassungsgericht gegen das neue Gesetz vorzugehen.

Wir missbilligen im Zusammenhang mit dem Bundestagsbeschluss zur Kriminalisierung der Sterbehilfe außerordentlich, dass im Vorfeld der Bundestagsabstimmung trotz der "Freigabe" der Abstimmung durch eine gemeinsame Initiative der drei Fraktionsvorsitzenden Kauder (CDU/CSU), Oppermann (SPD) und Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) die Abgeordneten unter Druck gesetzt wurden.

Wir haben federführend in der Grünen Partei durch Anträge auf einem Bundesparteitag und einem kleinen Parteitag eine innerparteiliche Diskussion angestoßen. Mit dem Argument, die Gewissensfreiheit der Abgeordneten respektieren zu müssen, wurde eine Abstimmung der Parteibasis verhindert. Es befremdet sehr, wenn nun doch auf grüne Abgeordnete Druck von oben ausgeübt wurde, während die Mitglieder zum Schweigen veranlasst wurden. Dieses Vorgehen muss innerhalb Bündnis 90/Die Grünen debattiert werden mit dem Ziel, dass sich künftig derartiges nicht mehr wiederholen kann.

Die Entscheidung für eine Kriminalisierung von Sterbehilfe steht in eklatantem Widerspruch zum Willen eines großen Teils der Bevölkerung, der sich entschieden dagegen wehrt, in einer höchstpersönlichen Angelegenheit gegängelt, bevormundet und sogar kriminalisiert zu werden. Es ist Falschmünzerei, wenn die Betreiber des Gesetzes behaupten, es ginge ihnen nur um die Bekämpfung von Sterbehilfevereinen.

Die Beihilfe zum Suizid wird in Zukunft von Polizei und Justiz verfolgt, wenn sie geschäftsmäßig betrieben wird, das heißt, wenn die Handlung auf Wiederholung angelegt ist. Was "geschäftsmäßig" und "auf Wiederholung angelegt" bedeuten soll, ist begrifflich völlig unbestimmt. Diese beiden Begriffe sind so unbestimmt, dass sie für eine Norm des Strafrechts untauglich sind.

Was künftig droht: Zur Strafermittlung werden auch Ärzte und Krankenhäuser, und sogar Angehörige und Patienten in die Verfahren einbezogen. Allein die Durchsuchung der Praxis kann für den Arzt den Ruin bedeuten, unabhängig davon, ob eine Verurteilung erfolgt oder nicht. Ärztinnen und Ärzte werden verfolgt, wenn sie ihre unverzichtbare und allgemein akzeptierte Sterbehilfe mehrfach leisten. Denn dann ist deren Handeln mit Sicherheit auf "Wiederholung" angelegt und die Falle der Lebenserzwinger schnappt zu. Auf diese Weise dürfte auch mancher Hausarzt demnächst von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen betroffen sein, wenn er sich um seine Patienten in deren Sinne kümmert.

Hätte sich doch der Bundestag an die Losung des Philosophen Montesquieu gehalten: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen." Stattdessen hat er eine ideologisch begründete Scharlatanerie verabschiedet, die überflüssig, aber zugleich geeignet ist, großen Schaden anzurichten. Wir dürfen nicht warten, bis in jedem Einzelfall die unteren Gerichte entscheiden. Nur das Bundesverfassungsgericht kann das Gesetz verbindlich für die gesamte Justiz auslegen.

Wir fordern daher diejenigen Abgeordneten des Bundestages auf, die gegen den jetzt beschlossenen Gesetzentwurf gestimmt haben, mit einer "abstrakten Normenkontrolle" beim Bundesverfassungsgericht gegen das neue Gesetz vorzugehen. Die Anzahl der das Gesetz ablehnenden Abgeordneten übersteigt das für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens notwendige Quorum von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) bei weitem.

Diesen konsequenten Schritt ist die Minderheit des Bundestages den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

Walter Otte, Jürgen Roth

Walter Otte und Jürgen Roth sind Mitglieder der Kommission "Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat" beim Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen und waren federführende Antragsteller des Parteitagsantrags "Selbstbestimmung bis zum Lebensende – Keine Kriminalisierung von Sterbehilfe".