Muslime wollen Atheisten missionieren

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Diskussionen nahe dem Kongresszentrum / Foto: Arik Platzek

OSLO. (hpd) Von manchen Erscheinungen am Rande bleibt auch ein Kongress von Menschen nicht verschont, die in besonderem Maße die Rationalität und naturalistische Perspektive für sich in Anspruch nehmen. Vor dem Eingang zum Kongresszentrum in Oslo bemühte sich Anhänger des Korans, den Verteidigern von säkularen und kritischen Geisteshaltungen ihre ganz eigenen Wahrheiten nahezubringen.

Der Stand der Muslime war lange geplant, berichteten Einheimische über das in unmittelbarer Nähe zum Kongresszentrum platzierte Zelt, unter dem sich Einladungen in ein Paradies und dem rechten Weg nach dem Willen des einzig wahren Gottes auf Tischen stapelten. Eine Handvoll Jugendlicher bot an, über ihren Glauben mit den „Infidels“ endlich mal in das Gespräch zu kommen. Nicht wenige Kongressteilnehmer nutzten auch die Gelegenheit, sich im interreligiösen Dialog zu üben und ordentlich Islam-Propaganda einzusacken.

Das Angebot war nicht neu, aber doch reichlich aufgefahren. Dicke Stapel an Flyern, Einführungen in des mysteriösen Mohammeds Leben und Lehren in Buchform, DVDs mit Lektüren und Liedern. Auch an möglicherweise vorbeistreunende Jesus-Gläubige wurde gedacht, weshalb eine der durchweg kostenlosen Publikationen auch über Maria und Josefs bedeutender Rolle in der Weltgeschichte aus islamischer Sicht aufzuklären versuchte.

Einzelne, durchschnittlich bärtige WHC-Kongressteilnehmer verwendeten ihre Mittagspause offenbar im Ergebnis ihrer vernunftbasierten Erwägungen darauf, mit den überdurchschnittlich bärtigen Mohammed-Fans ins ausführliche Gespräch zu kommen. Aufklären konnte man sich dabei unter anderem über die Tatsache, dass unter Begriffen wie „Religion“ oder „Islam“ so allerhand zu verstehen sei – vielleicht sogar so viel, dass man auf die Verwendung der Begriffe am besten völlig verzichten sollte. Den Begriff Religion, so stellten die Freunde des Tauhid jedenfalls klar, gebe es in ihrer Sprache überhaupt nicht. Von daher lohne es nicht, überhaupt von Religion zu sprechen.

Begriffe wie „spirituelle“ oder „immanente Energie“ existieren offenbar hingegen sehr wohl, weshalb es auch einen beliebten Aufhänger darstellte, um die zahllosen Einwände der skeptischen Ungläubigen auf ein nützlicheres „Was-wäre-wenn“ zu lenken zu versuchen und das „wir wüssten da was“ in aller Eloquenz nachzusetzen. Erfolg hatten sie damit noch am ehesten bei den hellhäutigeren Jugendlichen, die mit Jesus-Jubel-Shirts nach kurzer Zeit ebenfalls zur Stelle waren und die Gruppe der Nicht-Rechtgläubigen komplettierten.

Die Freitagsfischesser rangieren in Norwegen zahlenmäßig zwar ziemlich weit oben, argumentativ und rhetorisch jedoch ganz unten. So schnell wie sie gekommen waren, verließen sie auch wieder die illustre Runde. Dialog? Fehlanzeige.

So richtig vorwärts kam die Debatte aber trotzdem nicht. Was offenbar erwartet worden war, denn zum Ende der Pause verblieben die Teilnehmer zwar ohne den vermutlich angestrebten Erfolg, aber freundlich. Eine leise gemurmelte Schahāda war jedenfalls nirgends zu beobachten gewesen. Allah hatte seinen Kindern offenbar keinen Überraschungserfolg gegönnt. Denn auch kein Korangläubiger fiel nach einstündigem Gespräch vom Kindheitsglauben ab.

So richtig tolle Stimmung kam schließlich nur einmal auf. Denn auch David Silverman, Präsident der American Atheists, mischte sich bald in die Runde. Zunächst dann nur der übliche Diskurs. Als der gebürtige Jude Silverman sich dann aber als solcher zu erkennen gab, war auch für die Islamisierer vor dem Kongresszentrum in Oslo der Tag offenbar kein ganz großer Misserfolg. Die Anwesenheit des populären und in den Vereinigten Staaten als aggressivem Atheisten verschrienen Juden Silverman führte zu großer Begeisterung unterm Zelt, Gruppenfotos und einem Komplettprogramm Shakehands der für den Hirtenglauben engagierten Jugendlichen. Mancher Humanist guckte da neidisch. Kurz hätte man sogar glauben können, hier ist ein Prophet zurückgekehrt. Und so ganz falsch war das ja auch nicht.

Arik Platzek (aus Oslo)