„Wer weiß, wohin?“ – im März ins Kino

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Filmplakat (Ausschnitt)

BERLIN. (hpd) Abseits roter Teppiche der großen Berlinale-Kinos wurde dem Vorstand des Evolutionären Humanisten Berlin – Brandenburg e.V. vor einigen Tagen eine Vorschau auf den neuen Film der libanesischen Regisseurin Nadine Labaki gewährt, und es wird am 21. März in Berlin eine Preview geben.

Vorweg sei verraten, wer Labakis vielbeachtetes 2007er Kinodebüt „CARAMEL“ mit seinen liebenswerten und alltäglichen Charakteren mochte, wird auch am neuen Film „Wer weiß, wohin?“ seine Freude finden.

Vom deutschen TOBIS Verleih als „unwiderstehliche Komödie“ angekündigt, wird insbesondere dem Cineasten ein emotionales „Plädoyer gegen religiösen Fanatismus, Chauvinismus und Gewalt“ geboten, das nicht nur vom realistischen Script, sondern ebenso von den guten Darstellern lebt, die sympathisch bis schrullig ihre Figuren ausfüllen.

War in „CARAMEL“ die quirlige Großstadt Beirut Schauplatz der Geschichte, verlegt Labaki die Konflikte der Religionen nun in ein kleines „staubiges Kaff“ irgendwo in einer  trostlosen Wüstenbrache. Zu aller Tristesse wird diese menschliche Enklave von Minen aus vergangenen Konflikten abgeschottet, so dass der Gedanke an eine berühmte gallische Dorfsituation einfach aufblitzen muss. Die einzig sichere Verbindung zur Außenwelt führt zwangsläufig dann nur noch bis zum örtlichen Friedhof. Und dieser hat ganz „natürlich“ zwei Abteilungen - eine christliche und eine muslimische -, damit der Allmächtige nicht zu lange nach den in seinem Namen geschlachteten Schäfchen suchen muss.

Was jetzt noch fehlt, ist eine Selbstverständlichkeit und kein Konstrukt. Bei gefühlten zwanzig Dorfbewohnern ist diese ein Imam und ein Priester samt improvisierter Devotionalien in Moschee und Kirche. 

Dieses Szenario schreit nach Komödie als letzten Ausweg aus der vererbten Misere. Und so prallt, unterhaltsam gestaltet, weibliche Verdrängungslogik auf Testosteron gesteuerte Klischees und undurchdringliche Traditionsmuster bei beiden Geschlechtern.

Die Protagonistin des Films, die Gaststättenbesitzerin Amale, glänzt nicht allein mit gutem Aussehen sondern v.a. mit schauspielerischem Können. Und wird ganz nebenbei bemerkt von Nadine Labaki höchstpersönlich gespielt. Wie sie mit einem Wutausbruch den permanenten Wahnsinn des dörflichen Alltags unterbricht, ist beeindruckend. Spätestens hier wird der Zuschauer aber auch auf den Boden der sinnleeren religiösen Tatsachen zurückgeholt und die Komödie zeigt ihre tragische Seite. Tief berührend der im Interesse des Dorffriedens fast krankhaft anmutende Versuch einer Mutter, den „zufällig“ erschossenen eigenen Sohn vor der Gemeinschaft zu verbergen.  Zum Glück bleibt dies der einzig sichtbare Tote im Film und die Drehbuchautoren schaffen es hervorragend, den unterhaltsamen Charakter des Streifens bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.

Die Liebe zum eigenen Land und der dortigen Kultur wird mit folkloristischen Gesangseinlagen unterstützt, die aber nicht als Störung des Gesamtbildes empfunden werden.

Es mag sein, dass nicht jeder den letztendlich ökumenischen Lösungsansatz für die offensichtlichen Probleme für sich akzeptieren kann. Dieser greift langfristig gesehen auch viel zu kurz und ist, wie könnte es anders sein, unrealistisch. Ebenso zuckt der säkulare Europäer unwillkürlich zusammen, wenn ganz nebenbei, aber mit scheinbar „normaler“ diskriminierender Überzeugung, transportiert wird: „Willst du ein Ungläubiger werden?“. Diese kleinen Schönheitsfehler trüben jedoch nicht wirklich die unterhaltsam daherkommende Absicht des Films, auf die religiösen Missstände hinzuweisen und könnten durchaus auf Übersetzungsfehler zurückzuführen sein. Bei der persönlichen Bewertung kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass das Produkt nicht nur areligiösen Europäern, sondern ebenso dem breiten Publikum im arabischen Raum zugänglich gemacht werden soll.

Wer einen „Religulous“ erwartet, wird also nicht fündig. Für denjenigen allerdings, der einen kömödienhaft gestalteten Einblick in die arabische Gedankenwelt haben möchte, ein klarer Filmtipp, der durchaus das Zeug hat, zum Publikumsliebling des Frühjahrs 2012 avancieren zu können.   

Die vier Zuschauer bei TOBIS – Film waren jedenfalls sämtlich berührt, fühlten sich gut unterhalten und hatten sogar Verlangen nach anschließender Diskussion. Und dies unter ungewohnten Bedingungen ohne Pop-Corn-Container, Cola–Pipeline sowie Abwesenheit transpirierender Nachbarn.

Wer sich ein eigenes Urteil bilden möchte, der bekommt noch vor dem offiziellen Kinostart nun die Gelegenheit dazu. Berliner und Berlin-Touristen sollten sich den 21. März notieren. Zusammen mit TOBIS Film organisiert der ehbb e.V. eine weitere Preview.

21. März, Hackesche Höfe Kino, 20:00 Uhr

Als Ort für den größeren Rahmen ist ab 20:00 Uhr das Hackesche Höfe Kino gewonnen worden. Und wem dies immer noch nicht Anreiz genug ist, dem sei der Hinweis auf die anschließend geplante Podiumsdiskussion gegeben. Die Teilnehmer stehen zwar noch nicht sämtlich fest, aber es besteht die Möglichkeit, dass es als besondere Zugabe  ein Zusammentreffen mit der Regisseurin Nadine Labaki sowie dem Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung Hamed Abdel-Samad geben könnte. Und sollte noch ein Religionsvertreter gefunden werden, könnte die Komödie sogar noch zum Krimi werden.

Hellge Haufe