„Isch geh Schulhof“

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Fotos: Jörg Salomon

OBERWESEL. (hpd) Der Erstling „Isch geh Schulhof“ von gbs-Pressereferent Philipp Möller konnte innerhalb kürzester Zeit einen großen Erfolg erzielen. Mittlerweile ist es auf Platz 2 der Spiegel-Bestsellerliste angekommen. Das Buch scheint also den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Einige Passagen hat er nun am Stiftungssitz der Giordano-Bruno-Stiftung vorgestellt, wo zahlreiche Zuhörer Interesse an den Erlebnissen des jungen Autors zeigten.

Die Eindrücke aus Möllers Laufbahn als Grundschullehrer werden darin humorvoll und einfühlsam geschildert, ohne die ernsten, mitunter tragischen, Seiten des Bildungssystems aus dem kritischen Auge zu verlieren.

Philipp Möller studierte zunächst Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Freien Universität Berlin. Nach seiner Tätigkeit an einer Schule als Assistent der Schulleitung und Einsätzen in der Hausaufgabenbetreuung wagte er den Quereinstieg als Lehrer und unterrichtete zwei Jahre lang an Berliner Grundschulen. „Von den vernichtenden Urteilen verschiedener Studien über deutsche Bildungseinrichtungen habe ich zwar gelesen, doch nun stehe ich kurz davor, die Gesichter hinter diesen trockenen Fakten live und in Farbe kennenzulernen“, beschreibt der Autor seine Situation unmittelbar vor Beginn seiner Lehrerkarriere. Zwar war er in Berlin schon zuvor mit verschiedenen Milieus konfrontiert und durch die vorherigen Jobs mit Schülern in Kontakt getreten. Als Lehrer vor einer ganzen Klasse zu stehen und diese zu unterrichten, war jedoch mit größeren Herausforderungen verbunden.

Eine dieser Herausforderungen war etwa die sprachliche Unfähigkeit vieler Schüler. Möller stellte seinen Zuhörern hierzu einige typische Sprachkonventionen vor. So kam aus den Mündern vieler Schüler statt „ich weiß“ häufig „sch'weiß“ und statt „ich heiße“ folgerichtig „sch'eiße“. Selbst die korrekte Aussprache des Namens „Möller“ schien für viele der Kinder der vierten Klasse eine echte Hürde zu sein.

Die ersten Unterrichtsstunden stellten sich als Praxisschock heraus, in denen nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten, die mathematischen Kenntnisse und das soziale Verhalten der Kinder starke Mängel aufwiesen, sondern in denen auch so manche Situation eskalierte. Ein Kind musste nach Beschimpfungen und Provokationen gegenüber Philipp Möller etwa davon abgehalten werden Mitschüler zu prügeln. Von einem anderen Schüler mit ADHS-Diagnose wurde er während des Sportunterrichts sogar selbst angegriffen.

Nach diesem Sprung ins kalte Wasser der Bildungssituation an Berliner Schulen wurden Philipp Möller zunehmend neue Aufgaben zugeteilt. So durfte er sich im Verlauf seiner Lehrerkarriere im Unterrichten von Mathe, Musik, Sport, Deutsch und Englisch behaupten. Auch ein Ausflug mit einer sechsten Klasse, bei dem homophobe Einstellungen der Schüler ans Tageslicht traten, stellten die pädagogischen Aufklärungsfähigkeiten Möllers auf die Probe.

Im Kontakt mit den Kindern wurde er routinierter und entwickelte abseits von Verurteilungen und Zynismus mehr Gelassenheit. Der erste Eindruck, den der Lehrer bei den Schülern hinterlässt, sei für einen funktionierenden Umgang entscheidend. In seinem Fall sei ein strenges Auftreten erforderlich gewesen. Grundsätzlich seien Strenge, Sympathie und Fachkompetenz Eigenschaften, die einen guten Lehrer auszeichneten.

Während der Lesung kommentierte der Autor das zuvor Vorgelesene. So übte er Kritik an der antiquierten Anthropologie des Menschen als unbeschriebenes Blatt und setzte ein Plädoyer für eine zeitgemäße Pädagogik. Im Buch finden sich dazu neben den narrativen Teilen auch fachliche Reflexionen, die vor allem im Nachwort zusammengefasst werden. Bei der Lesung in Oberwesel wurde jedenfalls klar, dass es sich bei Philipp Möllers Buch nicht nur um einen reinen Erfahrungsbericht handelt, sondern ein wichtiger Ansatz einer humanistischen Kritik des Bildungssystems dahinter steht. So erklärte Möller beispielsweise, dass sich die vielen Probleme nicht aus der nationalen, sondern der sozialen Herkunft eines Menschen ergeben. Er warnte in diesem Zusammenhang davor, dass die momentane Bildungskatastrophe zur Sozialkatastrophe werden könnte, in der milieubedingte Vorurteile zementiert statt aufgebrochen werden und Schulen zu „Hartz-IV-Fabriken“ verkommen.

Nach der Lesung hatten die Zuhörer die Möglichkeit, Fragen an den Autor zu stellen. Der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung wies im Anschluss darauf hin, dass man sich des Themas Bildung im nächsten Jahr besonders widmen wolle.
 

Florian Chefai

Philipp Möller - Isch geh Schulhof: Unerhörtes aus dem Alltag eines Grundschullehrers - Bastei Lübbe 2012, ISBN: 3404606965, 8,99 Euro (eBook: 6,99 Euro)