Runder Tisch zieht Bilanz

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Johannes-Wilhelm Rörig (Foto: F. Nicolai)

BERLIN. (hpd) Der Runde Tisch gegen Kindesmissbrauch zieht heute Bilanz. Es wird aus Sicht der Opfer jedoch eher eine bittere werden. Denn kaum eines der Versprechen wurde bisher gehalten. Und kaum eine der Zusagen.

Als Anfang Dezember des letzten Jahres der "Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs von Kindern", Johannes-Wilhelm Rörig, bei einer Pressekonferenz erklärte, dass für Missbrauchsopfer im letzten Jahr definitiv zu wenig erreicht worden ist, verströmte er noch ein wenig Optimismus. Schon zu dieser Zeit sollte das Bilanztreffen des Runden Tisches stattfinden. Allerdings wurde das Treffen kurzfristig abgesagt.

Dieses Treffen findet heute statt. Die Berichterstattung im Vorfeld ist eher negativ; der Bundesregierung wird ein grundlegendes Versagen vorgeworfen. So schreibt der Focus, dass "von den 2011 versprochenen Hilfen bis heute bei den Opfern nicht viel angekommen" sei. Als Ursachen benennt der Artikel das Kompetenzgerangel zwischen den beteiligten Ministerien. Vor allem zwischen dem Justizministerium und dem Ministerium für Arbeit und Soziales werde keine Einigung gefunden. Das gehe zu Lasten der Opfer.

Zudem gibt es statt einer großangelegten Aufklärungs- und Vorbeugungskampagne derer zwei: eine wird aus Halthaltsresten finanziert, die andere aus Mitteln der Familienministerin. Abgesprochen miteinander sind sie nicht.

Dabei haben damals auch Familienministerin Kristina Schröder, die damalige Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine schnelle und unbürokratische Hilfe für die Opfer gefordert. Aus den Forderungen wurden Versprechungen. Aus den Versprechungen: wenig bis nichts. Die Leidtragenden sind dabei weiterhin die Opfer. So zitiert die TAZ den Beauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, mit den Worten: "Bei den Opfern ist von den Bemühungen der Bundesregierung bisher nichts angekommen."

Was also soll und wird der Runde Tisch heute bilanzieren? Den Opfern fehlt die Lobby, der Regierung ein Handlungsleitfaden und - so hat es den Anschein - auch der Wille, zu helfen.

Noch immer schmort ein von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Scharrenberger (FDP) vorgelegter Gesetzentwurf für einen verbesserten Opferschutz im Justizausschuss des Deutschen Bundestages - seit nunmehr 20 Monaten. Und noch immer ist im Streit zwischen Bund und Ländern und um die Finanzierung eines 100-Millionen-Euro-Hilfsfonds für die Opfer sexuellen Missbrauchs keine Einigung erreicht. "Bisher haben erst zwei Bundesländer ihre Bereitschaft zur Mitfinanzierung erklärt" schreibt RP-Online. Dabei handelt es sich um Bayern und um Mecklenburg-Vorpommern.

Die anderen Länder verweigern die Zahlungen mit dem Hinweis, dass es nicht genügend ausgebildete Therapeuthen gäbe. Der Jugendpsychiater Jörg Fegert meint dazu: es fehle an "Leuten, die Ahnung mit Traumatherapie haben, die mit der Thematik umgehen können... Hier haben wir auch noch großen Nachholbedarf."

Es hat den Anschein, als gäbe es nicht nur in dieser Hinsicht großen Nachhilfebedarf. Denn egal, was der Runde Tisch heute bei seinem Bilanztreffen beraten und berichten wird: es wird kein Ruhmesblatt für unsere Demokratie sein. Es wird vor allem kein Ruhmesblatt im Umgang mit den Opfern sein.

F.N.