Aufklärung in der "Bergischen Schweiz"

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Fotos: Marc Ahrens und Frank Meyer

KÖLN. (hpd) Am letzten Aprilwochenende dieses Jahres veranstaltete die Regionalgruppe Köln der Giordano-Bruno-Stiftung ihr inzwischen fünftes Wochenendseminar.

 

Bekanntlich ist in Köln etwas, was zum zweiten Mal stattfindet, bereits Tradition und beim dritten Mal ist es schon Brauchtum. So gesehen handelte es sich bei diesem fünften Wochenendseminar also um ein Ereignis von historischer Bedeutung. Historisch waren für die durchweg skeptischen Teilnehmer aber vermutlich eher die Inhalte der Referate, die in summa einen großen Bogen spannten: von etwa dem Beginn unserer Zeitrechnung bis zur Jetztzeit.

Dennoch konnte man auch der Veranstaltung als solcher das Attribut eines außergewöhnlichen, “historischen” Ereignisses, gemessen an den vorangegangenen Seminaren, zusprechen. Denn immerhin hatte sich die Zahl der Teilnehmer von bis dato rund zwanzig pro Veranstaltung auf über sechzig glatt verdreifacht.

Zwar trug die langsam, aber dennoch kontinuierlich, steigende Zahl der Interessenten an der Arbeit der gbs-Regionalgruppen, sowie die zunehmend bessere Vernetzung Letzterer, sicherlich mit dazu bei, denn auch aus Düsseldorf und Bochum kommend zog es “Ungläubige” ins Bergische Land. Aber als “Hauptursache” ist wohl die Prominenz der Referenten zu benennen. Dass wir solch ausgesuchten Referaten lauschen durften war allerdings ebenfalls wieder einem “historischen” Ereignis geschuldet: So gab es just an diesem Wochenende auch einen siebzigsten Geburtstag zu feiern (der überaus spendable Jubilar möge mir das “historisch” in diesem Zusammenhang nachsehen?!), zu dessen Ehren allein mancher Referent den Weg zum ebenfalls historisch anmutenden, musealen (“retro-angesagten”) Tagungsort “Bergische Schweiz” gesucht und gefunden hatte.

Die Begeisterung war allseits riesig. Herrliches Frühlingswetter, Blick in die Weite des Bergischen Lands und von Herbert Steffen (GBS) mitgebrachter und extra für den Anlass abgefüllter Sekt mit dem Konterfei des Jubilars, von dem jeder mindestens eine Flasche mit nach Hause nehmen konnte, machten die zwei gemeinsam verbrachten Tage zusätzlich zu einem Highlight.

Spannende Vorträge

Rolf Bergmeier eröffnete den Reigen der Vorträge: “Christlich-abendländische Kultur? Eine Legende!” lautete bei ihm der Titel. Dabei legte er den Schwerpunkt auf sein neuestes Buch gleichen Namens, dem letzten Teil einer Trilogie; er ließ jedoch auch die Inhalte der beiden vorangehenden Bücher zu Kaiser Konstantin und “Schatten über Europa” mit einfließen, um einen Gesamtüberblick zu bieten.

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Zu Beginn wurde anhand von Zitaten deutscher Politiker demonstriert, wie erschreckend wenig Wissen über die wahren Grundlagen unserer Kultur und Werte, für deren Bildung der Beitrag des Christentums lediglich gering war und ist, bei diesen vorherrscht: auch die deutschen Politiker haben das deutsche Schulsystem durchlaufen, welches weitgehend unreflektiert vermittelt, dass Demokratie, Menschenrechte etc. dem Christentum zu verdanken seien.

Warum sollten gerade Politiker sich für die Wahrheit interessieren, zumal man heutzutage ja sogar in der SPD nur noch Karriere macht, wenn man sich religionsverbunden zeigt? (Andrea Nahles: “Mein Idol ist Jesus, in der SPD habe ich mich in der Gefolgschaft von Jesus Christus wiedergefunden.”) Bergmeiers Beschreibung, wie ausbeuterisch und grausam die mittelalterliche Klosterkultur bei Lichte besehen war, verblüffte: Sogar die Regel der Benediktiner “Ora et labora” betraf in Bezug auf Letzteres in der Praxis nicht die Mönche, die viel zu sehr mit einem eng gesetzten Tagesablauf, der sich fast lediglich aufs Beten für ihr persönliches Heil beschränkte, ausgefüllt war. Die damaligen Zustände kann man nicht treffender als mit der Bezeichnung Sklaverei für alle diejenigen, die für den Reichtum und den Betrieb der Klöster zu sorgen hatten, benennen.

Zu Recht wird die griechisch-römische Kultur dafür kritisiert, auf Ausbeuterei und Sklaverei basiert zu haben. Die Sklaven dieser Epoche wurden jedoch nicht noch zusätzlich mit der Drohung gequält, ewig in der Hölle brennen zu müssen, wenn sie sich dem System widersetzten; und Griechen und Römer schufen per Ausbeutung eine faszinierende Hochkultur, das Christentum blieb dahinter weit zurück und zerstörte vorgefundene Errungenschaften.

Im folgenden Vortrag von Stephan Wallaschkowski, Mitglied der gbs Köln, mit dem Titel “Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalis­mus” arbeitete dieser anhand des legendären gleichnamigen Buches von Max Weber heraus, dass die Vorstellung, Geldvermehrung sei höchstrangiger Lebenszweck und -inhalt, wie man es eher als typisch amerikanische Sichtweise kennt, als dass man es in Mitteleuropa vertreten würde, wohl auf die protestantische Ethik, insbesondere den Calvinismus, zurückzuführen ist.

Nach der calvinistischen Ideologie setzt Gott bei jedem Menschen schon vor dessen Geburt fest, ob er in den Himmel oder die Hölle kommen wird. Demnach kann ein Mensch, egal wie viele gute oder schlechte Werke er vollbringt, nichts mehr an seinem Schicksal im Jenseits ändern. Man sollte meinen, dass diese Lehre abwartende Lethargie zur Folge hätte, aber weit gefehlt: Weil jeder Gläubige sich selbst und allen anderen beweisen will, dass er zu den Auserwählten gehört, wird er sehr aktiv.

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Calvinisten sehen jedoch leider allein im wirtschaftlichen Erfolg das Zeichen Gottes für ein Jenseits im Himmel. Wer also Pech an der Börse hat, hat nicht nur weltlich unter dem Verlust zu leiden, sondern leidet zusätzlich noch viel größere Qualen, da er fürchtet, für die Hölle bestimmt zu sein. Darüber hinaus darf Reichtum aber gemäß der calvinistischen Lehre nicht dazu verwandt werden um sich ein angenehmes Leben zu verschaffen, denn nur der asketische Lebenswandel ist gottgefällig: Gewinn muss gleich wieder reinvestiert werden für noch größeren Gewinn.

Anschließend referierte Reinhold Schlotz, Mitglied der “gbs Rhein-Neckar” über “Kirchen im Dritten Reich”, wobei er den Schwerpunkt bei der Katholischen Kirche setzte, am Ende aber feststellte, dass die Vertreter der Protestantischen Kirchen die besseren Nazis gewesen waren. Für die meisten von ihnen war “Hitlers Befehl Gottes Befehl”.

Die Mittäterschaft des Papsttums bei der Machtergreifung Hitlers wird nach wie vor in den Mainstream-Medien und Schulbüchern totgeschwiegen. Die Kirchen haben es, obwohl die Fakten so erdrückend sind und die Belege jeder Zeit öffentlich zugänglich sind, in bewundernswerter Weise geschafft, nach wie vor fast nur als Opfer oder im Widerstand wahrgenommen zu werden.

Die wenigen wirklichen Widerständler, die aus den Reihen der Kirchen gekommen und von diesen gnadenlos im Stich gelassen worden waren, werden dabei stets als repräsentativ hingestellt und wahrgenommen. Wobei nicht einmal jeder derer wirklich in Gänze die nationalsozialistische Ideologie ablehnte, wie Kardinal Graf von Galen, der lediglich die Euthanasie anprangerte, die sonstigen Inhalte aber offensiv begrüßte.

Allein die Tatsache aber, dass von Galen so großen und einschneidenden Erfolg hatte mit seinem Protest, zeigt, dass allgemeiner Widerstand der Kirchen möglich und sicher sehr erfolgreich gewesen wäre.

Die Gemeinsamkeiten zwischen der Nationalsozialismus und Katholizismus waren jedoch dafür zu groß…

Die Kirchen nannten ihren Judenhass Antijudaismus und sind der Meinung, dass dies etwas Besseres sei als der schnöde weltliche Antisemitismus. Wie Hitler es selbst benannte, führte er aber in der Tat fort, was die Kirchen in ihrer Geschichte bereits vorgelebt hatten: Bücherverbrennung, Judenabschlachtung, Gettos, Synagogenverbrennung, der Zwang, dass Juden sich mit einem gelben Zeichen auf der Kleidung kenntlich machen mussten, vom Antisemitismus des Martin Luther ganz zu schweigen…

10 Jahre GBS

Beste Stimmung gab es dann am Sonntag, als Michael Schmidt-Salomon seinen, von vielen Lachern und lustigen Kommentaren begleiteten, Vortrag hielt.

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Er zeigte darin ein mitreißendes Porträt der gbs, indem er einen ausführlichen Überblick über alle wichtigen Stationen ihrer mittlerweile schon zehnjährigen Geschichte gab.

Von der eher zufälligen Begegnung zwischen ihm und Herbert Steffen und den ersten Gehversuchen, bis zur heute schon, gemessen an Größe und finanziellen Mitteln, gewaltigen, Strahlweite und einer schon fast unübersichtlich gewordenen Anzahl von Regionalgruppen (“So um die 50 - je nach dem, wie man zählt…”).

Die Erfolge können sich sehen lassen. Bunt, fröhlich, frech und geistreich, so kann man die Kampagnen und Aktionen der gbs charakterisieren. Nicht selten gab es dazu Anekdötchen, dass mitunter die Wichtigkeit der gbs von der Presse völlig falsch verstanden und überschätzt wurde.

Insofern rundete dieser Vortrag mit Videoeinspielungen die Komponente des “Historischen” durch eben einen solchen Rückblick ab, wobei hier die Dimension der zehn Jahre gbs, gemessen an z.B. der des betrachteten Zeitraums im Eingangsreferat, nur vergleichsweise bescheiden genannt werden kann - was die Inhalte hingegen betrifft, umso gewichtiger und bedeutender: geht es letztlich doch um das Bestreben, die Verbreitung der vielen Legenden zu beenden.

Constanze Cremer
Burkhard Wepner