WEIMAR. (hpd) In diesen Tagen werden landauf landab wieder junge Menschen feierlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Die humanistische Jugendweihe ist ein Ritual, das immer mehr Verbreitung findet. Der Humanistische Pressedienst dokumentiert die Rede von Konny G. Neumann bei der Jugendweihefeier in Weimar.

“Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch”, schrieb einst Erich Kästner, der 1899 in Dresden geboren wurde und neben seinen berühmten Kinderbüchern so manches lehrreiche Gedicht, so manchen lehrreichen Text geschrieben hat. “Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch”.

Passt dieser Rat hier heute auf Eurer Jugendweihefeier? Ihr wollt in die Welt der Erwachsenen aufgenommen werden, und nun so ein Spruch!
Doch, doch, ihr seid auf der richtigen Feier, der Feier die den Übergang von der Kindheit zur Jugend zum Inhalt - und Euch als Hauptdarsteller hat!

Seit 1852 wird bekanntlich die Jugendweihe feierlich im Rahmen der Familie, aber – und das ist wichtig – auch im Rahmen von Freunden und Bekannten, von Klassenkameraden, gemeinsam mit humanistischen, gleichgesinnten Jugendlichen und Erwachsenen gefeiert, die sich der Kirche nicht mehr verbunden fühlen.

Auch wenn heute die Jugendweihefeiern moderner und mehr an den Jugendlichen orientiert sind, als es zu Beginn der Jugendweihe-Bewegung war - die Tradition, die ihre Wurzeln in der Aufklärung hat, besteht fort und das ist gut so!

Liebe junge Freunde, liebe Eltern, liebe Gäste! Heute an ihrem Ehrentage nenne ich unsere Mädchen und Jungen zuerst: Auf sie sind unsere Blicke und Aufmerksamkeit gerichtet, denn sie sind die Hauptpersonen unserer heutigen Jugendweihefeier. Na - das fängt ja gut an, meint ihr. Wir die Hauptpersonen, um die sich alles dreht; so kann das weitergehen:

Liebe Mädchen und Jungen,
Euch gehören alle meine guten Wünsche zum Fest Eurer Jugendweihe, Euch gilt heut, an Eurem Ehrentag, mein besonderer Gruß!
Sehr geehrte Eltern, verehrte Gäste, liebe Jugendweihlinge,
ich überbringe Ihnen und Euch die herzlichsten Grüße des Bundesvorstandes von “Jugendweihe Deutschland e.V.”, des Vorstandes des “Landesverbandes Thüringen” sowie von den Verantwortlichen der “Jugendweihe Weimar und Umgebung e.V.” und last not least auch meines Landesverbandes, der Jugendweihe Hamburg e.V.!

Wir wenden uns nun den Hauptpersonen zu: Ein Blick in die ersten Reihen lohnt sich: fein herausgeputzt sitzen sie dort, stolz und erwartungsvoll, gespannt, was denn heute mit dieser Feier passieren wird. Daneben spüren wir auch ihre ganz besondere Stimmung, ein Gemisch aus Aufregung, Spannung und Freude. Aufregung wohl deshalb, weil sie im Mittelpunkt unserer heutigen Feier stehen: Feierlich sind sie gekleidet, würdevoll zurechtgemacht und vielleicht auch mit etwas Parfüm und Aftershave ausgestattet …
Wie war es denn heute Morgen beim Blick in den Spiegel? Zufrieden mit dem Aussehen - noch hier und da etwas zurecht gezupft.

Auch Sie, liebe Eltern, sind doch in den Gefühlen hin und her gerissen; froh, dass Sie ihre Kinder so weit gebracht haben, dass heute so mache Sorge am Kinderkrankenbett vergessen, dass die Erziehung gut gelaufen ist. Aus dem trauten Baby-Händchen sind zupackende Jugendhände geworden. Spannung - weil eigentlich nicht ganz klar ist, was am heutigen Tage passiert.

Jugendweihefeier, na klar! Die Angebote der Vorbereitungstreffen waren interessant und viel konnte besprochen und überlegt werden. Hier in der Region Weimar sind sie ja sehr reichhaltig und inhaltsreich. Als Präsident von Jugendweihe Deutschland danke ich allen Beteiligten, die die Angebote zu den Jugendstunden und den Feiern planen, organisieren und durchführen! In diesen Dank schließe ich stellvertretend Angelika Coba als die Vorsitzende der Jugendweihe Weimar und Umgebung auch im Namen der Jugendlichen, Eltern und Gäste mit ein. Sie haben sich einen Applaus redlich verdient!

So - nun nach den Vorbereitungen - bis hin zur Sitzprobe gestern - kann die Feier endlich kommen! Aber wird man denn nun so einfach an einem Tag durch die heutige Feier erwachsen?

Wohl kaum! Am Montag geht es zur Schule – wie gewohnt – die leidigen Hausaufgaben bleiben - ebenso die Frage der Eltern, ob sie denn auch ordnungsgemäß angefertigt wurden. Auch bleibt der Freitagabend-Hinweis: “komm’ heute Abend nicht zu spät nach Hause, sei schön brav” … usw. usw. Erwachsen wird man nicht an einem Tag, nicht in einer Woche, in einem Monat oder Jahr. Erwachsen wird man ein Leben lang, es ist die tägliche Entscheidung zum Leben und vor allem, wie und auf welche Art ich leben möchte.

Es ist die fortwährende Suche nach den eigenen Werten und Wertmaßstäben, die in Zukunft für mich und auch die Gesellschaft Gültigkeit haben sollen.

Es sind dies humanistische Werte, die sich mit den Erkenntnissen der Wissenschaften, mit der Kultur wandeln. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Toleranz, Freundschaft und auch der Einsatz für andere können gute Orientierungspunkte sein. Die alleinige Hinwendung zu materiellen Reichtümern führt ins Abseits; Erwachsenwerden zeigt sich nicht in erster Linie in Äußerlichkeiten, an dem, was man anhat, welches Auto man fährt, ob man sich jeder Mode anschließt und “in” sein will. Die Sentenz „Kleider machen Leute“ - wir sehen dies ja heute an unseren Jugendlichen – trifft einerseits zu, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Auf Dauer entscheidet der Charakter, der Umgang mit den Freunden und Bekannten. Es manifestiert sich darin, dass man nicht nur an sich selbst denkt, sondern auch an Freunde und Bekannte, sich für seine Mitmenschen einsetzt. Wir sind auf einander angewiesen.

In seinem Gedicht “Die Weltweisen” drückt Friedrich von Schiller es so aus:

"Der Mensch bedarf des Menschen sehr
Zu seinem großen Ziele,
Nur in dem Ganzen wirket er.“

Das große Ziel ist eine humane Gesellschaft, eine menschenwürdige Welt ohne Neid und Hass, Kriegsgefahr. Auf der Suche nach einer besseren Welt ist die Menschheit seit Urgedenken. Damit hängt zusammen die Frage nach dem Sinn des Lebens. In seinem Büchlein “Gut ohne Gott” [August-von-Goethe-Literaturverlag] schreibt mein Hamburger Freund Christan Lührs an seinen Sohn, etwa in Eurem Alter: “Hat das Leben überhaupt einen Sinn? Wozu ist es da? Wozu leben wir überhaupt? Stell dir vor, es gäbe dich nicht. Dann wäre die Welt eine andere. Du machst den Unterschied. Das ist der Sinn. Und je mehr du aus dir machst, umso größer ist der Unterschied, den du machst. Auch ein Stein trägt etwas zur Welt bei. Aber er ist einfach da und kann seinen Beitrag nicht beeinflussen. Was du zur Welt beiträgst, das bestimmst du zu einem großen Teil selbst. Nutze diese Chance! Nutze deine Fähigkeiten! Gehe nicht den einfachen Weg, den alle gehen, der keinen Unterschied macht. Mache es anders - und mache damit die Welt anders. So wie du sie besser findest. Das ist der Sinn.” [S. 52.]

Einen interessanten Beitrag zum Thema “Sinn des Lebens” findet ihr auch in dem Geschenkbuch, das ihr zur Feier des Tages erhalten werdet. Es wurde eigens für Euch auch unter Mitarbeit von Jugendlichen aus ganz Deutschland gemeinsam mit dem Duden-Verlag erarbeitet und mit den Cornelsen Schulbuchverlagen überarbeitet und ergänzt. Ein Blick hinein lohnt sich bestimmt!

Die Jugendweihefeier drückt auch aus, dass der Prozess der Abnabelung von den Eltern nun heute einen wichtigen, aber auch gewollten neuen Schub bekommt.

Groß sind sie geworden unsere Mädchen und Jungen, größer als die Oma und doch sind sie in den Augen der Eltern und Großeltern noch nicht ganz aus den Kinderschuhen, die auch immer größer werden, herausgewachsen.

Sie werden weiter Hilfe und Ratschläge von den Erwachsenen brauchen und sie auch annehmen; selbst, wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht immer den Anschein hat. Auch die Vorstellungen über Kleidung, Tatoos und - ob Nasen-, Ohr-, Bauchnabel- oder gar noch andere Piercings -, Frisuren aber auch Freizeitbeschäftigung, und deren zeitliche Ausdehnung, gehen oftmals auseinander.