„Geisterdebatte“ um Schulkreuze

HANNOVER. Auch in Niedersachsen steht Himmelfahrt vor der Tür und Pfingsten

ist nicht weit. Die Ausschüttung des Heiligen Geistes hat in der dortigen CDU früher begonnen. Die Parteizentrale wurde erhellt von dem nahezu göttlichen Einfall, mal wieder das Kreuz im Klassenzimmer zu fordern.

Seitdem sind CDU und SPD in Niedersachsen sozusagen über Kreuz. Während der CDU-Generalsekretär, Ulf Thiele, Anfang Mai sich für eine stärkere Präsenz christlicher Symbole im öffentlichen Raum aussprach, bezeichnete SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner die Forderung nach Kruzifixen in Niedersachsens Klassenzimmern als absurd. Es sei unverantwortlich, das gut funktionierende, aber deutlich getrennte Nebeneinander von Staat und Kirche auf diese Weise aushebeln zu wollen.

Thiele dagegen hatte in einem Radio-Interview gemeint, unsere Gesellschaft und das Grundgesetz würden auf Werten basieren, „die christlichen Ursprungs sind". Die SPD-Fraktion im Landtag wiederum kritisierte Thieles Äußerungen als "absurd". Damit schade die CDU zudem sämtlichen Integrationsbemühungen und zementiere das Bild eines Kulturkampfes." Die grundlegenden Werte seien in der Verfassung verankert. Im staatlichen Bildungsbereich dürfe es religiöse Symbole gleich welcher Herkunft daher nicht geben.

Dies lies Herrn Thiele nicht ruhen: Nach geltender Rechtslage könnten Kreuze in Klassenzimmern hängen, sofern sich dadurch niemand in seinen religiösen Befindlichkeiten gestört fühle, erklärte er. Erst die Besinnung auf die Werte christlichen Ursprungs mache eine funktionierende Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen überhaupt möglich.

Herr Thiele und die Partei mit dem Christus im Namen hatten vielleicht im Kopf, wie wichtig der erhellende Heilige Geist für Muslime im Lande sein könnte, die ja bekanntlich an einen anderen Gott glauben als die Christen. Thiele hatte sicher auch im Sinn, die wachsende Zahl der Glaubenslosen mit Kreuzen heimzusuchen. Herr Jüttner von der SPD hatte wohl auch vor allem Andersreligiöse im Blick, als er die CDU kritisierte: „Die für alle geltenden Werte, die unbestritten auch Ursprünge im Christentum und möglicherweise auch in anderen Religionen haben, sind in der Verfassung der Bundesrepublik verankert.“

Das rief nun die „Freien Humanisten Niedersachsen“ auf den Plan. Sie veröffentlichten heute eine Pressemitteilung zu diesem Vorgang. Die Humanisten sehen hier eine „Geisterdebatte“ und fordern: „Hände weg von der neutralen Schule!“ Sie erinnern daran, dass bereits vor über zehn Jahren das Bundesverfassungsgericht hier letztinstanzlich Klarheit geschaffen habe. In Schulklassen mit Kindern unterschiedlicher Religions- und Weltanschauungszugehörigkeit haben Kruzifixe nichts zu suchen. Im heutigen Deutschland gehören inzwischen die meisten Schulklassen dazu – in Niedersachsen fast ausnahmslos. Wozu also über etwas diskutieren, das der Vergangenheit angehört?

Wörtlich erklärte der Präsident der „Freien Humanisten“ Prof. Dr. Hero Janßen: „Unser Staat ist ein Staat für alle Bürger. Daran ändert sich auch nichts, wenn eine christliche Partei, wie die CDU, an der Regierung beteiligt ist. In einer Zeit, in der wir uns auf allen Ebenen bemühen, Menschen aus anderen Kulturkreisen in unsere Gesellschaft zu integrieren, ist es einfach töricht, auf eine Ausgrenzungspolitik zu setzen. Diese mittels Kruzifixen zu führen, verschließt völlig die Augen vor den Auswirkungen. Wo bleibt der Respekt vor unseren Mitmenschen mit einem anderen Glauben oder einer anderen Weltanschauung?“

Jürgen Gerdes, der Landessprecher der „Freien Humanisten“, ergänzte: „Eine Politik, die auf der einen Seite gegen Kopftücher und Minarette auf deutschen Moscheen eintritt und gleichzeitig mehr Kreuze im öffentlichen Raum fordert, kommt mir verlogen vor. Sie will kein gleiches Recht für alle, sondern Vorrechte für das Christentum. Religiöse Symbole haben in einem modernen Staatswesen nirgends etwas zu suchen, wo staatliches Handeln sichtbar ist!“

Die „Freien Humanisten“ warnen in ihrer Presseerklärung davor, auch in Deutschland Methoden des religiösen Fundamentalismus einzusetzen. Religiöse Symbole im Staatsapparat gehörten eindeutig dazu. Die grundlegenden Werte unseres Gemeinwesens ließen sich viel besser ohne Kreuze vermitteln. Schließlich werden die Werte unserer Verfassung auch von Menschen getragen, die ihr Leben seit Generationen ohne Religion und ohne Kreuze verantwortungsbewusst gestalten.

Dass es die Aufklärung und nicht das Christentum war, die an der Wiege der Menschenrechte stand, sei abschließend angemerkt. Das Kreuz, um das es in dem aktuellen Streit geht, symbolisierte damals die Gegenseite.


Pressekontakt: Jürgen Gerdes, Freie Humanisten Niedersachsen K.d.ö.R.

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GG