"Wir müssen uns kennen lernen"

Auf der Bundesdelegiertenkonferenz Anfang Mai in Hannover beschlossen

der Humanistische Verband und die Interessenorganisation Jugendweihe Deutschland e.V. für die Zukunft eine kooperative Zusammenarbeit. Erster Meilenstein auf diesem Weg wird der Humanistentag am 22. bis 24. September in Hamburg sein. Über seine Erwartungen an dieses Treffen sprach Patricia Block mit Wilfried Estel, Präsident der Jugendweihe.

 

Diesseits: Die Teilnehmer der Bundesdelegiertenkonferenz waren einhellig verwundert, dass die Kooperationsvereinbarung mit Jugendweihe Deutschland so problemlos „über die Bühne ging". Was hat Sie bewogen, dem zuzustimmen?

WILFRIED ESTEL: Der Kooperationsvorschlag geht zurück auf die Initiative des HVD. Ihr Vorsitzender Dr. Groschopp ist mit diesem Vorschlag an uns herangetreten. Unser Präsidium hat dazu beraten und ist zu der einhelligen Meinung gelangt, dass eine kooperative Zusammenarbeit mit dem HVD ausgebaut werden soll. Das liegt nahe, weil wir ja gemeinsame Betätigungsfelder haben, die Jugendweihe bzw. Jugendfeier und die offene Jugendarbeit. In diesem Bereich ist es in der Vergangenheit bekanntermaßen zu bestimmten Kontroversen gekommen, konkret in Berlin und auch in Sachsen/Anhalt. Das wollen wir abstellen. Wir müssen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, wenn uns das Ziel, etwas für Jugendliche zu tun, wirklich am Herzen liegt.

Mussten Sie dabei viele Widerstände aus den eigenen Reihen überwinden?

Widerstände hat es so eigentlich nicht gegeben, außer im Land Berlin/Brandenburg. Die Vertreter der Jugendweihe dort haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zum HVD und lehnen es ab, hier eine kooperative Zusammenarbeit aufzubauen. Im September wird es beim Berliner Verband eine große Mitgliederversammlung geben, wir müssen abwarten, was dort beschlossen wird.

Vielleicht wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung eine Überarbeitung der Website der Jugendweihe Berlin/Brandenburg (www.jugendweihe-berlin-brandenburg.de)? Dort wird der HVD in einer Weise vorgestellt, die nicht unbedingt als fair zu bezeichnen ist.

Die Jugendweihe Deutschland e.V. hat nicht den Einfluss, von „oben herab" eine Korrektur zu fordern. Jeder Mitgliedsverband bei uns setzt sich eigenständig seine Ziele und legt seine Inhalte selbst fest. Aber es ist klar, dass diese Veröffentlichung uns nicht gut tut und so nicht gemacht werden sollte.
Auf der Delegiertenkonferenz im Mai ist ja durch den HVD beschlossen worden, dass, falls es Streitigkeiten zwischen HVD und Jugendweihe gibt, den beiden Vorsitzenden die Rolle eines Schlichters zukommt und diese die Probleme intern besprechen. Da sind wir dran.

Wie könnte eine gelungene Zusammenarbeit konkret aussehen?

Das ist im Moment noch etwas schwierig, da wir gemeinsam noch keine konkreten Schwerpunkte gesetzt haben. Der Humanistentag wird ein erstes Treffen beider Verbände sein, wo Funktionäre und Mitglieder miteinander sprechen können. Die Organisation dieser Veranstaltung ist schon ein ganz konkretes Vorhaben. Dort wird es Gelegenheit geben, feste Vereinbarungen in die Wege zu leiten. Und es darf nicht bei einem solchen Treffen bleiben.

Welche Erwartungen haben Sie an den Humanistentag, der im September in Hamburg erstmals beide Verbände gemeinsam tagen lässt?

Grundsätzlich sollten wir die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Ich weiß, dass es auch in den Reihen des HVD hie und da Kritiker gegen die Jugendweihe e.V. gibt. Wenn wir jetzt erstmals intensiv miteinander reden, ist das schon ein großer Erfolg. Daraus resultierend können wir dann die nächsten Dinge gemeinsam ableiten. Meine persönlichen Erwartungen: Wir müssen uns kennen lernen, ein vernünftiges Verhältnis zueinander aufbauen, wir müssen uns an einen Tisch setzen und miteinander reden, das ist zunächst das Allerwichtigste. Vor allem die Gespräche am Rande sind ja oft die entscheidenden Impulsgeber.

Auf Ihrer Website werben Sie für weltliche humanistische Lebensabschnittsfeiern, sichern jedoch Ihren Kunden weltanschauliche Neutralität zu. Ist das nicht ein Widerspruch?

Ein Außenstehender mag das als Widerspruch sehen. Ich sehe dort keinen. In unserer Satzung steht, dass wir weltanschaulicher Neutralität verpflichtet sind, wir sind offen für alles. Es gibt in einzelnen Landesverbänden jedoch erste Gespräche darüber, dass die Jugendweihe sich doch als atheistisches Angebot outen sollte.

In Mecklenburg-Vorpommern wird bald ein neuer Landesverband des Humanistischen Verbandes Deutschlands gegründet - Wäre das ein Betätigungsfeld für Sie?

Da ich Präsident des Landesverbandes Jugendweihe in Mecklenburg-Vorpommern und Präsident des Bundesverbandes bin, wäre mir persönlich das zuviel. Ich möchte kein Multifunktionär werden, ich mache lieber eines richtig. Trotzdem bin ich gern bereit bei bestimmten Dingen mitzuarbeiten. Fakt ist, dass wir gemeinsam mit dem HVD die Gründung des HVD Mecklenburg-Vorpommern vorbereitet haben. Wir sind da mit im Boot, das finde ich gut, und wir haben dort auch schon gemeinsame Betätigungsfelder abgesteckt.

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Das Interview wurde in diesseits 3 / 2006 erstmalig veröffentlicht.