Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt

MASTERSHAUSEN. Zum 31. Post-Matinee am See hatte Herbert Steffen, Stiftungsgründer

der Giordano-Bruno-Stiftung, eingeladen. Am Sonntag, 1. Juli 2007, fanden sich an die 50 Interessierte, um Bas Kast zu lauschen, der seine Ausführungen zum Thema Liebe, Lust und Leidenschaft präsentierte.

Crashkurs in Liebe

Der 34jährige Bas Kast, Reporter und Autor, verabreichte den Anwesenden einen lebendigen und charmanten Crashkurs in Liebe. Er beginnt mit Casanova, der vor fast 300 Jahren als 17jähriger bereits außerordentliche Künste entwickelt hatte, um Frauen zu verführen. Auch Ovid gab im 2.-1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Tipps zur Verführung von Frauen. Wie funktioniert also Verführung?
Bas Kast stellt seinen Stufenplan vor:

Stufe 1: Im Opfer Leidenschaft entfachen

Wie Casanova und Ovid heißt Verführung, die Situation für sich zu nutzen, vor allem aufregende Situationen. In diversen Experimenten der vergangenen 30 Jahre wurde festgestellt, dass Aufregung - gefühlte Aufregung, Herzpochen - genutzt werden kann, um gegengeschlechtliches Interesse zu wecken. Selbst wenn diese Aufregung durch das Überqueren einer 70 Meter hohen Hängebrücke, Joggen auf dem Laufband, einem Wettrennen entsteht oder gar simuliert ist. Wenn im richtigen Moment die attraktive Frau den herzpochenden Mann antrifft, hat sie gute Chancen, ebenso wie er bei ihr. Bas Kast bringt diese Erkenntnis auf die einfache Formel:
„Wir haben kein Herzklopfen, weil wir uns verlieben,
wir verlieben uns, weil wir Herzklopfen haben."

Stufe 2: Attraktivität des Opfers erkennen

Foto-Experimente haben gezeigt, dass Männer ebenmäßige, weiche Gesichtszüge bei Frauen attraktiv finden - Männer wollen soviel Östrogen wie möglich, denn dies lasse auf gute Fruchtbarkeit schließen.
Frauen jedoch wollen auch weiche Gesichtszüge! - Außer wenn sie gerade ihren Eisprung hatten. Denn das Testosteron, das harte, männliche Gesichtszüge entstehen lässt, lässt auf einen Mangel an angenehmen sozialen Fähigkeiten schließen. Diese Männer sind vielleicht für die Zeugung eines durchsetzungsfähigen und aggressiven Kindes gut, nicht so sehr aber zum Versorgen der Mutter und des Kindes. Also wollen Frauen lieber Leonardo DiCaprio als Partner, Arnold Schwarzenegger dagegen als Samenspender.

Stufe 3: Reden, „das lästige Reden"

In Bars wurden Verführersprüche getestet, es gab drei Strategien.
1. die direkte Strategie: „Ich würde dich gern kennenlernen"
2. die harmlose Strategie: „Hi!"
3. die freche Strategie: „Wetten, dass ich dich unter den Tisch trinken kann?!"
Bei Frauen sind die ersten beiden Strategien effektiv. Bei Männern sind es alle drei, denn Männer sind so froh, wenn von Frauen überhaupt etwas kommt, dass sie jede Gelegenheit beim Schopfe ergreifen.

Stufe 4: Sex

Das Kuschelhormon Oxytocin hat sich, so Bas Kast, bei Mensch und Tier als Bindungsmolekül erwiesen. Oxytocin wird bei Berührung und Orgasmus ausgeschüttet, es führt zu einem angenehmen Nachglühen.

Stufe 5: Dauerhaft glücklich werden

Dauerhaftes Beziehungsglück kann durch das gemeinsame Erleben aufregender Situationen im Alltag - durch das Ausbrechen aus dem Alltag - etabliert werden. Tanzen, Theater, Bergsteigen, Skilaufen und andere Aktivitäten, die Herzklopfen auslösen (siehe Stufe 1) haben sich als effektiv erwiesen.

Fünf Apokalyptische Reiter

Bas Kast geht auch auf die unangenehmen Aspekte von Beziehungen ein, die Fünf Apokalyptischen Reiter nach John Gottman, die „Bloß Nicht!"s in der Beziehung. Diese sind:
1. Kritik (zerstörerische, allumfassende Kritik mit „immer", „nie", „dein Problem ist..." etc.) anstelle einer punktgenauen Beschwerde
2. Verteidigung (statt herauszufinden, was Partner/in stört)
3. Verachtung (der schlimmste Reiter - „die Schwefelsäure der Liebe")
4. Rückzug / Mauern (gar nicht reagieren, machen meist Männer)
5. Machtdemonstration („Was du willst, ist mir egal, ich zieh mein Ding durch!")

Bas Kasts Liebesformeln

Gegen diese fünf apokalyptischen Reiter setzt Bas Kast fünf Liebesformeln, von denen er zwei nennt:
Aufmerksamkeit ist die wichtigste Liebesformel; Akzeptanz heißt zu lernen, mit Unterschieden umzugehen, statt der „wenn nur ...- Falle" („wenn er nur mal zuhören würde!", „wenn sie mich einfach in Ruhe in die Kneipe gehen ließe").

Auf den Vortrag folgt eine ansehnliche Diskussion, anschließend strömen die Menschen zufrieden und voll neuen Wissens über die Liebe nach Hause.

 

Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft

Im Interview spricht Bas Kast, der 1973 in Landau geboren wurde und wegen seiner holländischen Mutter in Holland aufwuchs („Bas" ist ein holländisches Kürzel für Sebastian), über sein neues Buch: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Das Buch erscheint am 27. Juli 2007, Bas Kast ist dafür mit seiner Freundin und einem „Round-the-World-Ticket" um die Welt gereist, um namhafte Wissenschaftler in ihren Wirkungsstätten aufzusuchen und sie einige Zeit zu begleiten. Sein Weg führte ihn nach Amsterdam zu AP Dyksterhuis, der jüngst in „Science" veröffentlichte, nach Groningen und Chicago, nach Los Angeles zum Hirnforscher Damasio und nach Sydney, wo er sich Teile seines Gehirns mittels Magnetimpulsen abschalten ließ, um sich als autistischer Savant zu erleben.

„Die Ratio ist dumm, das Irrationale ist klug"

Grundthese seines neuen Buchs ist Kasts Überzeugung: „Die Ratio ist dumm, das Irrationale ist klug". Wie er dazu kommt, eine derlei verwegene Grundthese aufzustellen, begründet Kast so: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Instrumente zur Erforschung der Vorgänge im Gehirn haben gerade die institutionalisierte „Ratio" dieser Welt - Wissenschaftler - auf ihre Grenzen aufmerksam gemacht und sie die Macht des Irrationalen, das heißt von Gefühlen, Intuition und dem Unbewussten, entdecken lassen. Bis dato wurde Frauen Intuition und Gefühle zugeschrieben und diese zugleich (zusammen mit den Frauen) als „irrational" abgewertet. Männer dagegen wurden mit „Verstand" gleichgesetzt und damit aufgewertet. Nun erfolgt auf Grund der neuen Ergebnisse der Hirnforschung eine Neubewertung (nicht unbedingt von Frauen und Männern, so die Autorin, sondern von Irrationalem und Rationalem), eventuell sogar „ein Paradigmenwechsel, eine Revolution", meint Kast. Der Grund für diesen Perspektivenwechsel ist die Feststellung, dass „das Unbewusste in der Lage ist, komplexe Situationen zu erfassen und auszuwerten, wesentlich besser als das Bewusstsein". Das führt soweit, dass es gerade bei komplexen Problemen zu besseren Lösungen führen kann, wenn das Irrationale entscheidet und nicht der Verstand. Dabei sind, so Kast, Gefühl und Verstand oftmals gar nicht so getrennt. Sein Selbstversuch, einen Teil seines Gehirns abzuschalten, um andere - bessere - Leistungen erbringen zu können, war erfolgreich: Als autistischer Savant malte er ein wesentlich detaillierteres Bild eines Stoffhundes als er als „normaler" Bas Kast malte. Fazit des Interviews: Bei kleinen Problemen schalte man den Verstand ein, bei komplexen Problemen schalte man ihn ab.

 

Fiona Lorenz