Die Vorteile des Gebens

(hpd) Der Organisationspsychologe Adam Grant zeigt anhand von Fallbeispielen und Studien auf, dass das Sozialverhalten des Gebens auch in der Arbeitswelt mehr Vorteile als das des Nehmens bringt. Das populärwissenschaftlich geschriebene Werk liefert damit gute Argumente für einen Wertewandel auf Basis von Fakten und nicht von netten Wünschen.

„Mit den Ellbogen nach oben“, mit diesem Bild bezeichnet man ein besonderes Sozialverhalten, das mit egoistischem Gehabe den beruflichen Aufstieg erklärt. Doch ist dem tatsächlich so bzw. sollte dem tatsächlich so sein? Mit dieser Frage bzw. diesen Fragen beschäftigt sich Adam Grant, Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Buisness School der University of Pennsylvania. In seinem Buch „Geben und Nehmen. Erfolgreich sein zum Vorteil aller“ hat er in populärwissenschaftlicher Form seine einschlägigen Forschungsergebnisse zusammengefasst. Bereits zu Beginn unterscheidet er drei Menschentypen: : „Nehmer haben ein charakteristisches Kennzeichen: Sie möchten mehr bekommen, als sie geben. ... Während Nehmer häufig nur sich selbst sehen und abschätzen, was andere ihnen bieten können, haben Geber vor allem die anderen im Blick und achten mehr darauf , was diese von ihnen benötigen“ (S. 14). Die Tauscher streben dann „nach einem ausgewogenen Gleichgewicht von Geben und Nehmen“ (S. 15f.).

Grants Ausführungen konzentrieren sich auf den Menschentyp des Gebers, welcher der normalen Aufmerksamkeit häufig entgehe, aber überraschend erfolgreich sei: „Um herauszufinden, weshalb Geber am oberen Ende der Erfolgsleiter dominieren, werden wir uns mit verblüffenden Studien und Geschichten befassen, die genauer beleuchten, wieso Geben wirkungsvoller – und ungefährlicher – sein kann, als die meisten glauben“ (S. 22).

Entsprechend dieser Ankündigung ist das Buch tatsächlich durchzogen von den unterschiedlichsten Fallbeispielen aus Geschichte und Gegenwart und Verweisen auf die verschiedensten Studien zu einschlägigen Fragestellungen. Da geht es um Abraham Lincolns Auswahl seiner Minister ebenso wie um den Texter der TV-Serie „Simpsons“ George Meyer, um Forschungen zu Arbeitszufriedenheit und Sozialverhalten in Firmen ebenso wie um Untersuchungen zu den Unterschieden von fremd- und selbstbezogenen Gebern beim Umgang mit Mitarbeitern in Unternehmen.

Wie die letztgenannte Differenzierung schon veranschaulicht, nimmt Grant keine eindimensionale und stereotype Einschätzung des Geber-Typs vor. Denn die entsprechenden Studien belegten: „Geber haben ... die schlechteste und die beste Leistungsbilanz; Nehmer und Tauscher landen eher in der Mitte“ (S. 19). Somit geht es dem Autor auch um eine Antwort auf die Frage, woran dies denn liegt. Demnach muss auch ein Sozialverhalten im Sinne eben eines Geber-Typs keineswegs notwendigerweise von beruflichem Erfolg gekrönt sein. Gleichwohl macht Grant deutlich, dass die verächtliche Sicht vom naiven Gutmenschen alles andere als angemessen ist – und zwar unabhängig von moralischen Kategorien. Unter bestimmten Rahmenbedingungen führt das Agieren im Sinne eines Gebers eben auch zu mehr ökonomischen Erfolgen, löst dies doch wiederum Reaktionen auf der Ebene von Mitarbeitern in einem positiven Sinne aus. Es bestehe aber immer auch die Gefahr eines Fußabtreter-Effekts, wobei die gute Tat auch negative Folgen für den Geber habe.

Grant nimmt demnach sowohl den Erfolg wie das Scheitern dieses Menschentyps in den Blick, was für sein entwickeltes Differenzierungsvermögen und gegen eine romantisierende Perspektive spricht. Die vielen Beispiele machen deutlich, dass in der Tat die Geber-Verhaltensweisen letztendlich zum Vorteil aller sind. Dabei muss ein solches Verhalten keineswegs zwingend durch eine altruistische Einstellung motiviert sein, auch egoistische Haltungen können zu derartigen Handlungen führen, sofern es einen positiven Grundkonsens über entsprechende Werte gibt. Die vielen einzelnen Beispiele, aber noch mehr die referierten Studien machen diesen Effekt deutlich. Grant gibt sich indessen in den über 400 Seiten seines Buches allzu sehr als Erzähler. Vielleicht wäre auch hier weniger mehr gewesen – und zwar in folgendem Sinne: Man hätte einschlägige Studien differenzierter und weiterführender aufarbeiten können. Dabei wären sicherlich noch weiterführende Erkenntnisse abgefallen. Gleichwohl ist auch die Aussage: „Geben ist besser“ nicht zu verachten.

Armin Pfahl-Traughber

Adam Grant, Geben und Nehmen. Erfolgreich sein zum Vorteil aller. Aus dem Amerikanischen von Peter Robert, Sonja Schuhmacher und Bernhard Jendricke, München 2013 (Droemer-Verlag), 444 S., 19,99 €.