Erwachsen werden!

BERLIN. (hpd) 440 Berliner Mädchen und Jungen feierten am Samstag im Berliner Friedrichstadtpalast den symbolischen Abschied von der Kindheit. Die Festveranstaltung ist nach einer sechsmonatigen Vorbereitungszeit mit vielfältigen Angeboten Höhepunkt und Abschluss der Jugendfeier.

Nach Mitteilung des Humanistischen Verbandes nehmen in diesem Jahr insgesamt 1.350 Jugendliche an den Jugendfeiern des Verbandes in Berlin teil. Dr. Bruno Osuch, Landesvorsitzender des HVD Berlin, persönlich im Friedrichstadtpalast anwesend, ist sichtlich stolz: „Unsere Jugendfeier bleibt ein Erfolgsmodell. Die Anmeldungen bestätigen den Trend der vergangenen Jahre." Auch für 2010 würden schon jetzt über 1.000 Anmeldungen vorliegen.

Die Festveranstaltung stellt die jungen Menschen in den Mittelpunkt, Thema: Erwachsen werden. Die Tänzerinnen und Tänzer der Momentum Dance Company der Musikschule in Berlin-Mitte „Fanny Hensel“ und die Band Right Now bringen Bewegung und Musik auf die Bühne.

Ein „Tor“ wird durchschritten

Zur Übergabe der Blumen, die Bücher gab es schon vorher überreicht, kommen die Jugendlichen jeweils in Gruppen auf die Bühne und werden einzeln mit Namen genannt. Dann gehen sie ein paar Schritte nach vorne, durchschreiten dabei einen stilisierten Durchgang, das „Tor“ zum Erwachsenwerden, ihr Bild wird dabei mittels Kamera groß auf die Bühnen-Leinwand projeziert und die Familien, Verwandten und Freunde - im Durchschnitt sollen es um die sieben Begleitpersonen sein -, klatschen, rufen und pfeifen, das es eine wahre Freude ist. So wird jede und jeder für einige bleibende Augenblicke heraus- und emporgehoben.

Der Choreographie der Feier gelingt es eindrucksvoll, trotz einer Vielzahl von teilnehmenden Jugendlichen, die Individualität der Einzelnen zu bewahren und in den realen wie subjektiven Mittelpunkt zu stellen. Die Art, wie die Blume angenommen wird, lässig mit Kopfnicken, gegriffen wie eine Throphäe oder hastig, beinahe verschämt angenommen, mag vielleicht ein Hinweis sein, wie sich die Jugendlichen auch im Alltag verhalten. Jede und Jeder verhält sich einzigartig.

Die individuellen Unterschiede dieser meist 14-Jährigen sind in den Äußerlichkeiten weit gespannt: Von Jeans bis zum langen Abendkleid, vom betont lässigen Schlabberhemd bis zum akkurat sitzenden Anzug mit Krawatte. Und so erwachsen sie in ihrer Kleidung aus der Entfernung auf der Bühne aussehen, so deutlich wird später im Foyer, im Anblick aus der Nähe, dass es manches Mal doch noch eher „Milchgesichter“ sind.

"Der war doch eben noch ein Kind"

Unter der künstlerischen Leitung von Barbara Kellerbauer stehen die vielfältigen Aspekte, Fragen, Hoffnungen und auch Sorgen des Erwachsenwerdens im Mittelpunkt. Eingespielte Videogrußbotschaften von namhaften Berlinern ermutigen zum selbstbestimmten Leben und geben den Jugendlichen Witziges, Nachdenkliches und gut Gemeintes mit auf den Weg.

In das Lied "Der war doch eben noch ein Kind", zu dem sie selber mit Petkow Datschew die Musik komponiert hat (zu einem Text von Gisela Steineckert), bettet Barbara Kellerbauer die Festrede ein. Gedanken, Heiteres und Reflexionen, die sie zum ersten Mal anlässlich der Jugendweihe ihrer eigenen Tochter aufgezeichnet hatte und seitdem immer wieder aktualisiert. Es ist zu spüren, dass ihr diese Arbeit einen besonderen Sinn gibt. „Es ist doch ein so wichtiger Tag für die Jungen und Mädchen!“ sagt sie nach der Feier bei einem Kaffee. „Sie erinnern sich ihr Leben lang an dieses besondere Ereignis.“ Das ist Verpflichtung und Anerkennung.

Und so klingen in allen Themen immer wieder gleichzeitig die Freude an, endlich „erwachsen zu werden“ und gleichzeitig die Einsichten und Fragen, dass auch einiges schwieriger werden könnte, Verantwortung auf sie zukommt. Entsprechend lautet das Motto des Verbandes zu den Jugendfeiern: „Zwischen nicht mehr und noch nicht.“

Selbstbestimmung des Menschen

Dr. Margrit Witzke, als Abteilungsleiterin Jugend des Humanistischen Verbandes auch verantwortlich für die Gesamtleitung des „Büro Jugendfeier“ des Verbandes, sieht müde aus, ist aber sichtlich zufrieden. „Eine gelungene Kombination aus Traditionellem und Neuem. Die Vorbereitungen dauern mit allem Drum und Dran ein halbes Jahr. Rund die Hälfte der Jugendlichen nimmt mittlerweile an den Vorbereitungskursen teil.“

Seit September 2008 haben sie sich aktiv auf ihren Schritt aus der Kindheit vorbereitet. Neben dem Besuch bei Radio Fritz, dem Haus der Wannseekonferenz, Zeichenkursen, Tanz- und Schminkkursen und Reisen in die Erlebniscamps der Jungen HumanistInnen oder einem Segelflug-Tag in Theorie und Praxis, setzten sie sich in den Weitblick-Veranstaltungen mit Themen aus Gesellschaft, Geschichte und Kultur auseinander.

Die Teilnahme ist freiwillig, denn, so betont es Margrit Witze: „Das beruht auf den Prinzipien des Verbandes. Man kann nicht die Selbstbestimmung der Menschen wollen und dann die Leute zwingen, an etwas teilnehmen zu müssen. Manche nehmen an einem Angebot teil, andere an mehreren und ein Teil bleibt dann später sogar im Jugendverband der Jungen HumanistInnen, den JuHus.“ Entsprechend würden auch einige Teile des Festprogramms von den JuHus vorbereitet.

Nach der Feier treffen sich die Jugendlichen und ihre Familien und Freunde im weitläufigen Foyer des Friedrichstadtpalastes und es wird sich umamt, geküsst und gelacht, so, als hätten alle gefeiert. Eben.

Ein heiterer Tag, der nur eine Frage offen lässt: Warum klopfen sich Männer, egal ob jung oder alt, als Begrüßung und Glückwunsch eigentlich ständig gegenseitig auf die Schultern?

C.F.

Fotografien © Evelin Frerk