Internationale Liga für Menschenrechte

Carl-von-Ossietzky-Medaille 2014 für Edward Snowden

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BERLIN. (hpd) Die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR - Im Geiste von Carl von Ossietzky) hat am 14. Dezember in der Berliner Urania drei Menschen mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille geehrt: Preisträger sind der Whistleblower Edward Snowden und seine Mitstreiterin Laura Poitras sowie der Journalist Glenn Greenwald.

Der US-Bürger Snowden konnte seine Auszeichnung nicht selbst entgegennehmen; er war aber per Livestream aus seinem Moskauer Asyl dem Festakt zugeschaltet. Die Laudatio auf Snowden wurde vom Bürgerrechtler und früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) gehalten.

In ihrer Ansprache führte ILMR-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin u.a. aus: "Wir sind zusammengekommen, um dem Whistleblower Edward Snowden, der Publizistin Laura Poitras und dem Journalisten Glenn Greenwald unsere Anerkennung und Dankbarkeit zu zollen. Bevor wir jedoch zu ihrer Ehrung übergehen, darf ich Sie einladen, mit uns die Freude darüber zu teilen, dass die Liga in diesem Jahr auf ihr 100-jähriges Bestehen zurückblickt.

Am 16. November 1914 – knapp drei Monate nach Beginn des Ersten Weltkriegs Anfang August – fanden sich zehn radikale Pazifisten und Pazifistinnen zusammen, um unsere erste Vorgängerorganisation, den ‘Bund Neues Vaterland’ zu gründen. Ihr einziges Motiv: Eine Vereinigung auf den Weg zu bringen, die wirksam für einen umgehenden Waffenstillstand und dauerhaften Frieden zwischen den Nationen Europas eintrete. ‘Aufzustehen für Menschenrechte – gegen den Strom!’ war von Anbeginn die Devise unserer VorgängerInnen und ist es für die Liga-Politik bis heute noch."

Zu den Gründern der Liga zählte neben Carl von Ossietzky auch Kurt Tucholsky. Letzterer schrieb im Jahre 1921: “Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: NEIN!”

Carl-von-Ossietzky-Medaille
Carl-von-Ossietzky-Medaille

Dieses Credo gelte für die Liga bis heute, sagte die Präsidentin und führte weiterhin aus: "Carl von Ossietzky, der Herausgeber der Weltbühne in der Weimarer Republik, war Mitglied der damaligen Deutschen Liga für Menschenrechte und verstärkte publizistisch ihre Positionen. Er wurde 1931 in einem Prozess wegen Hochverrats und später sogar Spionage zu 18 Monaten Haft verurteilt, weil er die Veröffentlichung eines Artikels zugelassen hatte, der die staatlich finanzierte Wiederaufrüstung der deutschen Luftwaffe als illegal anklagte. Sie verletzte internationale Vereinbarungen im Versailler Vertrag. Im Mai 1932 trat er erhobenen Hauptes die verhängte Haftstrafe an. Das Vermächtnis Carl von Ossietzkys heißt für uns, die wir in der Liga seinem geistigen Erbe verpflichtet sind: Zivilcourage! Folglich haben wir auch das Kostbarste, das wir zu vergeben haben, die Medaille für Zivilcourage und herausragendem Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte mit seinem Namen verbunden. Ja, Carl von Ossietzky hat die Enthüllungen eines Whistleblowers in der Weltbühne publiziert und ging dafür ins Gefängnis. (…) Die Liga fordert daher die Bundesregierung auf:

Erstens, Edward Snowden politisches Asyl und persönliche Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.
Zweitens, Whistleblower in der Bundesrepublik, insbesondere auch in geheimdienstlicher oder sonstiger staatlicher Funktion von Strafe freizustellen, wenn sie uneigennützig die Öffentlichkeit über gesetzwidrige, sprich illegale Vorhaben aufklären, die der Bevölkerung, Teilen von ihr oder einzelnen BürgerInnen zum Schaden gereichen.
Drittens fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene und international auf UN-Ebene für eine Erweiterung des Zivilpakts von 1966 für den völker- und menschenrechtlichen Schutz von Whistleblowern in staatlichen, d. h. auch militärischen und geheimdienstlichen und privatwirtschaftlichen Diensten einzusetzen."

Laudator Gerhart Baum charakterisierte Preisträger Snowden u.a. mit den Worten, die zugleich ein bezeichnendes Licht auf die Parlamente in den USA und auch in Deutschland werfen: "Edward Snowden - das ist ein Mensch, der von den Werten einer freien Gesellschaft geprägt ist und von diesen Überzeugungen geleitet wird, nicht von Geltungssucht oder Gewinnsucht. Den Werten der freien Welt gilt seine Sorge. Er hat es sich wahrlich nicht leicht gemacht. Als einziger von vielen tausenden Geheimdienstmitarbeitern hatte er diesen Mut. Ein junger Mann von 29 Jahren hat ein Beispiel gegeben!

Er musste handeln. Die eigentlich Verantwortlichen, die vom Volk gewählten Abgeordneten haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen: sie haben keine wirksame Kontrolle über die Geheimdienste wahrgenommen. Schlimmer noch. Sie haben diese Überwachungs-Praktiken - jedenfalls zum großen Teil – gewollt. Sonst hätten sie diese jetzt nach den heftigen Protesten doch korrigiert. Es ist doch erstaunlich, wenn Vertreter des US-Kongresses öffentlich erklären, dass sie aus den Enthüllungen Wissenswertes erfahren haben, Snowden aber im gleichen Atemzug des Verrats bezichtigen."

In ähnlicher Weise wurde auch das bürgerrechtliche Engagement der beiden anderen Preisträger gewürdigt. Die einzelnen Reden können im Internet nachgelesen werden.

Die Internationale Liga für Menschenrechte e.V. mit Sitz in Berlin ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für Menschenrechte und Frieden einsetzt. Sie ist Mitglied der internationalen Dachorganisationen “Association Européenne pour la défense des Droits de l’Homme” (AEDH, Europäische Vereinigung für die Verteidigung der Menschenrechte) und “Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme” (FIDH, Internationale Föderation der Menschenrechtsligen).

Vorläufer der Liga war der 1914 gegründete Bund Neues Vaterland. Dieser wurde 1933 verboten; überlebende ehemalige Mitglieder gründeten nach dem Zweiten Weltkrieg die “Internationale Liga für Menschenrechte im Geiste Carl von Ossietzkys”. Derzeitige Präsidentin ist die Gründerin der “Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost” Fanny-Michaela Reisin.

Seit 1962 verleiht die Liga die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Damit ausgezeichnet werden Personen oder Gruppen, die sich – im Geiste Carl-von-Ossietzkys - durch Zivilcourage und herausragendes Engagement für die Verwirklichung, Verteidigung und Erweiterung der Grund- und Menschenrechte und des Friedens verdient gemacht haben.