Zeitschrift

Skeptiker 4/2015 erschienen

BERLIN. (hpd) Das aktuelle Heft Skeptiker, die Vierteljahresschrift der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), ist Ende Dezember 2015 erschienen. Im aktuellen Heft wird gefragt, wie sinnvoll Coaching wirklich ist und ob irrationales Denken “verrückt” sei. Zudem gibt es einen Bericht über den 16. Europäischen Skeptiker-Kongress.

Ist irrationales Denken “verrückt”?

Häufig benutzen Menschen den Begriff “verrückt” zu schnell; ohne darüber groß nachzudenken, was das Wort im Eigentlichen bedeutet. Dem geht Jan Oude-Aost in seinem Artikel auf den Grund.

Selbstkritisch schreibt er: “So rücken einige Mitglieder der Skeptiker ‘irrational denkende Esoteriker’ schnell in die Nähe von Menschen mit psychischen Erkrankungen.” Diese Erfahrung dürften kritische Humanisten und Atheisten bereits ebenfalls gemacht haben. “Die Frage,” schreibt Oude-Aost, “ob es sich bei irrationalem Glauben um ein als pathologisch zu sehendes Phänomen handelt” wird im Artikel geklärt.

Der Autor arbeitet in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und weiß daher, wie schnell Menschen stigmatisiert werden, wenn sie ein ein wenig von der Normalität abweichendes Verhalten zeigen. Noch immer werden Menschen, die psychisch erkrankt sind anders “bewertet” als körperlich Erkrankte. “Dabei sind psychische Erkrankungen auch körperliche Erkrankungen. Es sind Erkrankungen des Gehirns.”

Menschen werden schnell als “schwachsinnig”, “verrückt”, “wahnsinnig” bezeichnet, weil sie zum Beispiel an Chemtrails glauben. “Dies sind wenig qualifizierte Äußerungen, die Menschen abwerten.” Dabei sind wir alle nicht frei davon, an manche irrationalen Dinge zu glauben. Der Autor selbst sagt, er glaube, “dass alles gut” werde – auch wenn das seiner eigenen Lebenserfahrung zum Teil widerspricht.

Nachdem er im Artikel definierte, was unter einer psychischen Erkrankung zu verstehen ist, wagt er ein Gedankenexperiment, in dem er dem Leser zeigt, dass Herr Mustermanns Glaube an Chemtrails dazu beitrug, ihn entspannter zu machen und weniger depressiv. Auch - und obwohl - die Idee, an die Herr Mustermann glaubt, irrational ist. “Für seine Gesundheit ist es irrelevant, ob seine Konzepte korrekt sind.” Mehrere wissenschaftliche Studien bestätigen, so Oude-Aost, “einen positiven Effekt von Religiosität und Spiritualität auf die psychische Gesundheit.” Was vor allem damit zu erklären sein dürfte, dass ein einfach erklärenden Weltbild weniger komplex sein dürfte als eines, das den Menschen als Zufallsprodukt in die Welt stellt.

“Trotzdem ist es richtig, gegen irrationale Glaubenssysteme vorzugehen. Jedoch nicht gegen den Glauben eines Individuums.” Wir müssen verstehen lernen, weshalb Menschen irrational denken. Erst dann können wir mit den Mitteln der Aufklärung gegen die Glaubenssysteme vorgehen. “Einzelne Menschen haben das Menschenrecht, jeden Mist zu glauben. Sie haben jedoch kein Recht, andere mit ihrem Glauben zu beeinflussen.” Und das gilt nicht nur für Chemtrails-Gläubige.

Coaching - Wirkungsvolle Methode oder esoterische Managerbespaßung?

Uwe Peter Kanning geht einer regelrechten Modeerscheinung auf den Grund. Jede/r darf sich “Coach” (Berater) nennen und sich Coachees (beratene Person) suchen und beraten. Doch was steckt hinter der immer weiter um sich greifenden “Methode der Personalentwicklung”?

Tatsache ist, dass eine richtig geführte Person durch ein Coach gewinnen kann. Sie kann lernen, sich und andere Menschen und Situationen besser einzuschätzen. Sie kann – insbesondere als Führungskraft – lernen, mit Untergebenen besser zu kommunizieren.

In der Praxis vermischen sich dabei häufig das klientenzentrierte Coaching und das eher von Arbeitgeberseite angeregte Trainee (bei dem der Auftraggeber vorgibt, welche Ziele erreicht werden sollen). Es spricht einiges dafür, dass diese Arbeit am und mit dem Personal gute Erfolge erreichen kann, auch wenn die Studienlage dazu eher mager ist.

Allerdings tummeln sich auf dem Markt auch unseriöse Anbieter, die pseudowissenschaftlich daher kommen. Der Autor berichtet von dem sog. “Pferde-Coaching”, bei dem Choachees lernen, Pferde (an der Leine) zu führen woraus der Coach dann Schlüsse auf seine Führungsqualitäten schließen will. Das ist – wie Kanning nachweist – Unsinn. Das gilt ebenso für die “Organisationsaufstellung nach Hellinger” sowie für das sog. “Spirituelle Coaching”. Das hat seine Wurzeln in der christlichen Lehre und so finden sich “seit einigen Jahren […] insbesondere katholische Ordensleute berufen, Führungskräften beizubringen, wie sie ihren Alltag besser bewältigen können.” Das mag auf den ersten Blick – aber nur auf diesen – nicht weiter problematisch sein; doch: “ist die katholische Kirche bislang nicht gerade durch innovative Führungsprinzipien in Erscheinung getreten.”

Kanning rät also, eher von Coaching Abstand zu nehmen oder doch mindestens genau zu prüfen, mit welchen Methoden der Coach arbeitet.

Der 16. Europäische Skeptiker-Kongress in London

Bereits im September 2015 fand der Kongress statt, über den Martin Mahner ausführlich und gut bebildert berichtet. Rund 120 Teilnehmer von verschiedenen europäischen Skeptiker-Organisationen trafen sich in London am Goldsmith College. Schwerpunkte waren “Alternativmedizin” und Tests von “paranormalen Behauptungen” – beides Themen, die auch die GWUP seit Jahren bearbeitet.

Edzard Ernst zum Beispiel wies nach, “dass die Bücher der Integrativen-Medizin-Szene, die nach Außen hin ‘das Beste aus beiden Welten’, also das Beste aus Wissenschafts- und Alternativmedizin, versprechen, fast zur Gänze lediglich Pseudomedizin enthalten.” Quacksalberei mache die Medizin nicht besser; im Gegenteil.

Im Erfahrungsaustausch, wie man “paranormale Behauptungen” testen kann, brachte zutage, dass trotz aller Tests der Nachweis auch nur einer einzigen Behauptung bislang nicht gelang.

Tricks und Marketing der Mentalisten

Immer mehr Selbsthilfe- und Ratgeberbücher von Zauberkünstlern überschwemmen den Markt stellt Thomas Fraps erstaunt fest. “Es ist erstaunlich, welche Inhalte von manchen der selbsternannten Hobbypsychologen - unter kaufmännischer Komplizenschaft diverser Verlage - […] veröffentlicht werden.” Erstaunlich auch die Empfänglichkeit der Leser für diese Werke.

Wer einen Mentalisten auf der Bühne eines Theaters besucht, weiß, worauf er sich eingelassen hat; er rechnet damit, dass seine Sinne ausgetrickst werden. Wenn man jedoch ein Ratgeberbuch kauft, ist man sich dessen kaum bewußt. Und so machen manche Mentalisten ihre Fiktionen zu “kunstlosen Lügen”, die sich gut verkaufen.

Anhand der Erfahrungen des Zauberkünstlers und Mentalisten Nikolai Friedrich zeigt der Autor auf, mit welchen Methoden manche Verlage und Lektoren versuchen, die Bücher einem “gewissen Publikum” schmackhaft zu machen. Ein Beispiel: Friedrich schrieb über das Pendeln als physiologisch erklärbares Phänomen. Der abschließende Satz lautete: “Die Bewegung des Pendels kann also mit dem Carpender Effekt erklärt werden.” Die Fassung der Lektorin las sich dann so: “Die Bewegung des Pendels kann also auch mit dem Carpender Effekt erklärt werden.” (Hervorhebung durch F.N.) Diese kleine Wort “auch” verändert die Aussage des Satzes ins Ungefähre. “…man wolle doch schließlich nicht die Esoteriker vergraulen” lautete die Begründung dafür. Schließlich sei das – das allerdings sagte die Lektorin nicht so deutlich – eine zahlungskräftige Gruppe.

Weiteres

Helge Bergmann schreibt einen 4-seitigen Artikel, der sein aktuelles Buch zusammenfasst: “Gesundheit durch esoterisches Wasser” (siehe hier). Michael Schmidt-Salomon wurde zu seinem aktuellen Evolutionsbuch für Kinder interviewt und Natalie Grams stand Bernd Harder Rede und Antwort dazu, weshalb sie sich von einer Befürworterin zu einer gestrengen Kritikerin der Homöopathie gewandelt hat.

Mark Benecke und Ines Fischer sprachen mit dem Skeptiker darüber, was Vampyre mit Wissenschaftsvermittlung gemein haben.

Das Heft endet wie gewohnt mit einigen Rezensionen.

Die Zeitschrift läßt sich auch online bestellen.