MIZ 4/15 erschienen

Angst vor dem Fremden

BERLIN. (hpd) Mit dem Flüchtlingsthema befasst sich die aktuelle Ausgabe der atheistischen Zeitschrift MIZ. Dabei geht es um die Reaktion der europäischen Gesellschaften auf die ankommenden Menschen sowie die besondere Situation der Frauen. Außerdem geht es um christlichen Lobbyismus, Schwangerschaftsabbruch und die Auseinandersetzung um die Evolutionstheorie in den USA.

Der Untertitel “Das christliche Abendland macht mobil” gibt dabei die Perspektive des Schwerpunktes vor. Von konservativer Seite wird ein Kampf der Kulturen suggeriert, bei der sich ein christliches Europa und muslimische Einwanderer gegenüberstehen. Gunnar Schedel verweist im Editorial darauf, dass diese Konfliktlinie falsch gezogen ist und der Begriff “Integration” nicht greife, weil er eine halbwegs homogene Aufnahmegesellschaft voraussetze. Doch was in Europa Leitkultur sein soll, ist unter den “Eingeborenen” heftig umstritten. Die tatsächliche Auseinandersetzung finde zwischen politischen Kulturen statt, einer tendenziell aufgeklärten und einer reaktionären, und Flüchtlinge fänden sich, genau wie Europäer, auf dieser und auf jener Seite der Barrikade.

FPÖ und Front National

Christoph Baumgarten arbeitet in seinem Beitrag anhand der Situation in Österreich die Erzählstränge heraus, die zu den falschen Wir-Vorstellungen führen. In der Kombination von Ethnopluralismus und dem Topos des christlichen Abendlandes sieht er eine der Erfolgsgrundlagen der fremdenfeindlichen Kampagnen der FPÖ. Muslime werden so zum “geheimnisvollen und bedrohlichen Fremden, in dessen Ablehnung sich ein gesellschaftliches Wir konstruieren lässt”. Durch die Bezugnahme auf “unsere Kultur” gelingt es, mit im Kern rassistischen Vorstellungen in der Mitte der Gesellschaft Gehör zu finden.

In Frankreich sind Einwanderer aus dem islamischen Kulturkreis seit je Zielscheibe des Front National. Der in Paris lebende Journalist Bernard Schmid zeigt anhand einiger konkreter Beispiele, wie Kommunen, in denen rechtsextreme Parteien die Mehrheit haben oder den Bürgermeister stellen, Muslime ausgrenzen und in ihrer Religionsfreiheit beschneiden. Wie stark sich der common sense in den letzten 25 Jahren verschoben hat, zeigt die Debatte um die Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft wegen irgendwelcher Delikte: Seinerzeit noch einsame und von allen Seiten kritisierte Position des Front National legte Ende vergangenen Jahres die sozialdemokratische Regierung ganz ähnliche Pläne vor.

Frauen auf der Flucht

Mit der besonderen Situation geflüchteter Frauen befasst sich Gisela Notz. Da sich Frauen häufig verantwortlich fühlen, den Alltag für Kinder und Bezugspersonen zu organisieren, bekommen sie in besonderem Maße die Bedingungen der Flüchtlingslager zu spüren. Um diese Situation zu verbessern, müssten freilich in erster Linie grundlegende Maßnahmen ergriffen werden, wie die Auflösung der Sammellager und die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Verwundert zeigt sich die Autorin über das plötzliche Interesse für den Schutz von Frauen gegen Übergriffe – sofern diese von Flüchtlingen erfolgen. Auch die Glosse Neulich… wirft einen Blick auf “besorgte Frauenfreunde” und erinnert daran, dass die katholische Kirche in Fragen sexueller Übergriffe besser vor der eigenen Haustüre kehren sollte.

Schwangerschaftsabbruch und Mutterbild

In einem ausführlichen Interview spricht Nicole Thies mit der Autorin Sarah Diehl über ihr Engagement für einen sicheren Zugang für Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch. Diese beschreibt die vielfältigen Selbsthilfeaktivitäten von Frauen und deren internationale Vernetzung. Neben Erfolgen (in den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Frauen, die jedes Jahr bei einer Abtreibung ums Leben kommen, um 30.000 gesunken) gibt es auch gegenläufige Entwicklungen. So verschiebt sich die Debatte in den Ländern, die Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch eröffnen. Dort gelingt es den Gegnern zunehmend, statt der Frau den Embryo in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.

Viola Schubert-Lehnhardt blickt zurück auf die Debatten über die rechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruches nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Dabei zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit dieser medizinethischen Frage offen und wissenschaftlich begleitet geführt wurde.

Geld und Macht

Die Beiträge der Rubrik “Staat und Kirche” befassen sich mit Geld und Macht. Siegfried Krebs stellt dar, wie in Sachsen die (meist kirchlichen) Freien Schulen mehr Zuschüsse einheimsen, als ihnen zustehen, und gleichzeitig noch höhere Zuwendungen fordern. Frank Welker geht in seinem Beitrag zur kirchlichen Lobbyarbeit auf Bereiche ein, die in der vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) in Auftrag gegebenen Lobby-Studie knapp oder nicht abgehandelt wurden. Insbesondere verweist er auf die Politische Sozialisation vieler Politiker_innen und die sich daraus ergebenen Folgen (Beispiel: Kerstin Griese).

Den Konflikt um die Evolutionstheorie im Unterricht in den USA beschreibt Thomas Waschke, wobei er diesmal die Nachkriegszeit betrachtet.

Daneben gibt es Berichte über säkulare Veranstaltungen und Webseiten, Buchbesprechungen sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt. Und in der Reihe “Philatelie für Ungläubige” lernen wir diesmal etwas über die Verbreitung des Evangeliums auf Briefmarken.