Eklat beim Festakt zum Konstanzer Konzil

Ziemlich beLammert

KONSTANZ. (hpd) Das hatten sich die Honoratioren der Stadt ganz anders vorgestellt. Zum Festakt der Konzilsfeierlichkeiten am 5. November war Bundestagspräsident Norbert Lammert geladen. Der hielt eine Rede, die sich kritisch mit dem Konstanzer Konzil (1414–1418) befasste. Die örtliche Tageszeitung Südkurier transportierte Lammerts erstaunliche Botschaft und das wiederum lasen die Konzilsbesoffenen gar nicht gern.

Schon vor Jahren träumte man in Konstanz davon, dass sich Prominente aus nah und fern gerne die Klinke in die Hand geben, wenn man an das Konstanzer Konzil erinnert. Diverse Namen kursierten in den zuständigen Gremien: Expapst Josef Ratzinger stand auf der Wunschliste ganz oben, knapp dahinter folgte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, dann sein Nachfolger Joachim Gauck, der die Stadtverwaltung im Frühjahr 2012 immerhin wissen ließ, dass er sich über die “freundliche Einladung zu den Jubiläumsfeiern 600 Jahre Konstanzer Konzil (….) sehr gefreut” habe. Mehr aber auch nicht.

Fortan glühten die Drähte zwischen Konstanz und Berlin. Irgendeine bekannte Politnase muss her für die offizielle Eröffnung des Jubiläums am 5. November, um der gehypten Veranstaltung überregionalen Glanz zu verleihen. Also Lammert, Norbert, CDU-Mann, Bundestagspräsident. Da wähnte sich Burchardt, Ulrich, ebenfalls CDU-Mann, Konstanzer Oberbürgermeister, auf der sicheren Seite. Was sollte da noch schiefgehen? Dazu geistliche “Würdenträger” zuhauf, wobei man bei diesem Berufsstand schon lange rätselt, was deren Dasein noch mit Würde zu tun hat.

Norbert Lammert indes tat nicht so, wie von ihm erhofft. In seiner Rede im vollbesetzten Saal des Inselhotels wies er unter anderem darauf hin, dass das Konzil mitnichten als Erfolg bezeichnet werden könne. Seiner Ansicht nach scheiterte man vor 600 Jahren beim Bemühen, anstehende Glaubensfragen zu klären. Erstaunlich nüchtern konstatierte er auch, dass entgegen der landläufigen Meinung das Konzil kein kirchliches Ereignis mit politischer Zielrichtung gewesen sei, sondern eher schon ein Gerangel um weltliche Macht und Einfluss. Da vereisten die Burchardtschen Gesichtszüge und Jubiläumsorganisatorin Ruth Bader erstarrte schier zur Salzsäule. Als Lammert dann auch noch bezweifelte, dass das Konzil das Weltereignis des Mittelalters gewesen sei und sinngemäß dafür plädierte, doch bitte auf dem Teppich zu bleiben, war die Stimmung vor allem bei den städtischen Geschichtsbeschönigern nachhaltig im Eimer.

Deren historische Einordnung des Konzils liest sich in der Regel nämlich so: “Das Konstanzer Konzil 1414 bis 1418 zählt heute als wichtigstes Ereignis des ausgehenden Mittelalters (…) Für Baden-Württemberg zählt es zu den prägnantesten Geschehnissen der letzten 2000 Jahre (…) es dient daher als Symbol für die Lösung von Konflikten im Dialog”. Da mochte Herr Lammert partout nicht zustimmen. Der Mann hat offensichtlich eine eigene Meinung und wollte sich nicht an die gewünschte Marschrichtung halten. Als anderntags der Südkurier titelte: “Bundestagspräsident Norbert Lammert entzaubert das Konstanzer Konzil”, rappelte es gar mächtig hinter den Kulissen. Wofür hat man denn Südkurier-Geschäftsführer Rainer Wiesner aufgenommen in das Kuratorium, das zukünftig über die Vergabe des gerade ins Leben gerufenen Konzilspreises zu entscheiden hat? Hat Wiesner seine SchreiberInnen nicht im Griff? Das ist doch die Höhe, da steht ein Nachspiel an.

Die Schallwellen der präsidialen Einschätzung und des Artikels im Ortsblatt beschäftigten auch den Haupt- und Finanzausschuss, der am 6. November tagte. In öffentlicher Sitzung beklagten vor allem konservative Mandatsträger, dass Lammert wohl die historische Wichtigkeit des Konzils “nicht richtig verstanden” habe. Merke: Es gibt eben Einladungen, die beim Gastgeber zu hektischer Schnappatmung führen. Das war so eine.

Aber es stehen ja noch viele Konzilsfeiern auf dem Jubiläumsprogramm. Möglichkeiten zur Genüge also, um nicht dauerhaft beLammert zu bleiben. Das Jahr 2015 schmückt sich mit dem Motto “Das Jahr der Gerechtigkeit” und soll auch an den Reformator Jan Hus erinnern, der damals nach Konstanz gelockt wurde, um seine Thesen vorzutragen. Man hatte Hus freies Geleit versprochen, entschied sich dann aber kurzfristig anders und verbrannte ihn auf dem Scheiterhaufen. Grund genug also, frühzeitig einen Festredner zu bestellen, der schon lange als Wunschkandidat von Oberbürgermeister Burchardt gilt - der Dalai Lama. Die buddhistische Grins- und Quasselstrippe wäre wirklich ein echter Brüller und geradezu prädestiniert, den Ruhm der Stadt über den Erdball zu streuen.