David Silverman referierte in Heidelberg über den Umgang mit Gläubigen

Silverman vs. Gott

HEIDELBERG. (hpd) Amerikas "Chefatheist" David Silverman kam auf seiner Europa-Tour nach Deutschland, um sein Buch "Fighting God" und den "Firebrand-Atheismus" vorzustellen. GBS Rhein-Neckar, die Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung, organisierte monatelang diesen hochkarätigen Vortrag in der Heidelberger Stadtbücherei. Obwohl es ein Vortrag in englischer Sprache ohne Simultanübersetzung war, kamen viele Neugierige, um einen humorvoll-kämpferischen Silverman zu hören. Unser Autor war für den hpd dabei.

Richard Rozati, Mitglied des Vorstandes der GBS Rhein-Neckar und Vorsitzender der HVD-Ortsgruppe für den Rhein-Neckar-Raum, betrat im eleganten schwarzen Anzug die Bühne. Ganz, wie es dem Anlass gebührte. Er führte die Zuhörer auf Englisch in einen Abend "der Inspiration und Blasphemie" im gut gefüllten Hilde Domin-Saal ein, informierte vorab z.B. über die aktuelle prozentuale Verteilung von Kirchenmitgliedern und Konfessionsfreien in Deutschland. Dies spiegele sich nicht bei unseren Volksvertretern wieder. Er stellte die Ziele der GBS und des HVD vor, die hieran etwas ändern wollen. Auch zeigte er dem Publikum Beispiele einiger erfolgreicher Aktionen der Vergangenheit, wie z.B. die bundesweite Buskampagne 2009: "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott!". Er lud auch zu den regelmäßigen Veranstaltungen der GBS Rhein-Neckar ein.

Dann leitete er redegewandt zum Gastredner über und begrüßte ihn: David Silverman, aktueller Präsident der American Atheists, sei Amerikas lauteste und prominenteste Stimme gegen Religion sowie Initiator und Präsident der Reason Rally am 24. März 2012, der mit 20.000 bis 30.000 Teilnehmern bis dato größten Versammlung von Atheisten in Amerika.

Dann kam er - unter tosendem Applaus. Wer einen überheblichen Showman erwartete, der nur Bücher verkaufen will, sah sich rasch enttäuscht. David Silverman bestand sogar darauf "nice" zu sein, obwohl er "die Notwendigkeit ein Hardliner und aus Gründen der Freundlichkeit nicht freundlich zu sein" gleich zu Beginn betonte (Zitate von David Silverman sind hin und wieder nicht wörtlich übersetzt, sondern sinngemäß zusammengefasst). Trotzdem wirkte er so: ein freundlicher Mensch, den eine Überzeugung trägt, der ein echtes Anliegen hat. Obwohl er ein radikal-atheistisches Konzept vorstellte - aus seiner Sicht die einzige Chance, die Welt zu ihrem Wohl von Religion zu befreien - wirkte er weder fundamentalistisch (obwohl er sich selbst augenzwinkernd so sieht) noch verbissen. Stattdessen war eine seiner Lieblingsaussagen: "I love data!" Sein Weltbild sei ausschließlich faktenbasiert. "Quantifizierte Daten möglichst vieler unabhängiger Quellen." Entsprechend schrieb er "Fighting God" als ein Buch mit nicht nur seiner eigenen Meinung.

Silverman vs. Gott, Collage: B. Kammermeier
Silverman vs. Gott, Collage: B. Kammermeier

In Deutschland bemühen sich Humanisten oder Säkulare eher um Distanz zu dieser extremen Form der Religionskritik. Michael Schmidt-Salomon z.B. kämpft gegen sein Image als deutscher Chef-Atheist und hat mit "Hoffnung Mensch" ein eher versöhnliches Buch geschrieben. Andere hoffen direkt auf bessere Kooperation mit den existierenden Kräften in einer religionsdurchdrungenen Gesellschaft, indem sie sich um wechselseitige Anerkennung bemühen. David Silverman lebt ein anderes Ideal. Für ihn sei die Welt ganz klar in zwei Lager geteilt: Atheisten auf der einen und Gläubige als Opfer von Religion auf der anderen Seite. Für Letztere habe er Mitgefühl, aber er schone sie nicht in der Sache ihres Glaubens. Für ihn sei alles Religiöse – egal um welche Form es sich dabei handelt – falsch, weil alles auf einer Lüge basiere. Da erschien er dem Publikum in Heidelberg völlig kompromisslos. Daher sein Engagement für den Firebrand-Atheismus.

Berücksichtigen muss man natürlich bei all seinen unermüdlich und gestenreich vorgetragenen Argumenten, dass er Amerikaner ist, der im Wesentlichen sein Land und dessen Gläubige kennt. Die Grundsituation ist in den USA jedoch deutlich anders, als in Europa oder Deutschland. Sein Kampf gegen die "Religiotie" bei amerikanischen Spitzenpolitikern ist nicht mit der Situation bei uns vergleichbar. Sicher leidet auch Deutschland (wie jetzt wieder bei der Abstimmung zum Sterbehilfegesetz zu sehen) unter religiöser Einflussnahme auf die Politik. Doch Zitate von amerikanischen Politikern sind um ein Vielfaches unbegreiflicher. Hier sei z.B. an G. W. Bushs Gespräche mit Gott erinnert, der sich daraufhin autorisiert sah, in den Irak einzumarschieren. Aber auch offen vorgetragene Forderungen nach Kreationismus-Unterricht in der Schule und andere Absurditäten fallen in diese Kategorie.

Weil Silverman pragmatisch orientiert ist und in der Sache Atheismus in Amerika etwas erreichen will, mag er keine relativierenden Begriffe für Atheisten. Humanisten, Säkulare, Agnostiker, Skeptiker, Naturalisten, Freidenker, religiöse Kritiker oder gar katholische Atheisten seien für ihn in den USA Begriffe, die einerseits gerne von verkappten Atheisten verwendet würden, um nicht anzuecken. Andererseits seien sie nach einer von ihm präsentierten Umfrage den meisten Amerikanern in ihrer korrekten Bedeutung unbekannt. Doch was ein Atheist sei, das wüssten alle. Dieser sehr weit gefasste und korrekte Begriff (Abwesenheit jeglichen Gottesglaubens) polarisiere. Atheisten seien nach Aussage Silvermans die am meisten gehasste gesellschaftliche Gruppe in den USA – allerdings in der Zahl stetig wachsend, während die Konfessionen spürbar abnähmen. Durch die sprachliche Verwässerung herrsche jedoch in Amerika die Meinung, es gäbe dort nur 3 % Atheisten, während man – zählt man die anderen “versteckten” Atheisten dazu, auf 30 % käme. Eine Google-Statistik zeige außerdem, dass in den letzten Jahren – vor allem, seit Silverman die Präsidentschaft bei American Atheists übernommen hat – die Häufigkeit des Suchbegriffs "atheist" stetig zugenommen habe.