Stiftung für Effektiven Altruismus

Wie steht der Effektive Altruismus zum Evolutionären Humanismus?

ZÜRICH. (hpd) Die GBS-Regionalgruppe Schweiz wurde unlängst zur "Stiftung für Effektiven Altruismus (EAS)". In der Folge kamen wiederholt die Fragen auf, ob diese Umbenennung notwendig gewesen sei, was sie genau bedeute und ob sie nicht zu einer weiteren Spaltung der säkularen Kräfte führe. Ideell stellt sich zudem die Frage, in welchem Verhältnis der Effektive Altruismus (EA) zum Evolutionären Humanismus (EH) – dem Leitkonzept der GBS – steht.

Der EH ist eine umfassende Weltanschauung. Er beinhaltet eine Erkenntnistheorie: insbesondere den Kritischen Rationalismus; ein empirisch fundiertes Weltbild: den Evolutionismus; und eine humanistische Ethik: die Menschenrechte bzw. deren Grundlagen, etwa Mitgefühl und Fairness.

Der EA hat einen engeren Fokus: Er ist der Teilbereich des EH, der resultiert, wenn man kritische Rationalität konsequent auf die Ethik anwendet. Im "Manifest des EH" entwickelt Michael Schmidt-Salomon "Zehn Angebote des EH" – als Kontrast zu den Zehn Geboten der Bibel. Die ersten beiden Angebote lauten:

  1. Diene weder fremden noch heimischen "Göttern", sondern dem großen Ideal der Ethik, das Leid in der Welt zu mindern!
  2. Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!

Diese Prinzipien gehören in den Bereich der Ethik – und sie drücken das Anliegen des EA im Kern hervorragend aus. Dem EA geht es um den wissenschaftlich fundierten, rational-sorgfältigen Versuch, die Welt für alle leidensfähigen Wesen möglichst umfassend zu verbessern (oder, pessimistischer formuliert, Verschlechterungen mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern). Dazu ist 1) unser Interesse entscheidend, das Leid in der Welt überhaupt zu mindern (rationale EA-Argumente dazu finden sich hier) und 2) die Erkenntnis, dass die räumliche Distanz bzw. der Geburtsort eines Individuums ethisch irrelevant ist: Gleiches Leid wird nicht dadurch weniger schlimm, dass es sich in der Ferne ereignet. Und wenn wir selbst in der Position der Leidenden sind, wünschen wir uns auch effektive Hilfe – unabhängig von der räumlichen Distanz derjenigen, die über Hilfskapazitäten verfügen.

Ein EH-Slogan lautet: "Heidenspaß statt Höllenqual (für alle im Diesseits)". Er drückt das Ziel des EA auch sehr treffend aus. Effektiven Altruisten/innen geht es darum, dieses Ziel wirklich ernst zu nehmen und logisch konsequent umzusetzen. Zwei Implikationen des EA-Ansatzes bestehen darin, >10% des Einkommens an möglichst effektive Hilfsorganisationen zu spenden und sich systematisch zu überlegen, wie man den leidmindernden Impact der eigenen Berufskarriere (die einer Zeitinvestition von rund 80’000 Stunden gleichkommt) maximieren kann. Argumentatives Material zu Zeit- und Geldspenden im EA-Sinne findet sich hier. Eine umfassende Einführung gibt die folgende Vorlesung:
 

Das Verhältnis von EA und EH ist demnach wie folgt zu bestimmen: Der EA deckt einen zentralen Teilbereich des EH ab, nämlich die kritisch-rationale Ethik. Er leistet damit einen Beitrag zur kulturellen Evolution einer "positiven säkularen Alternative", die sich nicht mit der – für unser Handeln wenig aussagekräftigen – Negierung der Religion zufrieden gibt.
 

Warum braucht es die Stiftung für Effektiven Altruismus (EAS)?

Die Mitglieder der GBS-Regionalgruppe Schweiz hatten sich bereits vor drei Jahren entschieden, ihren spezifischen Beitrag im Bereich der Weiterentwicklung der säkularen Ethik zu leisten – dort haben sie ihren komparativen Vorteil. In internationaler Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten wurde daraus die Philosophie und soziale Bewegung des "Effektiven Altruismus". Alleine im deutschen Sprachraum existieren mittlerweile über zwei Dutzend EA-Lokalgruppen.

Aufgrund des starken EA-Fokus der GBS-Regionalgruppe Schweiz stand eine Namensänderung schon länger zur Diskussion: "EA" drückt direkter aus, was wir tun, und ist als Bezeichnung auch im internationalen Kontext verständlicher und zugänglicher. Problematisch war auch, dass wir mit dem GBS-Label das Wort "Stiftung" im Namen führten, rechtlich aber als Verein verfasst waren. Weiterhin haben uns auch die Banken, bei denen wir Konti unterhalten, dazu angehalten, zu einer Stiftung zu werden: Im vergangenen Jahr haben wir über eine Million Dollar an Spendengeldern generiert und weitergeleitet, so dass seitens der Banken ein erheblicher administrativer Prüfaufwand resultierte. Dieser Aufwand entfällt nun, da wir zur staatlich anerkannten gemeinnützigen Stiftung geworden sind. Es entfällt zudem (bald) auch der Aufwand, den wir der Administration der GBS Deutschland verursacht haben (Spenden-Weiterleitungen).

Zur Förderung der EA-Bewegung im deutschen Sprachraum ist es sinnvoll, eine spezifische EA-Anlaufstelle, eine EA-Denkfabrik und -Projektschmiede zu gründen. Unser Stiftungsgefäß leistet dies und bietet allen Interessierten unentgeltlich Spenden- und Karriereberatung an – aus der Perspektive der ethischen Outputmaximierung.

Die Umbenennung der GBS-Regionalgruppe Schweiz kommt keiner Distanzierung von der GBS Deutschland gleich – im Gegenteil. Wir verstehen uns als Spin-off und Partnerstiftung der GBS, die einen Teilbereich des EH professionell umsetzt. Für das “Great Ape Project (GAP)” der GBS beispielsweise wurde auch ein eigenständiger Brand geschaffen: Das ist sinnvoll und bedeutet keine "Spaltung" oder "Zersplitterung" der säkularen Kräfte. (Der EA-Stiftung ist es im Übrigen gerade gelungen, für das GAP Spendengelder in der Höhe von EUR 12,000 zu generieren!) Analog ist es aufgrund der inhaltlichen Spezifizität und des Umfangs des EA sinnvoll, für ihn ein eigenes Gefäß zu schaffen. Das ändert nichts an der Zugehörigkeit des EA zum EH.

Diese zeigt sich auch personell: Der Philosoph und GBS-Beirat Thomas Metzinger etwa ist Mitgründer und Stiftungsrat der EAS. Er hat das politische Diskussionspapier "Künstliche Intelligenz: Chancen und Risiken" mitverfasst, das die EAS unlängst publiziert hat. In Bälde folgen zusätzliche Diskussionspapiere in den Themenbereichen evidenzbasierte und kosteneffektive Entwicklungszusammenarbeit, Tierleid und Tierrechte sowie progressive Bioethik (etwa: Stammzellenforschung, PID, psychoaktive Substanzen und kognitives Enhancement). Zu diesen und weiteren Themen planen wir auch Konferenzen und politische Vorstöße. Wer sich als Einzelperson oder Organisation daran beteiligen möchte, kann uns jederzeit gerne kontaktieren.

Wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit allen Kräften, die engagiert an der Umsetzung einer humanistischen Ethik arbeiten!