FRANKFURT. (hpd/hu) Über ‘Pomp and Circumstances‘: Anlässlich der bevorstehenden Ausstellungseröffnung zum „Heiligen Rock“ in Trier referierte der GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma am vergangenen Montag in Frankfurt/Main im Club Voltaire über das „Turiner Grabtuch“ - eine vergleichbare Reliquie.
Pilger scharen sich um jede Reliquie - doch nicht jede bringt eine eigene "Wissenschaft" hervor: "Sindonologen" nennen sich die Mitglieder jener Spezies, die göttliches Wirken & Walten im Turiner "Grabtuch" nachweisen wollen. Wie der fromme Wunsch die Wirklichkeit zu verdrängen sucht, zeigte Amardeo Sarma in seinem Vortrag über das Turiner "Grabtuch": Keineswegs eine Fälschung - vielmehr ein sehr wirkungsvolles Kunstwerk. Ein Kunstwerk, das die Kirche effektvoll eingesetzt, um Gläubige anzuziehen, mehr noch: um deren Spendenpotential anzuzapfen.
Auf Einladung der Humanistischen Union, der GWUP und der KunstGesellschaft referierte Sarma detailkundig den Forschungsstand. Doch warum interessieren sich Bürgerrechtler für Reliquien? Eine überzeugende Antwort lieferte Peter Menne, der den Abend moderierte. Der gloriose Pomp um die Reliquien sei die eine Seite der Medaille, untrennbar verbunden mit der Schattenseite kirchlichen Wirkens - die diese konsequent unter den Teppich kehren wolle.
Denn Reliquien gebe es zuhauf: neben mehreren Kubikmetern Holzbalken vom Kreuze Christi und kilo- oder tonnenweise Nägeln werden allerlei Kleidungsstücke Christi verehrt. Neben dem in Turin verwahrten "Grabtuch" beispielsweise seine Sandalen (in der Abtei Prüm / Eifel) oder sein "heiliger Rock", mit dem das Bistum Trier die Sandalen-Abtei übertrumpfte. Jede einzelne dieser Reliquien wird mit großem Pomp zur Schau gestellt, die Kirche organisiert Wallfahrten - ganz aktuell etwa zum "heiligen Rock" nach Trier.
Der dortige Bischof Stephan Ackermann zelebriert mit Kindern und Jugendlichen allerlei bunten Hokuspokus. Zugleich ist Bischof Ackermann der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, predigt mit großen Worten eine "Null-Toleranz-Linie" und beschäftigt mindestens sieben pädophile Pfarrer: als "Seelsorger". Auf die großspurige Ankündigung einer "Null-Toleranz-Aufarbeitung" folge bei der Kirche die als "unendliche Gnade Gottes" gepriesene Verzeihung den eigenen Mitarbeitern gegenüber - wie etwa gegenüber Pius-Bruder und Holocaust-Leugner Bischof Williamson - den Papst Ratzinger heim ins Reich der kath. Kirche holte. St. Pölten ist schon vergessen - in dem Priesterseminar vergnügte sich der Seelsorge-Nachwuchs mit Kinderpornos, Lehrer pflegten sexuelle Kontakte zu ihren Seminaristen. Was Bischof Kurt Krenn als "Bubendummheiten" herunterspielte: "Die hatten Heimweh". Dass der Benediktiner und Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer sich mehrfach an abhängigen Jugendlichen und erwachsenen Ordensbrüdern verging, wurde 1985 bekannt - doch erst zehn Jahre später trat er von seinem Bischofsamt zurück.
Peter Menne wies auf den offensichtlichen Zusammenhang hin: mit öffentlich-pompöser Inszenierung von Reliquien oder sonstigem Klamauk lenke die Kirche von ihrem tatsächlichen Wirken ab.
Wobei eine Auflistung der Heiligtümer manchmal hilfreich wäre: denn die Gesamtheit der Balken original vom Kreuze Christi würde ausreichen, um alle Kardinäle dranzunageln - offensichtlich handelt es sich also bei den allermeisten um eine Fälschung. Andere Reliquien reizen mehr zum Lachen: war Jesus inkontinent? Die Frage stellte ein Besucher, als er vom Aachener Domschatz erfuhr: die Windel von Jesus wird dort verehrt (ob gewaschen oder mit "heiligem Inhalt", konnte nicht geklärt werden).
Doch die gesamten Reliquien auf einen Schlag: wer hätte die Zeit, all' die Geschichten und Geschichtchen sorgfältig unter die Lupe zu nehmen? Amardeo Sarma konzentrierte sich auf die eine, herausragende Ikone: das Turiner "Grabtuch". Der fromme Umgang damit darf durchaus pars pro toto genommen werden.
Was spricht für die Echtheit?
Sarma begann seinen Vortrag mit den Behauptungen der Echtheitsbefürworter: am Beginn von deren Ausführungen stehe regelmäßig, dass es das echte Grabtuch Christi sei - auch wenn ungeklärt bleibe, wie das Abbild auf das Tuch gekommen sei. Manche gingen da von natürlichen Verfahren aus, andere von einem übernatürlichen Wunder - bis hin zu einem "Neutronenblitz". Begründet wird die Authentizität damit, dass:
- die Geschichte seit der Zeit Jesu rekonstruiert sei,
- Blut und Pollen nachgewiesen seien,
- Details auf dem Tuch den Evangelien entsprächen,
- das Tuch unmöglich hätte gemalt werden können. Insbesondere seit das Negativbild bekannt sei - sei klar, dass kein Mensch so etwas malen könne.
Der Reihe nach nahm der GWUP-Vorsitzende die Behauptungen auseinander, angefangen mit der ersten öffentlichen Präsentation 1357 im französischen Lirey. Schon wenig später schrieb der zuständige Bischof von Troyes, Pierre d'Arcis eine Beschwerde an Papst Clemens VII - in der er nicht an saftigen Worten sparte:
"Die Sache, Heiliger Vater, verhält sich so: Vor einiger Zeit hat in dieser Diözese von Troyes der Dekan einer gewissen Stiftskirche, und zwar der von Lirey, fälschlich und betrügerisch, von der Leidenschaft der Habsucht verzehrt und nicht aus einem Motiv der Frömmigkeit, sondern nur des Gewinns für seine Kirche wegen, ein mit Schlauheit gemaltes Tuch angeschafft, auf dem durch geschickte Kunst das zweifache Bild eines Mannes gemalt wurde, das heißt die Rück- und Vorderseite, wobei er fälschlich erklärt und vorgibt, dass dies das wirkliche Grabtuch sei, in welches unser Heiland Jesus Christus im Grab eingehüllt war ..."
Aber Päpste gab es zu der Zeit mehrere - und die Kirche wusste den Wert solch verehrungswürdiger Objekte insgesamt zu schätzen.