Gesinnungsstrafrecht ist die falsche Antwort

BERLIN. (HU) Humanistische Union verurteilt den Versuch des Bundesrates, die Probleme sterbewilliger Menschen mit neuen Strafnormen lösen zu wollen

 

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am heutigen Freitag zwar einen entsprechenden Gesetzentwurf   in die Ausschüsse zurück überwiesen. In einem Entschließungsantrag bekräftigen die Ländervertrter jedoch ihre Absicht, bis zum Ende des Jahres einen neuen Straftatbestand der gewerblichen Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) zu schaffen, der die organisierte Begleitung / Unterstützung suizidwilliger Menschen verbietet.

Das Ansinnen, eine organisierte oder gewerbliche Suizidbegleitung verbieten zu wollen, weist die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Prof. Dr. Rosemarie Will, scharf zurück: "Mit strafrechtlichen Sanktionen lassen sich nicht die existentiellen Probleme des Sterbens regeln, Vereinsverbote und 'Maßnahmen der Sicherheitsbehörden' helfen niemandem. Wer die Gefahren eines kommerziellen Missbrauchs organisierter Suizid- oder Sterbehilfe fürchtet, sollte klare gesetzliche Regeln für derartige Angebote formulieren. Das einfache Verbot einer professionellen Suizidbegleitung ignoriert jedoch die Probleme sterbewilliger Menschen."

Unveräußerliches Recht auf Selbstbestimmung

Es gehöre zum unveräußerlichen Recht auf Selbstbestimmung eines jeden Menschen, seinem eigenen Leben unter Umständen auch ein selbstgewähltes Ende zu setzen. "Es ist nicht verwunderlich, dass in einer Gesellschaft, die für alle möglichen Dinge des alltäglichen Lebens kommerzielle Dienstleistungen bereithält, auch Sterbewillige den Wunsch nach einer professionellen Unterstützung verspüren. Derartige Hilfestellungen - sinnvoll reguliert - können unter Umständen nicht nur die Sterbewilligen, sondern auch Dritte vor den unbeabsichtigten Folgen von Selbstmordversuchen schützen."

Ein Verbot organisierter Suizidhilfe, wie sie der heute beratene Gesetzentwurf vorsah, stellt nach Auffassung von Rosemarie Will rechtsstaatliche Grundstrukturen des Strafrechts in Frage: "Die Kriminalisierung von Organisationen, die Unterstützung und Beihilfe zum Suizid leisten, führt zu einem Gesinnungsstrafrecht." Die Autoren des Gesetzes würden selbst einräumen, dass damit 'ein Verhalten mit Strafe bedroht wird, dass weit im Vorfeld denkbarer Rechtsgutsverletzungen angesiedelt ist' (Gesetzentwurf, S. 8f.) Die Absicht des Bundesrates, insbesondere jene Personen zu bestrafen, die eine 'maßgebende Rolle in einem derartigen Gewerbe' übernehmen, werden pauschal die Grundrechte aller Suizidhelfer eingeschränkt. "Ich kann mir nicht vorstellen", so Rosemarie Will, "dass eine derartige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit vor dem Grundgesetz Bestand haben könnte."

Anstelle einer Kriminalisierung der Suizidhilfe fordert die Humanistische Union den Gesetzgeber auf, endlich die Straffreiheit für passive und indirekte Sterbehilfe innerhalb des Strafgesetzbuches klarzustellen sowie die Sterbebegleitung durch Ärzte beim assistierten Suizid und die aktive Sterbehilfe zu erlauben. Die entsprechenden Gesetzesvorschläge der Bürgerrechtsorganisation finden Sie hier.

Sven Lüders