Eine Kirchenstelle im Staat

BERLIN. BRANDENBURG. SCHLESISCHE OBERLAUSITZ (hpd) Die Rasterfahndung nach Kirchensteuerflüchtlingen ist für die Betroffenen ein Lauf von Pontius zu Pilatus, besonders wenn es uneinsichtige Zugezogene betrifft, die die Trennung von Staat und Kirche für offene Wahrheit und geltendes Recht halten.

Die Anfang Juni berichtete Geschichte scheint eine ohne Ende, weil die Betroffenen einfach nicht kuschen wollen. Nun halten sie Dokumente zurück und wollen, scheint es, ein Exempel statuieren. Politische Spannung kommt auf.

 

Die Renitenz der betroffenen Person (der Briefwechsel liegt dem hpd vor) veranlasste die Behörde mit Datum 26. Juni 2009 zu der erstaunten Mitteilung, dass vielleicht ein „Rechtsempfinden verletzt wurde“. Aber seit wann gehören Empfindungen zum Amtsverkehr? Also, Zuwanderer, kommst Du in die hiesige Kirchenprovinz, lerne:
Die „Kirchensteuerstelle Berlin ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Es ist ihr Arbeitsauftrag, Feststellungen über die Kirchenmitgliedschaft zu treffen. Dabei muss sie die geltenden Bestimmungen beachten. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, den Ausgetretenen zu bitten, über den Kirchenaustritt eine amtliche Bescheinigung vorzulegen.“

Die betroffene Person wurde 1960 (Kreis Altena, Rheinland-Pfalz) evangelisch getauft und trat 1999 bei der Gemeindeverwaltung in Germersheim aus der Kirche aus. So gut, so schön, denn es folgt das Aber: „Nach geltendem Kirchenrecht [sic!] wird die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche durch die Taufe erworben. Erst mit dem Wirksamwerden der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung endet die Kirchenmitgliedschaft. Zuständig für die Entgegennahme von Kirchenaustritten ist in Rheinland-Pfalz das Amtsgericht des Wohnsitzes.“

Die kirchliche Stelle beim Staat machte sich vor diesem Brief auf die schwarzen Socken und begab sich selbst auf die Suche mit folgendem Ergebnis: „Vom Standesamt Germersheim liegt uns die Antwort vor, dass die Durchsicht der Austrittsregister für die Jahre 1996 bis 2000 keinen Hinweis ergeben hat, wonach Sie in Germersheim in diesem Zeitraum Ihren Austritt aus der evangelischen Kirche erklärt haben.“

Nun, liebe getaufte Person, setze Dich endlich in Bewegung und nimm Dich persönlich Deiner „Kirchenaustrittsangelegenheit“ an und sende das entsprechende Papier ein, denn: „Die Nachweispflicht liegt bei den Ausgetretenen, um die dauernde Befreiung von allen Verpflichtungen, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft beruhen, belegen zu können. Die Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Spandau können wir erst dann davon verständigen, dass Sie die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche beendet haben, wenn uns der Nachweis über Ihren Kirchenaustritt vorliegt. Sollten wir keinen solchen Nachweis innerhalb der kommenden 4 Wochen erhalten, müssen wir Sie aufgrund der durch die Taufe begründeten Mitgliedschaft den zuständigen Behörden als der evangelischen Kirche zugehörig melden.“

Das hast Du davon, Du Zugereister! Da Deine Seele nicht mehr zu retten ist, wollen wir Dir wenigstens an den Geldbeutel. Das nun aber regt die betroffene Person auf und sie schreibt mit Datum 28. Juni erbost zurück an die Kirchenstelle im Staat:

„Sie wollten mich nicht verstehen? Jedenfalls erweckt Ihr Antwortschreiben den Anschein und geht an der Sache etwas vorbei.
Die von Ihnen zitierten Urteile der ‘ständigen’ Rechtssprechung liegen ‘gottlob’ 18 bzw. 31 Jahre zurück; wir schreiben mittlerweile das Jahr 2009 „n.Chr.“ und sowohl Bürgerinnen als auch die staatlichen Instanzen sind aufgeklärt.
Im Zeitalter von Internet können auch normale Steuer zahlende Bürgerinnen die Organisationsstrukturen der – leider immer noch – steuererhebungsberechtigen Kirchengemeinschaften einsehen, sich über die Verwendung derer Finanzmittel und über die Kirchensteuergesetzgebung informieren.
Ich könnte den Nachweis meines Kirchenaustrittes vom 05.05.1993 in Jockgrim, Landkreis Germersheim, führen. Doch gemäß in meinem Schreiben vom 01.06.09 bereits zitiertem Kirchensteuergesetz § 2 (4) 3 muss ich den Vollzug lediglich einmalig und zwar bei der für die Entgegennahme des Kirchenaustritts zuständigen Stelle nachweisen.
Um es vielleicht auch für Sie verständlicher zu machen: Ihr Ansinnen kommt dem gleich, dass beispielsweise die Gemeinde Jockgrim heute von mir einen erneuten Nachweis verlangte, dass ich 2009 nicht mehr in ihr wohnhaft gemeldet sei und, falls ich die Jahrzehnte alte Abmeldebescheinigung nicht erneut vorlegen könne, die Gemeindevertretung gerne nach meiner Einkommensteuer trachte.
Ich fordere Sie hiermit nochmals in aller Deutlichkeit zur Unterlassung auf, mich entgegen meinem erklärten Willen einem Finanzamt als „der evangelischen Kirche zugehörig“ zu melden. Sollten Sie weiterhin an Ihrem unberechtigten Ansinnen festhalten wollen, fordere ich Sie hiermit auf, die gültige Gesetzesgrundlage für Ihre Forderung nachzuweisen. Erst dann wäre ich bereit, Ihnen eine Kopie der Niederschrift der Erklärung meines Kirchenaustrittes zuzustellen.“

Das nun auch noch: Eine Kirchenaustrittsbescheinigung haben, sie aber nicht vorzeigen wollen! Da warten wir mal die nächste Runde ab. Vielleicht kommt es zu einer Vorzeigeverpflichtung und deren Durchsetzung per Strafbefehl mit polizeilicher Begleitung. Das wäre dann der Punkt, wo dieser Vorgang entweder touristisch vermarktungsfähig oder als das begriffen würde, was er schon ist: ein Imageschaden für Berlin. Da würden dann auch andere, vielleicht sogar der Regierende Wowereit, aufmerken und sich um etwas kümmern, was Berlin wohl schon jetzt schadet (vom Problem der hinkenden Trennung von Staat und Kirche mal ganz abgesehen).

GG