BERLIN. (hpd) Bereits Anfang Mai beschloss der Bundeshauptausschuss des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD) ein Papier, in den "Humanistische Perspektiven zur Flüchtlingsaufnahme und -politik" aufgezeigt werden. Der Beschluss ist jetzt veröffentlicht worden und steht als PDF-Dokument zur Verfügung.
Der HVD macht sich darin für eine eine ethisch-humanistische Aufnahmepolitik stark. "Deutschland müsse Schutzsuchenden aus Kriegs- und Krisengebieten großzügig Asyl gewähren", heißt es in darin. Denn "Deutschland kann helfen - und sollte es auch."
Der HVD fordert unter anderem, Schutzsuchenden großzügig Asyl zu gewähren. Dabei sollten sie nicht länger in Gemeinschaftunterkünften sondern dezentral untergebracht und gleichberechtigt in das System der Sozialhilfe eingegliedert werden. Letzteres schließt auch die Aufnahme von Schutzsuchenden in die gesetzliche Krankenversicherung mit ein. Darüber hinaus vertritt der HVD die Ansicht, dass das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerte "Recht auf Bewegungsfreiheit" für alle gilt und die europaweit einmalige Residenzpflicht von Schutzsuchenden aufgehoben werden sollte.
In der Einleitung zu diesem Beschluss heißt es: "Der Humanistische Verband plädiert dafür, dass Deutschland eine ethisch-humanistische Aufnahmepolitik verfolgt und Schutzsuchenden aus Kriegs- und Krisengebieten großzügig Asyl gewährt. Gerade auch die historischen Erfahrungen mit der Bewältigung massenhafter Fluchtbewegungen der eigenen Bevölkerung in Folge der beiden Weltkriege beweisen, dass eine menschenwürdige Aufnahme Schutzsuchender mit politischer Bereitschaft sowie gesellschaftlicher Empathie und Offenheit möglich ist."
Nach Auffassung des HVD wird das Flüchtlingselend in besonderem Maße durch die Abschottungspolitik der Europäischen Union verschärft. "Schutzsuchenden wird dadurch ein gefahrloser Zugang zur Asylbeantragung verwehrt. Es müssen dringend Möglichkeiten einer gefahrlosen Asylbeantragung, beispielsweise in Botschaften oder durch Einreise-Visa im Ursprungsland und in Transitländern, geschaffen werden. Die EU-Außengrenzen sind für die Opfer von Flucht und Vertreibung durchgängig zu machen."
Gemeinsam mit der International Humanist and Ethical Union (IHEU) und der European Humanist Federation (EHF) setzt sich der HVD "für die uneingeschränkte weltweite Geltung der Gewissens-, Gedanken-, Meinungs- und Glaubensfreiheit ein, sowie dafür, dass die aufgrund ihres Glaubens oder Nichtglaubens bedrohten und verfolgten Menschen im Asylprozess die notwendige Aufmerksamkeit und sensible Behandlung erfahren."
Betont wird, dass die Gewährung von Schutz für Flüchtlinge und Asylsuchende auch bedeutet, dass auf Dauer auch bessere Lebensbedingungen den Heimatländern erreicht werden kann sowie "die Durchsetzung der Menschenrechte weltweit. Doch die Aufnahme Schutzsuchender kommt auch unserer eigenen Gesellschaft direkt zugute. Deutschland ist ein Einwanderungsland."
In dem Papier wird darauf hingewiesen, dass die deutsche Gesellschaft von den zahlreichen positiven Folgen der Einwanderung seit Jahrzehnten profitiert, "wie zum Beispiel von der demografischen Verjüngung und der kulturellen Bereicherung." Gleichzeitig wird dem kulturrelativistischem Ansatz der "Multi-Kulti"-Verteidiger eine Absage erteilt: "Damit kulturelle Vielfalt ein Vorteil sein kann, muss sich unsere Gesellschaft aber auch deren Herausforderungen stellen. So ist beispielsweise auf die Sicherung von Chancengleichheit zu achten und die Entstehung von abgeschlossenen 'Parallelgesellschaften' zu verhindern."
Der Humanistische Verband fordert von allen Gleichgesinnten allerdings auch eigenes Engagement: "Eine echte Willkommenskultur für Menschen aus anderen Ländern und Kulturen muss nicht nur von den politisch und administrativ Verantwortlichen gestaltet, sondern insbesondere auch von der gesamten Gesellschaft vor Ort gelebt und getragen werden. Dafür ist die innere Haltung jedes einzelnen Menschen von Bedeutung. Eine humanistische Willkommenskultur setzt die ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Vorbehalten und Ängsten sowie eine wohlwollende Neugier gegenüber vermeintlich Fremdem und Neuem voraus." Jegliche Form von rassistischen, fremdenfeindlichen und diskriminierenden Äußerungen, Handlungen und Strukturen lehnen die Humanisten deshalb strikt ab.
"Eine erfolgreiche Inklusion der Schutzsuchenden ist für uns alle wichtig. Dabei geht es nicht um eine einseitige Anpassung der Menschen mit Migrationshintergrund an eine wie auch immer geartete deutsche Lebenskultur, sondern um ein aufeinander Zugehen und die gegenseitige Bereicherung von Menschen mit Kulturen und Identitäten im Rahmen des deutschen Grundgesetzes. Bestehenden Ängsten ist durch Aufklärung entgegenzuwirken."
Gefordert wird auch eine Änderung bei der Unterbringung von Schutzsuchenden. "Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre, erst recht in Notsituationen. Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften kann aus humanistischer Perspektive daher nur eine Notlösung sein. Eine Alternative ist die dezentrale und kommunale Versorgung mit Wohnraum. Diese bietet nicht nur die Möglichkeit, auf den aktuellen Mangel freier Aufnahmekapazitäten zu reagieren, sondern ist auch für die Inklusion förderlicher, schützt die Privatsphäre und begünstigt die Eigenständigkeit der Schutzsuchenden." Eine weitere Forderung betrifft die Aufhebung der sog. Residenzpflicht: "Die Einschränkung des Handlungs- und Gestaltungsspielraums von Schutzsuchenden durch die Residenzpflicht ist in Europa einmalig. Gemäß Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind wir der Ansicht, dass das ‘Recht auf Bewegungsfreiheit’ als Menschenrecht uneingeschränkt für alle Menschen unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus gilt."
Angesichts der Tatsache, dass nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen derzeit über 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind, ist der Beschluss des Humanistischen Verbandes Deutschland mehr als notwendig.